Ver.di will sich damit für legalen Aufenthalt der Afrikaner starkmachen – doch der Senat bleibt hart. Die Männer sollen zurück. Seit Monaten befinden sich die Flüchtlinge in der Hansestadt.
Hamburg. Der Mitgliedsausweis ist rot und hat die Aufschrift „Ver.di Card“. Seit Dienstag ist Asuquo Udo, 48, aus Nigeria Mitglied bei der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (Ver.di). Er gehört einer Arbeitervereinigung an – obwohl er in Deutschland gar keine Arbeitserlaubnis hat.
Asuquo Udo ist nicht der einzige Neuzugang bei Ver.di: Laut der Gewerkschaft treten die meisten afrikanischen Flüchtlinge, die aus Libyen über Italien nach Hamburg kamen, in dieser Woche Ver.di. bei. Die Gewerkschaft schätzt die Zahl der Flüchtlinge insgesamt auf 300, die Stadt Hamburg schätzt die Zahl deutlich geringer ein.
Seit Monaten befinden sich die Flüchtlinge in der Hansestadt: Sie wohnen bei Unterstützern, in Schulen, Kirchen, Flüchtlingsunterkünften oder auf der Straße. Sie kommen aus den unterschiedlichsten afrikanischen Staaten. Sie haben einiges gemeinsam: Sie haben in Libyen gearbeitet. Als das Gaddafi-Regime zerbrach und Krieg im Land ausbrach, flüchteten sie in Booten auf die italienische Mittelmeerinsel Lampedusa.
Jetzt sind sie hier, in Hamburg – ohne Aufenthaltstitel, Arbeitserlaubnis und Zugang zu den deutschen Sozialsystemen. „Mit unserem Ver.di-Beitritt zeigen wir, dass wir Teil der Gesellschaft in Hamburg sein wollen. Wir können und wollen nicht zurück ins Elend – sei es zu Hause in Afrika oder in Italien“, sagt Asuquo Udo, der einer der Sprecher der Flüchtlingsgruppe ist.
So sehr die Mitgliederaktion der Gewerkschaft wie ein PR-Gag anmutet: Die Verantwortlichen meinen es ernst. Ver.di fordert den Senat auf, die Flüchtlinge aufzunehmen: „Hamburg hat die Chance zu zeigen, wie eine hanseatische Willkommenskultur aussieht. Hamburg kann den Flüchtlingen einen legalen Aufenthalt in der Stadt ermöglichen“, sagt Peter Bremme von Ver.di.
Die Flüchtlinge hätten in Libyen gearbeitet – als Ingenieure, Automechaniker, Bauarbeiter oder Friseure. Bremme fordert, dass die Geflüchteten in Hamburg Zugang zum Arbeitsmarkt bekommen sollen. Die Gewerkschaft will den Flüchtlingen helfen, einen Job zu finden. Bremme verweist auf die Grundsatzerklärung seiner Gewerkschaft. Demnach will sich die Vereinigung dafür starkmachen, dass alle Menschen frei von Armut und Not leben sollen und ein Recht auf menschenwürdige Lebensbedingungen haben.
Asuquo Udo hat seine Heimat Nigeria im Jahr 2006 verlassen. Er ist verheiratet, hat drei Kinder. Zu Hause in Nigeria konnte er seine Familie nicht ernähren.
Also ging er nach Libyen, während der Zeit des Gaddafi-Regimes gab es dort gute Jobs. Er arbeitete als Techniker, er konnte seiner Familie Geld schicken. Doch dann brach der Krieg in Libyen aus – und die Lage für die Nicht-Libyer wurde gefährlich, sagt Udo. 2011 floh er, in einem kleinen Boot, zusammen mit etwa 70 anderen. Sie landeten auf Lampedusa, von dort kam er in ein Flüchtlingslager in Süditalien. Das Lager wurde von einem Tag auf den anderen dichtgemacht, sagt Udo. Die Flüchtlinge seien auf sich alleine gestellt gewesen. 100 Euro habe er noch bekommen. Aber nicht, um damit nach Hamburg reisen zu können, betont er. Überhaupt hätten viele Flüchtlinge gar kein Geld bekommen. Und diejenigen, die etwas bekommen hätten, seien nicht dazu aufgefordert worden, in die Bundesrepublik weiterzureisen. Für ihn war nur klar: In Italien wollte er nicht bleiben. Das Land befinde sich in der Wirtschaftskrise, es gebe keine Jobs, sagt er. In Deutschland hingegen verspricht er sich Chancen. Deshalb ist er jetzt hier. Er will arbeiten und mit dem Geld seine Familie unterstützen. Ein auskömmliches Leben führen könne er zu Hause in Nigeria nicht. Seine Familie hat Asuquo Udo seit vier Jahren nicht mehr gesehen.
Affo Tchassei, 37, stammt aus Togo. In Libyen arbeitete er als Wachmann, bevor der Bürgerkrieg ausbrach. Zwei Tage dauerte die Fahrt bis Lampedusa, die Insel sei total überfüllt gewesen. Auch das Flüchtlingslager in der Nähe der Stadt Brindisi in Apulien wurde dichtgemacht. „Sie haben uns rausgeschmissen“, sagt Tchassei. Geld hat er von den Italienern nicht bekommen. Warum er nach Hamburg gekommen ist? „Hamburg ist eine offene Stadt.“ Mittlerweile ist er nicht mehr ganz so sicher, ob Hamburg auch wirklich eine offene Stadt ist. Auf der einen Seite sind da die vielen Unterstützer, er kann sogar bei einem von ihnen wohnen. „Die Bürger der Stadt sind offen“, sagt Tchassei, „aber ihre Politiker nicht.“ Auch er möchte gerne arbeiten, die Sprache lernen, sich integrieren. Von der Ver.di-Mitgliedschaft verspricht er sich politische Unterstützung.
Doch Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) hatte früh klargestellt, dass sie hier keinen Anspruch auf Sozialleistungen und Arbeitserlaubnis hätten, da Italien für sie zuständig sei. So ist das europäische Recht: Das Land, in dem die Flüchtlinge zuerst landen, ist für die Asylanträge zuständig. An dieser Auffassung hat sich nichts geändert: „Die Männer haben kein dauerhaftes Bleiberecht in Deutschland und können auch keine Arbeitserlaubnis erhalten“, sagt Senatssprecher Jörg Schmoll. Nach Ablauf der Touristenvisa müssten die Flüchtlinge Deutschland wieder verlassen.