Internethändler wie Edeloptics aus Hamburg kritisieren hohe Preise für Kunden. Transparenz durch das Netz sorgt für mehr Durchblick für die Käufer.

Hamburg. Wenn Dennis Martens recht behält, dürfte sich die Optik-Branche in den nächsten Jahren komplett wandeln – und die Preise für Brillen einen Sinkflug starten. Martens – graue Brille, blaues Hemd – ist mit seinem Onlinehandel Edeloptics seit wenigen Jahren im Markt, hat gerade eine Finanzspritze des Investors Aura Capital bekommen und verkauft die Sehhilfen über das weltweite Netz bereits in mehr als 50 Ländern der Erde. Zwar gehört Edeloptics mit seit 2009 insgesamt 150.000 verkauften Brillen noch zu den kleineren Anbietern. Aber die Vision steht, und schließlich glaubt auch die Beteiligungsgesellschaft mit Sitz am Neuen Wall, der einige der bekannten deutschen Unternehmerfamilien ihr Geld anvertrauen, an die Idee des Gründers: Mit seiner Internationalisierung ist der 38-Jährige einer der Vorreiter im Markt. Bisher ist die Branche eher lokal organisiert, denn große Ketten wie Fielmann erzielen den überwiegenden Teil ihrer Umsätze im deutschsprachigen Raum.

Martens denkt aber nicht nur geografisch in anderen Dimensionen als die bisherigen Platzhirsche. Der Hamburger setzt vor allem auf eine neue Preisstrategie. Zum Vergleich: Anbieter wie Apollo bewerben immer wieder Sonnenbrillen mit Stärkengläsern für Preise um die 25 Euro, bieten die teuren Gleitsichtgläser für 69 Euro an oder verkaufen zwei Brillen zum Preis von einer. Dennoch geben die Deutschen im Schnitt 400 Euro für eine Brille aus.

„Die Kunden haben bisher kaum Möglichkeiten, Preise zu vergleichen“, sagt Martens über die aktuelle Situation bei den Optikern. Sie kämen in die Läden mit Lockangeboten im Schaufenster, würden sich im Beratungsgespräch aber doch für teilweise unnötige Extras wie Sonderentspiegelung, Lotuseffekt oder extra dünnes Material entscheiden – und zahlten dann ordentlich drauf. „Die Margen für solche Sonderwünsche sind bei den Optikern bisher extrem hoch“, behauptet Martens. Der günstige Einkauf durch die Bündelung der Bestellungen aus etlichen Ländern ist das eine, aber auch mit einer Webpräsenz, auf der die Kunden Extras wie dünne Gläser oder Entspiegelungen verschiedener Hersteller im Preis vergleichen können, will Edeloptics punkten.

Auf der gerade neu gestalteten Internetseite von Edeloptics, die sich zum Teil allerdings noch im Aufbau befindet, können Kunden beispielsweise selber sehen und entscheiden, welche Entspiegelung bei welchem Hersteller am meisten oder wenigsten kostet. Oder sie lassen sich vom digitalen Optikermeister errechnen, um wie viele Millimeter sich die Randstärke bei einem dünneren Glas verringert, und entscheiden dann, ob dieser kosmetische Vorteil das teurere Glas für sie rechtfertigt. Dafür müssen sie allerdings auch vorher einen Sehtest vom Augenarzt vornehmen lassen oder die Werte für die Dioptrien oder den Zylinder aus dem Brillenpass in eine Eingabemaske im Internet eintragen. Die Eingabe erfordert einigen Sachverstand und kann bei komplizierteren Fällen die Beratung beim Optiker kaum ersetzen.

Edeloptics investiert aber weiter in den Ausbau des Onlineshops, erhöht die Zahl seiner Märkte und will demnächst auch ein Ladengeschäft in Hamburg eröffnen, in dem die Kunden ihre Sehstärke messen lassen können. Bisher sitzt die Firma an der Barmbeker Straße und experimentiert dort mit einem Laden, in dem sich die Kunden per iPad die Auswahl im Lager von rund 5000 Brillen anschauen und dann auch ausprobieren können.

