Verschmutzt, verrostet, verrottet – viele Straßenschilder in Hamburg sind in schlechtem Zustand. Den Bezirken fehlt das Geld, und so greifen viele Bürger zur Selbsthilfe. Also zum Schrubber.

Hamburg. Dunkelgrau auf dunkelblau. Eine schlecht lesbare Farbkombination, wie viele Hamburger inzwischen beim Betrachten ihrer Straßenschilder feststellen müssen. Viele sind so verdreckt, dass sie als Wegweiser so gar nicht mehr taugen. Die zuständigen Bezirksämter kommen mit Reinigung und Ersatz nicht nach. Doch statt sich zu beschweren, greifen einige Bürger inzwischen lieber selbst zum Schwamm.

Es gibt weltbewegendere Themen als verdreckte Straßennamenschilder, das ist dem Eimsbütteler Kommunalpolitiker Marc Schemmel (SPD) durchaus bewusst. Aber in welchem Maße Hamburg die Wegweiser verkommen lässt, das stößt dem 38-Jährigen dann doch auf: „Straßennamen ehren oft verdiente Bürger der Stadt. Sie dienen der Orientierung. Und sie sind die Visitenkarten der Stadt.“

Deswegen ist Schemmel aktiv geworden. Zuletzt schrubbte er Schilder – etwa an der Ecke Breitenfelder Straße/Falkenried – mit Mitstreitern aus Jugendgruppen, einer Klasse der Stadtteilschule Niendorf und bürgernahen Beamten bei der großen Freiwilligen-Aktion „Hamburg räumt auf“ Ende März. „Wir haben 2007 damit begonnen, die gröbsten Verunreinigungen selbst zu beseitigen. Anfangs waren wir nicht einmal eine Handvoll in Niendorf, inzwischen sind wir eine richtige Bürgerinitiative“, berichtet Schemmel. Manchmal greift er auch mal zwischendurch zu Schwamm und Eimer, wenn ihn Anwohner auf ein dreckiges Schild aufmerksam machen. „Das geht oft schneller, als wenn man erst den Bezirk informiert.“

Dabei ist es natürlich nicht so, dass die Hansestadt die Straßenschilder-Reinigung per se seinen Bürgern überlasst. 900.000 Euro, die nach einem Verteilungsschlüssel den sieben Hamburger Bezirke zugewiesen werden, hat die Stadt derzeit pro Jahr für den Austausch oder die Reinigung von Verkehrszeichen und Straßennamensschildern im Etat einkalkuliert. Davon entfallen etwa 180.000 Euro auf den Bezirk Eimsbüttel, dem flächenmäßig kleinsten, in dem es jedoch die höchste Bevölkerungsdichte gibt. Hier leben über 257.000 Einwohner und stehen nach Schätzung des Bezirksamt mindestens 25.000 Verkehrsschilder. „Die Mittel reichen bei weitem nicht aus, um alle maroden Schilder auszutauschen“, sagt Schemmel. Auf 250.000 bis 400.000 Euro jährlich wird der Mehrbedarf geschätzt.

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Um dem Schilderverfall Einhalt zu gebieten, kontrollieren Wegewarte ein- bis zweimal im Monat den Zustand öffentlicher Wege und Straßen und melden Verschmutzungen oder fehlende Schilder. Dabei kommt einiges zusammen: Etwa 800 Meldungen gehen jedes Jahr nur beim Bezirk Eimsbüttel ein, hinzu kommen nochmals 350 Hinweise von Polizei oder Anwohnern.

Vorrang haben jedoch wichtige verkehrsregelnde Schilder und Gefahrenzeichen, welche die Verkehrssicherheit garantieren. Straßennamenschilder haben das Nachsehen. Weil städtisches Personal für die Reinigung fehlt, werden Aufträge von Fremdfirmen erledigt.

Trotzdem sind Privatinitiativen wie die Niendorfer, die eigenmächtig Schilder putzen, den Bezirken nur bedingt willkommen. „Jede Tätigkeit im Straßenraum ist nicht ohne Gefahr“, sagt Fachamtsleiter Elmar Schleif vom Bezirksamt Eimsbüttel. Außerdem könne „eine unsachgemäße Behandlung zu Schäden an den Folien der Zeichen führen“.

Dieses Risiko geht Gerd von Borstel ein. Auch er will auf die städtische Schilderwäsche nicht mehr warten. Für den Vorsitzenden der Geschichtswerkstatt Horn ist das etwas Grundsätzliches: „John F. Kennedy sagte: Frage nicht, was dein Land für dich tun kann, sondern was du für dein Land tun kannst.“ Kurz: Schrubb doch einfach selbst.

Der 63-Jährige ist seit der Gründung der Geschichtswerkstatt besonders an der Historie der Straßennamen in seinem Stadtteil interessiert. Ende August will er dazu ein kleines Büchlein herausbringen. Bei der Vorort-Recherche erkannte er, dass man vielerorts vergebens nach Straßennamen sucht: Deswegen griff auch Gerd von Borstel zum Schrubber – und findet inzwischen, dass sich doch eigentlich jeder vor seiner Haustür sein eigenes Straßennamenschild vornehmen könnte. „Bisschen Wasser, bisschen Spülmittel. Das geht doch ruckzuck. Fünf Minuten pro Schild. Maximal.“