Zehn Sonntage im Jahr ist die „Eppendorfer Grillstation“ nur für „Dittsche“ reserviert. Dann ist TV-Wirt Ingo der Herr hinterm Tresen – der echte Imbissbuden-Chef Oliver Kammerer hat dann frei.
Hamburg. Wenn „Dittsche“ im Bademantel am Tresen lehnt und mit „Ingomann“ über Gott und die Welt philosophiert, sieht die „Eppendorfer Grillstation“ im Fernsehen deutlich größer aus. 20 Quadratmeter klein ist der Raum in dem Hamburger Imbiss – kaum vorstellbar, dass hier an manchen Sonntagabenden fünf Kameras aufgebaut werden und auch noch Dauergast „Schildkröte“ am Bistrotisch seinen Platz findet. Seit mehr als neun Jahren ist die Grillstation Schauplatz der Kult-Comedy „Dittsche“, in der Komiker Olli Dittrich als arbeitsloser Stammgast das Bier „perlen“ lässt und Jon Fleming Olsen mit „Vokuhila“-Frisur den Wirt Ingo gibt. Ohne diese Perücke hat der TV-Wirt zumindest den kahlen Kopf gemeinsam mit dem echten Chef – Oliver Kammerer.
Der steht im Mittagstrubel gerade mal nicht am Tresen, sondern mit roter Schürze und ebenso rotem Gesicht in der Küche. Mit einem kräftigen „Moin“ und „Tschüss“ meldet er sich von dort dennoch immer wieder zu Wort. Da, wo sich sonst „Ingomann“ geduldig „Dittsches“ Geschichten anhört, füllt Kammerers Mitarbeiter Markus (genauso kahlköpfig) Teller mit großen Portionen. „Sooo, halbes Hähnchen Ketchup und halber Hahn Pommes!“, ruft er nach draußen. Vor dem Imbiss ist in der sommerlichen Mittagshitze kaum ein Platz frei, Currywürste und Pommes gehen offensichtlich immer – auch bei schweißtreibenden Temperaturen. „Moin, ich hätte gern wieder so einen Salat wie gestern“, bestellt ein Mann bei Markus. Der hatte zwar „gestern“ frei, ist sich aber sicher: „Das kriegen wir hin.“ Der Gast ist zufrieden.
Imbiss-Chef Kammerer ist es auch. Mittags sei ohnehin immer viel los, bei schönem Wetter mit den Plätzen im Freien noch mehr. „Das können wir gebrauchen“, sagt der 44-Jährige, „alle wollen sie Geld.“ Etwa ein halbes Jahr, nachdem die mit dem Grimme- und dem Fernsehpreis ausgezeichnete Comedy gestartet war, startete auch Kammerer in der Grillstation. Bis dahin war er Koch in einem Hamburger Hotel, doch er wollte sich selbstständig machen. „Ein eigenes Restaurant war mir zu risikoreich und Chichi-Kram wollte ich auch nicht machen“, erzählt er. Als per Annonce die Grillstation als „bekannt aus Funk und Fernsehen“ zum Verpachten angeboten wurde, hatte er keine Ahnung von „Dittsche“. Bereut habe er seine Entscheidung nie.
„Hier erlebt man das wirklich wahre Leben jeden Tag aufs Neue“, sagt Kammerer. „Das wirklich wahre Leben“ – diesen Untertitel gaben die „Dittsche“-Macher auch ihrem Format. Kennt Kammerer denn auch solche Gäste wie den von Olli Dittrich kreierten und gespielten? „Wir haben noch bessere“, sagt er und grinst. 70 Prozent seien ohnehin Stammgäste, und dann gebe es eben auch die vier bis fünf echten „Dittsches“, für die die „Eppendorfer Grillstation“ zur täglichen Endstation wird. „Das sind nicht die Touris, die in blau-weiß gestreiften Bademänteln kommen, sondern echte Originale“, sagt er. „Die drehen vorher schon ihre Runde und kommen dann zum Abschlussbierchen zu uns – das werden auch öfters mal mehr“, erzählt der Wirt. „Da hört man die verrücktesten Geschichten.“ Schnaps gibt es bei ihm ebenso wenig wie einen Spielautomaten – „daddelnde Deppen wollen wir nicht“.
Die „Dittsche“-Zeit beginnt im TV um 23.15 Uhr: „Chefvisite“, kommentiert Ingo dann stets, wenn Dittsche ihn mit „Mahlzeit!“ begrüßt. Um diese Uhrzeit ist die „Eppendorfer Grillstation“ im realen Leben längst geschlossen. An den zehn Sonntagen, an denen das TV-Team jährlich für zwei Staffeln der Live-Improvisationssendung anrückt, bleibt sie sowieso zu. Sämtliche Werbung muss dann in dem Imbissraum überklebt sein, selbst der Schriftzug „www.eppendorfer-grillstation.de“. „Mich stört das nicht“, sagt der Wirt. „Für mich ist das ein bezahlter freier Tag.“ Bekannt ist seine Imbissbude, die vom Herbst an auch Speisen in die nähere Umgebung liefern will, durch die TV-Sendung im WDR und NDR ohnehin schon seit Jahren weit über Hamburg hinaus.
Auch wenn das Format inzwischen seltener zu sehen ist, zieht es nach wie vor Touristen allein deswegen in die „Grillstation“. „Manche halten sich für besonders originell und sagen „Moin, Ingo!““, erzählt Kammerer. Manchmal antworte er dann genervt: „Sehe ich aus wie Ingo, oder was?!“ Manchmal spiele er aber mit, etwa als eine Truppe junger Männer in blau-weiß gestreiften Bademänteln Junggesellenabschied bei ihm feierte. „Mit denen bin ich dann sogar noch auf den Kiez weitergezogen“, erzählt er. Einen „Dittsche“-Bademantel besitzt er selbst nicht – und hat ihn auch schon lange nicht mehr im Fernsehen gesehen. „Um diese Zeit schlafe ich meistens schon“, sagt er, „außerdem höre ich in meinem Imbiss jeden Tag noch dollere Geschichten.“