Im September entscheiden die Hamburger per Volksentscheid über den Rückkauf der Strom-, Gas- und Fernwärmenetze. Die SPD startet jetzt ihre Gegen-Kampagne: Zwei Milliarden Euro neue Schulden für Nichts.
Hamburg. Am 22. September, parallel zur Bundestagswahl, dürfen die Wähler in einem Volksentscheid über eine für die Stadt wegweisende Frage abstimmen: Soll Hamburg die Strom-, Gas- und Fernwärmenetze zu 100 Prozent zurückkaufen, wie eine Volksinitiative es fordert? Oder ist die bisherige 25,1-Prozent-Beteiligung des SPD-Senats das bessere Modell? Trotz der enormen Bedeutung ist das Thema in der Stadt bislang nicht sonderlich präsent. Das soll sich nun ändern – die SPD geht jetzt in die Offensive und will den Bürgern erklären, warum sie für ein „Nein“ beim Volksentscheid wirbt.
Kernargument werde sein, dass die Stadt zwei Milliarden Euro ausgeben müsse und dafür nichts bekomme, was sie nicht jetzt schon hat, kündigte SPD-Fraktionschef Andreas Dressel am Mittwoch an. Denn der Besitzer der Energienetze habe überhaupt keinen Einfluss darauf, wie die Energie auf der einen Seite produziert werde und wie die Verbraucher auf der anderen Seite damit umgehen – er sei einfach nur gesetzlich verpflichtet, sie durchzuleiten. Im Gegensatz dazu habe sich der Senat mit der 25,1-Prozent-Beteiligung, die die Stadt 2011 den Konzernen Vattenfall und E.on für 543 Millionen Euro abgekauft hatte, umfangreiche Mitspracherechte gesichert: Die Konzerne verpflichteten sich, 1,6 Milliarden Euro in die Energiewende zu investieren, die Stadt sitze in allen Aufsichtsgremien, und es werde keine Investitionsentscheidung ohne ihre Zustimmung getroffen – all das würde bei einem erfolgreichen Volksentscheid wieder verloren gehen, so Dressel. „Wenn das durchkommt, müssen die Vereinbarungen mit Vattenfall und E.on komplett rückabgewickelt werden. Dann stehen wir in Sachen Energiewende wieder bei null und gleichzeitig vor jahrelangen juristischen Auseinandersetzungen mit den Versorgern. Das wird ein großes Kuddelmuddel.“ Aus seiner Sicht könnte die Initiative sogar nach hinten losgehen: Selbst wenn der Volksentscheid erfolgreich ist und selbst wenn die Stadt es dann schafft, den Konzernen die Netze komplett abzukaufen, sei es ja höchst fraglich, ob die 2014 auslaufende Konzession für den Betrieb dieser Netze an die Stadt vergeben wird – an diese Konzession ist aber das Eigentum gekoppelt. Es könne dann die „absurde Situation“ entstehen, dass die Stadt die Netze gleich weiterverkaufen müsste und sie mit weniger dasteht als bislang. Für ein Geschäft mit unabschätzbaren Folgen zwei Milliarden Euro auszugeben, halte er für unverantwortlich, sagte Dressel.
Außer von CDU und FDP wird diese Haltung auch von sehr vielen einflussreichen Institutionen geteilt. Ob Handels- und Handwerkskammer, Bund der Steuerzahler, die Gewerkschaft IG BCE, der Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen, das Hamburgische WeltWirtschaftsInstitut, der Industrieverband oder die Bundesnetzagentur – alle positionieren sich in einem SPD-Flyer gegen den Netzerückkauf.