Nach den Missbrauchsvorwürfen in der Haasenburg GmbH zweifelte der SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Wolfgang Rose die geschlossene Unterbringung von Jugendlichen an

Es musste schnell gehandelt werden. Die innere Sicherheit war in Gefahr. Als politisches Thema zumindest. Ausgerechnet ein alter Fahrensmann der Hamburger Sozialdemokratie drohte mit seinen der Öffentlichkeit zugespielten Aussagen die Partei wieder zurückzukatapultieren in die Zeit von vor 2001. Wolfgang Rose zweifelte das Konzept der geschlossenen Unterbringung von kriminellen Jugendlichen an. Und so sah sich Fraktionschef Andreas Dressel Anfang dieser Woche genötigt, öffentlich zu bekräftigen, dass die SPD trotz der Missbrauchsvorwürfe in Heimen der Haasenburg GmbH voll hinter der Maßnahme stehe.

Rose hatte zuvor eine E-Mail an den Arbeitskreis Kinder, Familie und Jugend sowie je eine Kopie an Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) und Dressel geschickt. „Jeder Tag, an dem wir den Aufenthalt von Hamburger Jugendlichen dort rechtfertigen, diskreditiert unsere Partei in diesem Politikbereich“, wird die Mail in der „taz“ zitiert. Mit Pädagogik habe das Geschehen dort nichts zu tun. Die Haasenburg sei „eher eine Dressuranstalt mit fragwürdigen Geschäftsinteressen“. Und dann kam es: Die Jugendlichen seien dort „unverzüglich herauszuholen“. Nicht nur ihm falle es schwer, „jede öffentliche Äußerung oder Beteiligung an Veranstaltungen aus Fraktionsdisziplin zu verweigern“.

Nun ist Rose nicht nur Ver.di-Chef in Hamburg gewesen, sondern auch Sozialpädagoge. In den 70er- und 80er-Jahren arbeitete er mit benachteiligten Jugendlichen zusammen. Aus seiner Vita ist es nachvollziehbar, dass Rose Partei für die Hamburger Haasenburg-Jugendlichen nimmt. Aber die SPD konnte und wollte sich keine Diskussion über das Für und Wider von geschlossenen Heimen leisten. Mit einem Mal stünde man wieder vor einer ähnlichen Situation wie vor zwölf Jahren, als der Umgang mit der Jugendkriminalität zu einem Regierungswechsel und einer zehnjährigen Machtabstinenz der Sozialdemokraten geführt hatte. Das soll so schnell nicht wieder passieren. Eine Erkenntnis von damals lautete: Die SPD kann mit der inneren Sicherheit keine Wahlen gewinnen, sondern nur verlieren.

Daher war es kaum verwunderlich, dass ein führender Sozialdemokrat in der vergangenen Woche schimpfte: „Der Rose hat doch ein Rad ab.“ Man müsse sich nur vorstellen, die in den geschlossenen Heimen untergebrachten Jugendlichen wären wieder in Hamburg. „Die laufen dann auf der Straße herum, und plötzlich gibt es wieder tödliche Messerstiche am S-Bahnhof Jungfernstieg.“ Und aus der Sozialbehörde ist zu vernehmen, dass Grüne und Linke, die geschlossene Heime ablehnen, „eine abstrakte Diskussion führen“. Schließlich gehe es nicht um schwer erziehbare Kinder, sondern Räuber, Schläger und Messerstecher.

Geht es nach Roland Heintze, den stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der CDU, würde Hamburg bald wieder komplett die Verantwortung bei den geschlossenen Einrichtungen übernehmen. „Wir sind zu weit weg und überlassen es anderen, nämlich den Brandenburgern, die Vorwürfe aufzuklären. Und selber können wir nicht eingreifen“, sagt Heintze. Die Stadt müsse daher darüber nachdenken, die geschlossene Unterbringung wieder in Hamburg einzuführen. Die Auflösung der geschlossenen Einrichtung an der Feuerbergstraße sei dem Kompromiss mit den Grünen geschuldet gewesen. Es sei zynisch, wie sich der Senat aus seiner Sicht zurückziehe, nur weil es keine Berichte über Misshandlungen von Hamburger Jugendlichen gebe. „Dass es womöglich ein Problem mit der Einrichtung und dem Betreiber gibt, wird dabei übersehen.“ Hamburg mache es sich in dieser Frage zu einfach.

Geht es nach der SPD, bleibt es dabei. „Eine geschlossene Unterbringung in einer Großstadt ist nicht sinnvoll“, sagt Fraktionschef Dressel. Zu groß sei die Gefahr, dass die Einsitzenden wieder in Kontakt mit ihrem kriminellen Umfeld kämen. Er könnte sich eine derartige Einrichtung allerdings in einem „Nordländer-Verbund“ vorstellen. Damit wäre der Einfluss größer, die Jugendlichen aber dennoch nicht in der Stadt. „Das ist mittelfristig jedoch nicht realisierbar.“ Niedersachsen und Schleswig-Holstein werden nicht darauf gewartet haben, eine derartige Diskussion zu führen. Außerdem haben andere SPD-Landesverbände eine weniger eindeutige Haltung zur geschlossenen Unterbringung als der Hamburger.

Dass Letzterer sich aber klar zu derartigen Heimen positioniert, dafür hat Dressel in dieser Woche mit unzähligen Telefonaten gesorgt. Auch mit dem abtrünnigen Wolfgang Rose. Der scheint mittlerweile geläutert und wieder auf Linie gebracht. Man müsse ihm zugestehen, dass er sich seine Meinung bilden und sie ändern dürfe, heißt es.

War es die Einsicht, dass die fraglichen Jugendlichen doch besser nicht auf die Straße gehören? Oder die Einsicht, dass die innere Sicherheit einfach ein schlechtes Thema für die SPD ist? Öffentlich äußern wollte sich der ehemalige Gewerkschaftsboss nicht dazu. Noch einmal will er sich die Finger nicht verbrennen.