Ein Nachmittag mit dem Lions Clubs Hamburg-Hammonia ist sicher staubtrocken. Oder etwa nicht? Unser Reporter machte sich auf zum Treffen – und erlebte eine Überraschung nach der anderen.
Hamburg. Ältere Herren in Nadelstreifen sitzen in plüschigen Clubsesseln, einen Scotch oder Portwein in Griffweite? Frauen sind, wenn überhaupt, nur als Servierkräfte anwesend? Steife Atmosphäre, Gespräche über Vorgestern? Die Wirklichkeit sieht ganz anders – jedenfalls an diesem Sonntagnachmittag beim Treffen des Lions-Clubs Hamburg-Hammonia in Stocks Fischrestaurant in Poppenbüttel. Vorurteile gehen über Bord.
Es beginnt schon mit der Begrüßung des offiziell noch ein paar Minuten amtierenden Präsidenten. Oliver Reichel-Busch, promovierter Wirtschaftsingenieur in Diensten der Lufthansa-Technik, wirkt erfrischend unkompliziert: „Herzlich willkommen!“ Natürlich ist es nur eine Äußerlichkeit: Der Mann trägt zwar dunkelblauen Blazer, aber keine Krawatte.
In aller Kürze nennt er die Eckdaten seines Clubs, dem 44 Mitglieder zwischen 30 und 70 Jahren angehören, davon gut die Hälfte Frauen. Gegründet wurde Hammonia 1989 – als erster gemischter Lions-Club der Hansestadt. Zuvor blieben die Herren in der Regel unter sich. Heute umfasst der Nord-Disktrikt der „Löwen“ 105 Clubs in Hamburg, Schleswig-Holstein und Teilen Niedersachsens. Der Boss heißt „Governor“.
Es geht ins Hinterzimmer – und direkt zur Sache
Überraschung Nummer zwei folgt sogleich – und zwar in Form einer jungen Frau mit gewinnendem Wesen. Die Dame stellt sich als Tina Vögele-Leven vor, ist 35 Jahre jung, gelernte Goldschmiedemeisterin und Geschäftsleiterin eines namhaften Juweliers am Neuen Wall. Dass ihr zwei Kinder an der Hose hängen, im wahrsten Sinn des Wortes, stört sie nicht im Geringsten. Zwar wurde sie schon im Frühjahr als neue Präsidentin gewählt, doch erfolgt die Amtsübergabe erst jetzt, unmittelbar vor der am Freitag beginnenden Lions Clubs Convention. Alle 44 Clubmitglieder haben sich als freiwillige Helfer für den größten Kongress gemeldet, den Hamburg je gesehen hat. „Ehrensache!“, sagt Frau Vögele-Leven.
Dann geht’s hinein ins Hinterzimmer – und zur Sache. Von stocksteif keine Spur: Muntere Gespräche erfüllen den Raum. Man kennt einander und ist ausnahmslos per du. „Ein Präsident darf immer nur ein Jahr amtieren“, erläutert die plietsche Nachbarin. „Wir sind bemüht, abwechselnd Frauen und Männer zu wählen.“ Im Prinzip mit Vorlauf; denn meist wird der 2. Vizepräsident zwei Jahre und der 1. Vizepräsident ein Jahr später zum Boss ernannt. Das schaffe gute Einarbeitung und Harmonie in der Club-Führung.
Hinten am Fenster sitzen ein Dutzend Kinder, auf Kartoffelpüree mit Spiegelei und Spinat oder – für die etwas Größeren – Fischecken mit Pommes konzentriert.
Der Präsident schlägt eine versilberte Glocke, seine Nachfolgerin steht neben ihm. Doch bevor ein großer, blauer Schlüssel als persönliches Geschenk und die offizielle Präsidentennadel überreicht werden, bringt der scheidende Amtsträger die vergangenen Monate auf den Punkt. Damit ist ein weiteres Vorurteil erledigt: Nicht Vereinsmeierei, sondern Hilfsaktionen stehen im Mittelpunkt. Das kann in anderen Clubs auch mal ganz anders zugehen. Es ist bekannt, dass die Hierarchie bei Lions nicht jedermanns Sache ist. Muss ja auch nicht.
