Die Leuphana-Sommerakademie macht Schüler in drei Ferienwochen ausbildungsreif. Ab diesem Jahr gibt es erstmals auch für Jugendlich aus Hamburg und Schleswig-Holstein ein Camp. Die Agentur für Arbeit begrüßt das.
Hamburg Sie haben drei Wochen ihrer Sommerferien geopfert und sind froh darüber. Denn in dieser Zeit haben Gjejmi (wird wie der englische Name Jamie ausgesprochen) und Lukas ihrem Leben eine entscheidende Richtung gegeben. In einem Sommercamp haben die beiden Hauptschüler aus Niedersachsen, 17 und 16 Jahre alt, ein Ausbildungscoaching mitgemacht. „Das hat uns sehr geholfen und großen Spaß gemacht“, sagen sie. Gjejmi ist selbstsicherer geworden, kommt besser in der Schule klar und wird demnächst für diesen Erfolg sogar ausgezeichnet. Lukas hat trotz seiner Legasthenie große Fortschritte in Deutsch gemacht, seine Berufswünsche konkretisiert und eine Ausbildungsstelle bekommen.
Leuphana Sommerakademie heißt das Bildungsprojekt, das 24 Camps in ganz Deutschland betreibt. Seit 2007 wurden dort mehr als 800 Jugendliche unterstützt. Durch lerntherapeutische Angebote, Einzelgespräche und gezielte Kompetenzförderung, aber auch durch Sport und sinnvolle Freizeitgestaltung wird ihre Ausbildungsreife gestärkt. Das Angebot ist für sie kostenlos. Nach dem Camp werden die Schüler noch ein Jahr lang betreut, bis zu ihrem Schulabschluss. In den nächsten drei Jahren gibt es erstmals auch für Schüler aus Hamburg und Schleswig-Holstein ein Camp: auf dem Jugendhof Scheersberg an der Ostsee. Das neue Projekt wird vom Rotary Club finanziert, Kooperationspartner ist die Hamburger Agentur für Arbeit.
Der Job-Agentur werden jedes Jahr 10.000 der insgesamt 14.000 freien Ausbildungsstellen gemeldet, damit sie geeignete Bewerber dafür vorschlagen kann. Nur gut die Hälfte der Plätze konnte in diesem Jahr vermittelt werden. „Derzeit sind noch 4800 Lehrstellen offen, die im August und September besetzt werden können“, sagt Arbeitsagentur-Chef Sönke Fock. Trotzdem suchen in Hamburg immer noch 4100 Jugendliche eine Lehrstelle. „Das Überangebot an freien Plätzen ist keinesfalls ein Garant für einen ausgeglichenen Ausbildungsmarkt“, sagt Fock. Noch immer warteten Unternehmer mit der Besetzung der Stellen zu lange – in der Hoffnung auf Bewerber mit besseren Noten oder höherem Schulabschluss. Noch immer zählten Noten mehr als das Profil der Schüler. Auf der anderen Seite gerieten Jugendliche unter Zeitdruck und entschieden sich für einen Ausbildungsplatz, der eigentlich nicht zu ihren Berufswünschen passt. Die Folge: Viele brechen ab. „Der Anteil von Arbeitslosen ohne Berufsabschluss liegt in Hamburg bei mehr als 53 Prozent“, sagt Fock. Ein typisches Großstadt-Problem, daher werde gerade für Hamburger Schüler eine frühzeitige Berufsorientierung immer wichtiger.
Deshalb, so Fock, wäre die Sommerakademie „Gold wert“. „Das Projekt bietet den Teilnehmern einen anderen Rahmen für einen Austausch über die Alternativen und Möglichkeiten bei der Berufswahl als Gespräche mit Eltern und Lehrern“, sagt er. Er setze sich bei den Unternehmen sehr dafür ein, dass sie auch scheinbar weniger qualifizierten Schülern die Chance gäben, durch ein Praktikum ihre Motivation unter Beweis stellen zu können. „Im Sommercamp“, sagt Fock, „werden sie dafür fit gemacht.“
Gjejmi aus dem niedersächsischen Scharnebeck hat das Camp enorm geholfen. „Ich habe eine 180-Grad-Wende gemacht“, sagt der Jugendliche stolz. Bevor der Schüler in den Sommerferien 2012 das Leuphana-Camp in Lüneburg besucht hat, war er schüchtern, ein Mobbing-Opfer und schlecht in der Schule. Dort gewann er schnell Selbstbewusstsein. „Ich habe mein Talent fürs Rappen entdeckt und war von Jugendlichen umgeben, mit denen ich mich wohl gefühlt habe“, erzählt der Junge. In der Schule sei er „vom Außenseiter zum Mittelpunkt geworden“. Jetzt traut er sich, auf seine Klassenkameraden zuzugehen, setzt sich für sie ein, schlichtet Streit und schreibt gute Noten. „Auf unserem Abschlussfest bekomme ich von meinen Mitschülern für meinen Wandel“, sagt Gjejmi. Auch beruflich hat er sich im Camp orientiert: Er will eine Lehre als Außenhandelskaufmann machen und hat sich auch schon bei Modegeschäften und Tankstellen beworben. Bislang erfolglos. Mit Robin Lienau, einem der 16 „Teamer“ aus dem Camp, hat Gjejmi einen „Plan B“ entwickelt: Sollte er keine Ausbildungsstelle bekommen, will er auf eine berufsvorbereitende Schule gehen.
Lukas hatte bei der Lehrstellensuche Erfolg, er beginnt in wenigen Monaten eine Ausbildung zum Konstruktionsmechaniker bei Blohm + Voss. Dazu habe auch das Camp beigetragen, sagt der Neu-Wulmstorfer. „Dort wurde viel gegen meine Rechtschreibschwäche getan“, sagt er. Er habe einen im Camp begonnenen Roman freiwillig zu Hause fertig gelesen – dabei habe ihn Deutsch bislang nie interessiert. Außerdem hat er seinen Berufswunsch konkretisiert. „Eigentlich wollte ich Tischler werden, aber mir wurde klar gemacht, dass der Bedarf an holzverarbeitenden Berufen nicht groß ist.“ Lukas ist froh, dass er sich von seiner Mutter und Freunden hat überreden lassen, am Sommercamp teilzunehmen. „Nie“, sagt er „hätte ich gedacht, dass mir das Camp so viel bringen und so großen Spaß machen würde.“
Weitere Informationen über das Projekt unter www.leuphana.de/sommerakademie