Windkraftanlagen sollen das Zeichen des sogenannten Energie-Campus werden. Das Projekt in Bergedorf könnte aber durch einen Bürgerentscheid gekippt werden. Am 11. Juli wird abgestimmt.
Gleißend scheint die Sonne vom strahlend blauen Himmel auf die gemähten Wiesen und Felder am Curslacker Deich. Flaches Land, fast so weit das Auge reicht. Die Hitze flimmert. Im Norden die Autobahn 25, im Süden alte Gewächshäuser, in denen Unkraut wuchert. Sieben Hamburger Studenten, alle sehr smart und sportlich, schleppen blinkende Metallteile auf das Feld. Ein UFO-Absturz?
Nein. Die sechs Aluminium-Profile gehören zu einer selbst konstruierten Windkraftanlage (WEA), die die Studenten der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) auf dem Feld aufbauen wollen. Zehn Meter hoch, 15.000 Euro teuer und mit einer Leistung von 6000 Watt in der Lage, ein Einfamilienhaus mit Strom zu versorgen.
Doch neben der Klein-WEA und einem Windlabor sollen in dem Windpark fünf riesengroße Windkraftanlagen entstehen. Sie sollen das weithin sichtbare Zeichen des sogenannten Energie-Campus werden, mit dem Hamburg zum Zentrum für Windenergie werden will. Der Energie-Campus zielt weiter auf „Bürgerorientierung“ und will als „Kommunikationszentrum einen offenen Dialog schaffen“.
Der Senat unterstützt den Plan
Dort, wo Klein-WEA seine sechs Rotorblätter drehen lassen wird, sollen Windenergie, Netzintegration und die Speicherung von Energie erforscht werden. So steht es im „FactBook“ (deutsch: Faktenbuch) des Competence Center für Erneuerbare Energien & EnergieEffizienz – das sich auch ganz spacig mit dem Kürzel CC4E auf die Zukunft einstimmt. „Mit dem Energie-Campus wollen wir ein ,Silicon Valley‘ der erneuerbaren Energien in Hamburg schaffen“, sagt der Leiter des Projekts Prof. Dr. Werner Beba.
Das Technologiezentrum Hamburg soll die Keimzelle eines wachsenden Energie-Campus bilden, an dem sich Unternehmen und weitere Forschungseinrichtungen ansiedeln sollen. Beba: „Die Faszination der Themen, aber auch der Handlungsdruck auf Lösungen für die Energiewende sind der Nährboden für ein kreatives Klima, in dem Innovationen geschaffen werden.“
Der Senat unterstützt den Plan. Wirtschaftssenator Frank Horch sagt: „Das geschieht, um den Firmen am Standort Hamburg topqualifiziertes Personal zu bieten sowie praxisorientierte Forschung und Lehre enger miteinander verzahnen zu können.“ Denn Politik und Unternehmen müssten langfristig denken – Horch: „Wenn wir eines in den letzten Jahren gelernt haben, dann: dass Aus- und Weiterbildung zentrale Wettbewerbsfaktoren sind, aber gute Bildungs- und Infrastruktur nicht spontan von heute auf morgen entstehen.“ Seine Behörde unterstützt den 6,8 Millionen Euro teuren Energie-Campus mit 3,7 Millionen. Den Rest finanziert der Europäische Fonds für regionale Entwicklung (EFRE).
Drei Bürgerinitiativen haben sich positioniert
Bergedorf soll Boomtown werden. CC4E-Chef Professor Dr. Werner Beba sieht ein Wachstumspotenzial von 20 Prozent jedes Jahr in der Branche. „Hamburg hat heute schon 25.000 Mitarbeiter im Bereich erneuerbare Energien.“ Der gesamte Windpark wird ein zusätzliches Investitionsvolumen von zehn Millionen Euro aufweisen. Dazu soll eine eigene Gesellschaft gegründet werden: die CC4E Windenergie GmbH.
Eine Umfrage der HAW unter 543 Bergedorfern erbrachte weitgehende Zustimmung. 63 Prozent der Befragten sprachen sich in der repräsentativen Studie für den Ausbau der Windenergie aus. 18 Prozent sind dagegen, der Rest war unentschieden.
Doch die Gegner der Windkraftanlagen haben sich schon positioniert. Gleich drei Bürgerinitiativen haben einen Bürgerentscheid auf den Weg gebracht. Am 11. Juli sollen die Bergedorfer die Frage klären, wie hoch Windkraftanlagen werden dürfen. „Sind Sie für eine Beschränkung auf die jetzigen Höhen von Windkraftanlagen bis zu 100 Metern?“, heißt es dort. Wenn Anlagen wie im Energie-Campus höher werden, muss die Behörde für Stadtentwicklung eine Ausnahmegenehmigung erteilen. Dort will man das Ergebnis des Bürgerentscheids abwarten.
Je höher die Anlagen, desto mehr Energie
Votieren die Bergedorfer für 180 Meter, kann das Projekt im Herbst starten. Bei einer Beschränkung auf eine Maximalhöhe von 100 Metern sei der Erfolg des Energie-Campus in Gefahr. Die stärkeren Winde in 180 Metern Höhe seien für die neuen Anlagen nötig. Auch um eine geplante enge Kooperation mit den großen Windkraftanlagen-Bauern, die General Electric oder Siemens zu erlangen.
Die Energiegewinnung sei in Höhen bis 200 Meter um das bis zu Dreieinhalbfache höher als bei heutigen Anlagen. Das erklärt Dipl.-Ing Peter Dalhoff, der als Professor für Windenergie und Konstruktion an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften lehrt. In den hohen Anlagen würde die Zukunft liegen, wenn Städte und Landschaften nicht „mit Rotoren zugestellt werden“ sollen.
Dalhoff hatte auch die Idee für Klein-WEA, an der bisher mehr als 30 Studenten gearbeitet haben. Student Tassilo Wunstorf leitet das Projekt. Er sagt: Für die Klein-WEA entwickeln wir auch ein Logo. Sie wird das Maskottchen des Energie-Campus.“