Vertreter von zwölf Hamburger Institutionen haben ihre Kampagne zum Volksentscheid vorgestellt: Bis zum 22. September wollen sie für ein Nein zum vollständigen Rückkauf der Energienetze werben.

Hamburg. Hin und wieder fragen sich die Initiatoren an diesem Vormittag wohl selbst, ob sie den Ort der Verkündung wirklich klug gewählt haben. Da rangiert erst ein Laster dröhnend über den benachbarten Parkplatz, so dass niemand mehr sein eigenes Wort versteht, geschweige denn das des Redners. Kurz darauf rattert ein gemütlicher grauhaariger Herr mit leeren Paletten auf dem Holperweg vorbei, und wieder herrscht bei den Vertretern des neuen Bündnisses „Nein zum Netzekauf!“ erzwungenes Schweigen. Schließlich aber wird doch noch alles gut an diesem Freitagmorgen auf dem Alstervorland neben dem Cliff. Hierher haben die Vertreter von zwölf Hamburger Institutionen eingeladen, um ihre Kampagne zum Volksentscheid unter freiem Himmel vorzustellen. Bis zum 22. September wollen sie mit Anzeigen, Postkarten und vielleicht auch mit Plakaten für ihre Sicht der Dinge werben, nämlich für ein Nein zum vollständigen Rückkauf der Energienetze, wie die Initiative „Unser Hamburg – unser Netz“ ihn anstrebt.

Der geplante vollständige Rückkauf von Gas-, Strom und Fernwärmenetz von Vattenfall und Eon wäre ein „Schildbürgerstreich“, sagt Handelskammer-Hauptgeschäftsführer Hans-Jörg Schmidt-Trenz, als endlich Ruhe eingekehrt ist und sich auch die schwarzen Wolken über Hundewiese und Nebenrasen verflüchtigt haben. Es wäre Unsinn, „Geld, das wir nicht haben, für etwas auszugeben, das uns nichts bringt“. Es sei viel wichtiger, in neue Netze zu investieren, als Geld für den Rückkauf der alten zu „verplempern“, so Schmidt-Trenz. Deswegen seien die Hamburger gut beraten, beim Volksentscheid am Tag der Bundestagswahl mit Nein zu stimmen.

Das sieht auch Sabine Glawe vom Vorstand des Bundes der Steuerzahler in Hamburg so. Die zwei Milliarden, die Hamburg für den Rückkauf ausgeben müsse entsprächen immerhin einem Preis von zwei Elbphilharmonie, sagt sie und meint vermutlich den aktuellen Kostenstand beim Konzerthausbau. Auch die Argumentation der Initiative „Unser Hamburg – Unser Netz“, dass die Kosten gar nicht direkt aus dem Haushalt erbracht würden, lässt Glawe nicht gelten. Auch bei Schattenhaushalten zahle am Ende immer der Steuerzahler. „Ein vollständiger Netzkauf geht nur über neue Schulden, und das gefährdet die Haushaltslage der Stadt.“

Als dritter spricht ein Gewerkschafter, was unterstreicht, wie breit dieses neue Bündnis aufgestellt ist. Schließlich kommt es nicht jeden Tag vor, dass Wirtschaftsverbände, Steuerzahlerbund und Gewerkschaften an einem Strang ziehen. „Die Menschen und die Industrieunternehmen brauchen eine verlässliche Energieversorgung zu wettbewerbsfähigen Preisen“, sagt Jan Eulen, Hamburger Bezirksvorsitzender der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IGBCE). „Dafür sind Erfahrung und die Bereitschaft zu Investitionen in die Netze unverzichtbar.“

Auf die Frage, ob Vattenfall ein verlässlicher Partner sei, zumal über einen baldigen Rückzug des schwedischen Energieriesen aus Deutschland spekuliert wird, antwortet Hans-Jörg Schmidt-Trenz: Auch wenn Vattenfall aussteigen sollte, sei das kein Grund dafür, dass die Stadt die Netze selbst übernehme. Das sei nicht in ihrem Interesse, zumal über die Netze auch keinerlei Einfluss auf die Art der Energieerzeugung genommen werden könne. Jedes Unternehmen, das das Geschäft von Vattenfall möglicherweise übernehme „ist uns genauso willkommen“, so der Handelskammer-Hauptgeschäftsführer.

Es soll zunächst nur zwei Motive für die Anzeigen und Postkarten der Kampagne geben. Eines zeigt eine etwas betrübt guckende junge Frau an der Alster und den Slogan: „2 Milliarden € für den Netzkauf? Nicht mit meiner Zukunft. Nein am 22. September.“ Auf dem zweiten Bild schaut ein Schweißer in voller Montur ebenso ernst in die Kamera und befindet: „Nicht mit meinem Geld.“ Wieviel das neue Bündnis für die Kampagne ausgeben werde, stehe noch nicht fest, sagt Mario Spitzmüller, Sprecher des federführenden Industrieverbandes Hamburg (IVH).

Neben Handelskammer, Industrieverband, Steuerzahlerbund und IGBCE engagieren sich acht weitere Hamburger Institutionen in dem Bündnis: der Bundesverbande Freier Immobilien und Wohnungsunternehmen (BFW), der Grundeigentümerverband Hamburg, die Handwerkskammer, der Hanseatische Ingenieurs Club (HIC), Nordmetall Verband der Metall und Elektroindustrie, der Unternehmensverband Hafen Hamburg, die Vereinigung der Unternehmensverbände in Hamburg und Schleswig-Holstein (UVNord) und der AGA Norddeutscher Unternehmensverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistung.

AGA-Hauptgeschäftsführer Volker Tschirch ging am Freitag hart mit den Rückkauf-Initiative „Unser Hamburg – unser Netz“ ins Gericht, in der neben Umweltverbänden, Mieterverein und Verbraucherzentrale auch die evangelische Kirche mit der Diakonie des Kirchenkreises Hamburg-Ost vertreten ist. „Was die Initiative betreibt, ist Volksverdummung. Sie gaukelt den Bürgern vor, dass mit dem Rückkauf der Strompreis sinken wird. Das stimmt nicht“, so Tschirch. „Und die von mir sehr geschätzte evangelische Kirche in Hamburg stilisiert den Rückkauf als Bewahrung der Schöpfung hoch. Da möge man doch bitte die Kirche im Dorf lassen.“