Im Sommer 2014 übernimmt ein Tischler das Kommando
Die Mitglieder von Hamburg-Hammonia treffen sich zwei Mal im Monat. Eine Regel wie bei den Rotariern, nach der in jedem Club jede Berufsgruppe möglichst nur einmal vertreten sein soll, existiert bei den Lions nicht wirklich. Dennoch wird betont, auf die Mischung wert zu legen. Wenn alles nach Plan läuft, übernimmt der gelernte Tischler Martin Gartmann, 32 Jahre alt, im Sommer 2014 das Kommando.
Jeden vierten Montag im Monat steht ein abendlicher Termin im Hotel Atlantic auf dem Programm. Zweimal jährlich wird zu einer Mitgliederversammlung geladen. Hinzu kommen Besuche bei sozialen Einrichtungen wie der Stiftung Mittagskinder. Außerdem macht ein großer Kochlöffel die Runde. Der jeweilige Besitzer lädt andere Mitglieder zum Essen zu sich nach Hause ein. Das fördert die Freundschaft im Club.
Anwesenheitspflicht besteht nicht, auf eine grundsätzliche Aktivität indes wird wert gelegt. Motto: Jeder macht etwas. „Karteileichen“, heißt es hinter vorgehaltener Hand, sind nicht willkommen. In beiderseitigem Interesse ist eine Aufnahme bei den Lions ganz bewusst nicht so einfach wie bei einem Tennisverein. Ein Schnuppern des Clublebens ist Pflicht bei Hammonia. Weil es auch menschlich stimmen soll. Im Anschluss an diese Phase des Kennenlernens werden dem Neuling drei Paten zur Seite gestellt. Das Wort „Bürgen“ wird nicht gerne gehört.
Hockey-Turniere für Menschen mit geistiger Behinderung
Der Jahresbeitrag liegt bei 130 Euro, größere Spenden werden nicht erwartet. Umso wichtiger ist persönliches Engagement. Die investierte Zeit zählt. Bei der größten Wohltätigkeitsorganisation der Welt wird anpackende Nächstenliebe mit viel Herzblut groß geschrieben. Im Falle der Hammonia-Mitglieder heißt das: Engagement für schwer erziehbare Jugendliche oder Spendensammeln für die Kinderkardiologie der Uniklinik in Eppendorf. Organisiert werden zudem Hockey-Turniere namens „Treffsicher“ für Menschen mit geistiger Behinderung in Zusammenarbeit mit den Special Olympics sowie ein Entenrennen auf der Außenalster zugunsten Bedürftiger.
Am 1. September werden wieder 12.000 gelbe Plastikenten um die Wette schwimmen. Hinzu kommen Gospelkonzerte, ein Blindencamp und weitere Aktivitäten. Netzwerken, so das gemeinsame Ziel, soll weniger der eigenen Karriere als dem Allgemeinwohl nutzen. Es gäbe viel zu erzählen, dennoch fasst sich Oliver Reichel-Busch kurz. Dafür, mehr noch für die Bilanz seiner Präsidentschaft, gibt es eine Menge Applaus. Es folgt die Ehrung verdienter Mitglieder. Dank, Geschenke, Umarmungen, Küsschen. Die Stimmung ist locker, gelöst, tatendurstig. Es ist kein Zufall, dass die Gründungspräsidentin von Hammonia, Barbara Grewe, auch bei der Durchführung des am Freitag beginnenden Weltkongress eine entscheidende Rolle spielt.
An der Seite ihrer Mitstreiter wird die neue Präsidentin Tina Vögele-Leven im Scandic-Hotel Position beziehen, um den internationalen Gästen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Ganz im Sinne der „Löwen-Idee“, die vor 96 Jahren ins Leben gerufen wurde. „Sie ist heute aktueller denn je“, sagt die neue Präsidentin zum Abschied. „Es gibt noch so viel zu tun.“