Der Misserfolg der Internationalen Gartenschau zeigt, dass oft zu viel gewollt wird
Am kommenden Sonntag wird der ZDF-Fernsehgottesdienst vom Gelände der Internationalen Gartenschau (igs) übertragen, und man muss gar kein allzu geübter Spötter sein, um daraus den Schluss zu ziehen: Ab jetzt hilft in Wilhelmsburg ohnehin nur noch Beten für den Erfolg der Beeteschau. Die aktuellen Zahlen, nach denen nur etwas mehr als die Hälfte der bis jetzt kalkulierten Besucher auf dem Gelände erschienen sind, werden sich jedenfalls nach menschlichem Ermessen bis Mitte Oktober nicht mehr so deutlich positiv verändern, dass am Ende nicht doch ein dickes Minus in der Bilanz stehen wird, das der Steuerzahler auszugleichen hat.
Für Schadenfreude besteht also überhaupt kein Anlass, ein Misserfolg wird finanziell alle treffen. Und auch die igs-Macher um Geschäftsführer Heiner Baumgarten haben keine Häme verdient, denn Leidenschaft und viele gute Ideen bei hohem organisatorischen Aufwand sind sogar absolut zu loben. Der Stadtteil Wilhelmsburg, diese bundesweit als Problembereich bekannte Flussinsel, wird zumindest in diesem Bereich tatsächlich zum Erblühen gebracht und auch langfristig von der Grünanlage mit ihren vielfältigen Möglichkeiten profitieren. Das Ziel der Stadtentwickler dürfte noch erreicht werden, und das ist nicht wenig.
Aber auf der anderen Seite zeigen die Zahlen auch, dass gerade die Hamburger selbst dieser Aspekt herzlich wenig interessiert, jedenfalls ist er nicht hinreichend als Motivation, um sich ins Auto oder in die Bahn zu setzen. und diese trotz aller Anstrengungen noch immer schlecht beleumundete terra incognita tatsächlich zu erkunden. Dazu hätte es Bilderbotschaften gebraucht, die, wenn nicht etwas Einzigartiges, so doch wenigstens etwas ganz Besonderes versprochen hätten. Und damit sind nicht konzeptionelle Windungen mit möglichst der Einbettung aller derzeit handelsüblich erhältlichen Diskussionsfelder (Klima, Gesellschaft, Religion, Nachhaltigkeit) gemeint, sondern schlicht: Pflanzen und Blumen. Hört sich vielleicht etwas kitschig und nach den 50er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts an und eben auch verdächtig nach „Planten un Blomen“ – aber andererseits ist jeden Tag in ebendiesem Innenstadtpark zu sehen, wie sehr die Hamburger und ihre Gäste genau dieses wollen. Die Wilhelmsburger Variante hat die Herzen der Hamburger hingegen nicht erreicht. Sie ist bisher ein Fremdkörper geblieben in einer Stadt, in der es an Grün nicht eben mangelt.
Natürlich sind auch bei der igs unfassbar viele Blumen in vielen unterschiedlichen Zusammenhängen zu sehen; manche erzählen Geschichten, andere sorgen einfach nur für einen schönen Moment. Und für Fachbesucher gibt es einen bunten Strauß an neuen Informationen. Aber der große Wurf, der einen Besuch schon deswegen unumgänglich macht, um mitreden zu können, ist nicht darunter. Und so steht diese Gartenschau am Ende eben doch exemplarisch da für eine Gesellschaft, die um jeden Preis es immer möglichst allen recht machen will, am Ende damit aber den Kern nicht mehr trifft und sich gelangweilt ab- oder, wie in diesem Fall, gar nicht erst zuwendet.
Und dann ist da noch die Sache mit dem Eintritt. Man muss kein studierter Vertriebsprofi sein, um zu wissen, dass bestimmte Beträge den Konsumenten vom Kauf abschrecken; es gibt deswegen relativ wenige Dinge auf dieser Welt, die 21 Euro kosten. Mit 19 Euro bringt das Einzelprodukt zwar weniger ein, aber da es sich deutlich häufiger verkauft, ist unter dem Strich der Ertrag eben doch höher. Mit ihrer Preisgestaltung und dem Nachsteuern bei laufendem Betrieb haben sich die Organisatoren keinen Gefallen getan. Am Ende bleibt so wenigstens keine Ratlosigkeit zurück – einige der Fehler könnten gleich am Sonntag gebeichtet werden.
Der Autor ist Mitglied der Chefredaktion des Abendblatts