Die Hamburger Baumarktkette ist zahlungsunfähig. Die Banken sollen zu weiteren Finanzspritzen für Praktiker nicht mehr bereit sein. In Hamburg sind 1500 Jobs bedroht.

Hamburg. Im deutschen Einzelhandel bahnt sich eine weitere, spektakuläre Pleite an. Nach der Drogeriemarktkette Schlecker im vergangenen Jahr steht nun die Hamburger Baumarktkette Praktiker unmittelbar vor der Insolvenz. Das Unternehmen erklärte am Mittwochabend in einer Pflichtmitteilung, der Vorstand habe die positive Fortführungsprognose für die Praktiker AG und einzelne Gesellschaften der Gruppe verneint.

Neben dem Insolvenzgrund der Überschuldung sei auch die Zahlungsunfähigkeit gegeben. Der Vorstand werde prüfen, bei welchen Gesellschaften der Unternehmensgruppe Insolvenzanträge zu stellen seien, und werde so bald wie möglich die Ergebnisse dieser Prüfung veröffentlichen, heißt es in der Mitteilung weiter. Praktiker beschäftigt insgesamt 20.000 Mitarbeiter, davon rund 1500 in Hamburg.

Ob für alle Tochtergesellschaften und damit auch für das traditionsreiche Hamburger Unternehmen Max Bahr ein Insolvenzantrag gestellt wird, blieb zunächst offen. Nach Abendblatt-Informationen könnte Max Bahr wegen der vergleichsweise guten Lage bei der Tochter von diesem Schritt möglicherweise auch verschont bleiben.

Bis in den späten Mittwochabend hinein hatte der Aufsichtsrat auf einer Krisensitzung versucht, eine Lösung für die aktuellen Finanzprobleme des Unternehmens zu finden – ohne Erfolg. Der Konzern hätte nach eigenen Angaben frisches Geld gebraucht, nachdem der fest eingeplante Verkauf von drei luxemburgischen Baumärkten nach einem Rückzieher des Käufers gescheitert war.

Banken verweigern Finanzspritzen

Die Banken hatten Finanzkreisen zufolge schon am Dienstag signalisiert, dass sie zu weiteren Finanzspritzen für Praktiker nicht mehr bereit seien. „Es hat keinen Sinn mehr, weitere Löcher zu stopfen“, hatte ein involvierter Banker gesagt. Der österreichische Großaktionär Alain de Krassny wäre bereit gewesen, noch einmal Geld nachzuschießen. Praktiker hätte kurzfristig 30 bis 35 Millionen Euro zum Überleben gebraucht. Der lange Winter und das verregnete Frühjahr hatten Praktiker unter anderem im wichtigen Gartengeschäft zugesetzt und die Finanzreserven stärker als zu dieser Jahreszeit gewöhnlich aufgezehrt.

Das durchkreuzte das Sanierungskonzept für die 430 Baumärkte. Deshalb kehrte Praktiker anders als geplant zu Rabattaktionen („20 Prozent auf alles“) zurück, die den Konzern schon vorher in Schieflage gebracht hatten. Der Konzern setzte 2012 rund drei Milliarden Euro um.

Einer der Warenkreditversicherer hatte die Lage noch verschärft, als er Anfang der Woche seine Deckung zurückgezogen hatte, wie zwei Brancheninsider sagten. Über Kreditversicherer finanzieren Handelsunternehmen den Warenbestand vor, bis Geld in die Kasse kommt. Ohne diese Garantien droht der Warenstrom von den Lieferanten schnell zu versiegen.

Nach Informationen des Abendblatts haben insbesondere die Praktiker-Märkte schon seit Längerem mit Lücken in den Regalen zu kämpfen, weil einzelne Lieferanten das Unternehmen aufgrund verfehlter Zahlungsziele erst verspätet oder gar nicht mehr belieferten. „Die Warenversorgung in einzelnen Sortimentsbereichen war und ist angespannt“, sagte ein Sprecher.