Aber auch andere Onlineanbieter schlafen nicht. Zum einen ermöglichen die hohen Margen, die nicht nur bei den Gläsern, sondern auch bei den Gestellen üblich sind, immer wieder Rabattaktionen. Selbst renommierte Marken wie Gucci oder Ray Ban werden von Onlinehändlern zu Kampfpreisen angepriesen. „Das geht so lange gut, wie der Hersteller die Händler nicht an die kurze Leine legt“, sagt Martens mit Blick auf die Marketingstrategie der Hersteller, welche die übrigen Vertriebspartner auch nicht verprellen wollen. „Grundsätzlich sind die Anbieter etwa im Internet aber in ihrer Preisgestaltung frei, das wünscht sich auch das Kartellamt“, sagt Peter Frankenstein vom Industrieverband Augenoptik. Oft finde der Kunde günstigere Angebote im Internet.

Dafür müsse er aber auch auf Leistungen wie Augenprüfungen verzichten. Die Geräte für diese Leistungen müssten stationäre Augenoptiker in ihrer Kalkulation berücksichtigen. „Die Augenoptiker sorgen im persönlichen Beratungsgespräch für Transparenz. Jede Beratung ist speziell und immer genau auf das Bedürfnis des Kunden zugeschnitten“, weist auch Thomas Truckenbrod, Präsident des Zentralverbandes der Augenoptiker, die Kritik der Onlineanbieter zurück. Wie Edeloptics hat das Brillen-Start-up Mister Spex ebenfalls Geld in einer Finanzierungsrunde eingesammelt und setzt die 16 Millionen Euro nun für zwei Übernahmen ein: Die Berliner kaufen die schwedischen Onlineshops Lensstore und Loveyewear. Bereits 2013 soll die Gruppe auf einen gemeinsamen Umsatz von 48 Millionen Euro kommen, sagt Mister-Spex-Gründer und Geschäftsführer Dirk Graber. Im vergangenen Jahr verzeichnete Mister Spex nach eigenen Angaben einen Gesamtumsatz in Höhe von 26 Millionen Euro.

Ein anderer großer Internetanbieter, Brille24, verkaufte 2012 bereits 270.000 Brillen. Er setzt auf Eigenmarken aus asiatischer Produktion. Das Lager in Prenzlauer Berg in Berlin ist so ausgelegt, dass 6000 Päckchen am Tag ausgeliefert werden können.

Edeloptics-Inhaber Martens schweigt über seine Erlöse, nur so viel: In diesem Jahr will die Firma auf 60.000 verkaufte Brillen kommen. Martens versichert, seit der Gründung schwarze Zahlen zu schreiben. Der Hamburger nutzt wie die meisten Onlineanbieter den Kostenvorteil, die Gläser nicht selber zu schleifen. Teure Maschinen werden damit überflüssig, einzig der Automat zum Einpassen der Gläser in die Gestelle ist Eigentum der Firma. Bei vielen der 12.030 Brillengeschäfte in Deutschland werden derartige Einsparungen bisher noch nicht ausgenutzt. Zugleich geraten die Einzelkämpfer hier immer mehr unter Druck, die zehn größten Ketten im Markt erlösen bereits 40 Prozent des Gesamtumsatzes der Branche.

Die Onlinebranche erreicht zwar nur zwei bis drei Prozent des Umsatzes im Brillengeschäft. Und Günther Fielmann, Gründer der gleichnamigen Kette, die fast jede zweite Brille bundesweit verkauft, traut dem Internethandel bisher wegen der handwerklichen Herausforderungen noch keinen wirklichen Durchbruch zu. Nicht nur die Bestimmung der Sehstärke, sondern auch die Anpassung der Brille mit einer optimalen Zentrierung der Gläser sei online nicht möglich. Dennis Martens vermutet hinter der Skepsis der Branche aber einen anderen Grund: „Viele Optiker scheuen die Preistransparenz, die das Internet bietet.“