Sozialsenator Detlef Scheele kam in der vergangenen Woche die Ehre zu, das Zusammentreffen von gerade einmal vier der elf Regierungsmitglieder zu leiten.

Bürgermeister Olaf Scholz hat die wöchentlichen Sitzungen des Senats als straffe Veranstaltung organisiert. Sollte es Streit unter den Senatoren zu einzelnen Themen geben, was ohnehin recht selten der Fall ist, so wird der Konflikt im Vorfeld gelöst. Spontane Ideen und überraschende Meinungsschwenks während der Senatssitzung sind nicht verboten, aber unerwünscht. Mit anderen Worten: Sie kommen nicht vor.

Das Resultat dieser Arbeitsweise sind Sitzungen der Landesregierung, die selten länger als eine halbe Stunde dauern. Nun erholt sich Sozialdemokrat Scholz derzeit gerade in Norwegen und damit tritt ein weiteres strenges Reglement in Kraft: In Abwesenheit des Ersten leitet protokollgemäß die Zweite Bürgermeisterin die Senatssitzung. Doch am Dienstag der vergangenen Woche fehlte auch die Zweite Bürgermeisterin und Wissenschaftssenatorin Dorothee Stapelfeldt. Normalerweise fällt die Präsidentenrolle in diesem Fall dem dienstältesten Mitglied der sozialdemokratischen Alleinregierung zu. Da aber alle Senatoren gleichlang im Amt sind – seit dem 23. März 2011 –, greift das Anciennitätsprinzip. Sprich: Der Älteste übernimmt die Sitzungsleitung.

So kam Sozialsenator Detlef Scheele in der vergangenen Woche die Ehre zu, das Zusammentreffen von gerade einmal vier der elf Regierungsmitglieder zu leiten: Außer Scheele hielten noch Finanzsenator Peter Tschentscher, Schulsenator Ties Rabe und Justizsenatorin Jana Schiedek die Stellung. Kein Leser wird nun vermutlich erwarten, dass im Senat der fröhliche Satz gilt: „Wenn die Katze aus dem Haus ist, tanzen die Mäuse auf den Tischen.“ Das kann schon deswegen nicht der Fall sein, weil alle wichtigen Abstimmungen in die Zeit gelegt werden, in der der unumstrittene Chef Scholz anwesend ist.

Ein Blick auf die Tagesordnung des Senats belegt die These: Die vier Senatoren mussten am Dienstag nur zweimal ihre Hand heben und das zu Themen, die die Welt nicht gerade erschüttern: Sie beschlossen eine Änderung der Geschäftsordnung der Deputation der Wissenschaftsbehörde und stimmten dem Wunsch Sachsen-Anhalts zu, dem Dataport-Verbund beizutreten. Nach rekordverdächtigen rund zehn Minuten beendete Scheele die Sitzung.

Dem Sozialsenator wird der kurze Aufenthalt im Rathaus durchaus gelegen gekommen sein. Zum einen muss sich Scheele mit den aus seiner Sicht ärgerlichen Vorwürfen gegen die Betreiber der geschlossenen Heime der Haasenburg GmbH in Brandenburg beschäftigen. In der Einrichtung sind auch zehn Hamburger Jugendliche untergebracht. Wie berichtet, behaupten mehrere Jungen, in den Heimen geschlagen, schikaniert und gedemütigt worden zu sein.

Scheele hat sich darüber hinaus aber auch mehrere Besuchstermine in seinen Kalender schreiben lassen und folgt damit einem Trend, der jetzt – mitten in der nachrichtenarmen Ferienpause – zum politischen Renner wird: die Sommertour. Der Sozialsenator, auch für die Kinderbetreuung zuständig, ist zu einer Kita-Tour aufgebrochen. So besuchte Scheele unter anderem die Evangelische Kita Wackelzahn in Lohbrügge. Nun wird Scheele mitten in den Sommerferien vielleicht nicht allzu viele Kinder angetroffen haben. Aber darum geht es auch gar nicht so sehr. Es reicht, dass ein paar schöne Bilder mit glücklichen Kleinen entstehen. Strategisches Ziel ist es, ein Thema in der Öffentlichkeit zu platzieren, das für den Bürgermeister höchste Priorität hat: der Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz vom ersten Lebensjahr an, der am 1. August eingeführt wird.

Der ungekrönte König der Sommertour ist SPD-Bürgerschafts-Fraktionschef Andreas Dressel. Der Volksdorfer Sozialdemokrat startete am Montag bereits zum dritten Mal zu einer sommerlichen Rundreise durch alle 17 Bürgerschafts-Wahlkreise. „Ich nutze die Sommerpause und werde das persönliche Gespräch mit den Bürgerinnen und Bürgern sowie vielen Institutionen suchen“, sagte Dressel. In den Stadtteilen erwarten den Fraktionschef die SPD-Wahlkreisabgeordneten mit einem kleinen Besuchsprogramm. Am Montag besuchte Dressel den Olympia-Stützpunkt in Dulsberg und den umgestalteten Barmbeker Bahnhof.

„Zwei Jahre Politik für Hamburg – Versprechen gehalten“, lautet der weder überraschende noch originelle Slogan auf den SPD-Plakaten, die auf die Besuche hinweisen. Dabei wird sich Dressel nebenbei auch kaum abhalten lassen, für seine im Bundestagswahlkampf darnieder liegende Partei zu werben und den Volksentscheid zum Rückkauf der Energienetze zu geißeln. Ein Schelm, der Böses dabei denkt.

Auch andere haben die Vorzüge der Sommertour entdeckt: Der Juso-Bundesverband hat einen Bus auf die Reise geschickt, der am Mittwoch in Hamburg Station machte. Vor dem Audimax der Uni wollten die Jusos gemeinsam mit ihrem früheren Vorsitzenden, dem heutigen Eimsbütteler SPD-Bundestags-Direktkandidaten Niels Annen, die Studierenden auf ihnen drohende Probleme aufmerksam machen. Ein Termin nicht ohne feine Ironie: Annen machte einst bundesweit Schlagzeilen, weil er sein Geschichts- und Geografie-Studium nach 28 Semestern ohne Abschluss abbrach, was ihm innerparteilich Kritik einbrachte und seiner Karriere einen Knick verpasste. In dieser Problemlage hat Annen fraglos Beratungskompetenz. Inzwischen hat er das Versäumte allerdings nachgeholt.

Es sind aber nicht nur Sozialdemokraten im Sommer auf Politik-Tour: Der Verein Mehr Demokratie, der sich für die Einführung eines bundesweiten Volksentscheids einsetzt, klappert mit einem aufblasbaren, sieben Meter hohen Grundgesetz alle 100 Bundestags-Wahlkreise ab. Ziel ist es, mit Bürgern aber auch den Bundestagsabgeordneten und -kandidaten ins Gespräch zu kommen, die die Einführung des Volksentscheids beschließen müssten.

Die „Demokratie-Tour“ stoppte am Freitag auf dem Wandsbeker Marktplatz. Wenn nicht noch spontan ein Abgeordneter oder Kandidat vorbeigeschaut hat, war die Resonanz recht übersichtlich: Nur Cornelia Kerth, die Direktkandidatin der Linken, und Katja Falkenbach von der Piraten-Partei hatten ihren Besuch angekündigt. Deren Chancen, in den nächsten Bundestag einzuziehen, sind eher gering.