Oberbaudirektor Jörn Walter gibt Kritikern recht, die sich um den Charakter der Elbchaussee sorgen. Viele Anwohner der Prachtstraße im Westen der Hansestadt fragen sich, wie der Milieuschutz kontrolliert werden kann.
Hamburg. Geht eine der vornehmsten Adressen Hamburgs tatsächlich architektonisch den Bach herunter? Nach der Kritik von Denkmalpflegern, Architekten und Anwohnern am angeblichen Niedergang der Elbchaussee Neubau um Neubau verschärft sich die Diskussion um die Zukunft des berühmten Boulevards.
Auch Hamburgs Oberbaudirektor Jörn Walter und das zuständige Bezirksamt Altona äußern sich zu den Sorgen und Vorwürfen. Beide Seiten bestätigen grundsätzlich „bedenkliche Entwicklungen“ in Teilbereichen. Kernpunkt der öffentlichen Klagen: Durch konturlose Einheitshäuser, Leerstand und Zerfall verliert die 8,6 Kilometer lange Straße allmählich an Charme und Gesicht.
„Ich betrachte die Entwicklung an der Elbchaussee mit gemischten Gefühlen“, sagt Professor Jörn Walter. „Einige Häuser sind zu groß und krötenhaft ausgefallen.“ Gemeint sind flache, breite Gebäude mit fantasielosen Fassaden. Der Stadtplaner verweist auf die Historie der Prachtstraße mit den unterschiedlichen Abschnitten zwischen Ottensen mit dichter Bebauung und den großbürgerlichen Teilen mit klassizistischen Villen in Othmarschen, Nienstedten und Blankenese.
„Wir brauchen individuelle, ins Grün eingebettete Gebäude, die der Würde des Ortes und dem Charakter dieser berühmten Straße entsprechen“, fuhr der Stadtplaner fort. In der Tat gebe es an der Elbchaussee Neubauten, „die dort einfach nicht hingehörten und alles andere als Vorzeigeexemplare“ seien. Neue Häuser mit der mehrfachen Größe der abgerissenen Vorgänger seien der falsche Weg. Ziel müsse es sein, alte Bausubstanz als Denkmal der Bau-Kulturgeschichte zu erhalten. Neubauten müssten sich harmonisch in das Umfeld einfügen.
Jörn Walter bestätigt, dass dieser Anspruch in den vergangenen Jahren nicht immer umgesetzt worden sei. Seine Hoffnung: Die bestehenden Erhaltungsverordnungen des Bezirksamtes Altona werden den städtebaulichen Milieuschutz stärken und müssen im Baugenehmigungsverfahren eingehalten werden. Als Hamburgs Oberbaudirektor sei er nicht mit allen Bauprojekten an der Elbchaussee befasst. Dennoch habe er sich erst im Mai dieses Jahres ein aktuelles Bild verschafft und die Chaussee ausführlich per Fahrrad und zu Fuß erkundet.
„Die pauschale Behauptung, die Elbchaussee gehe architektonisch den Bach herunter, können wir so nicht bestätigen“, antwortet Nils Fischer im Namen des Bezirksamts Altona. Aber er fügt auch hinzu: „Es gibt bedenkliche Entwicklungen in Teilabschnitten der Elbchaussee.“ Soweit mit dem Planungsrecht konforme Bauanträge eingereicht werden, beschränke sich die Baupflege auf Hinweise. Gestaltungsvorgaben können nur innerhalb des Geltungsbereichs von Erhaltungsverordnungen gemacht werden.
An der Elbchaussee gibt es derzeit drei dieser Verordnungen: für die Gebäude mit den Hausnummern 81 bis 91, 132 bis 168/131 bis 167 sowie 221 bis 275. Die Erhaltungsverordnungen wurden auf der Grundlage einer Studie der in Othmarschen ansässigen Architektin und Stadtplanerin Brigitte Siemonsen aus dem Jahr 2002 erlassen.
Viele Anwohner der Prachtstraße im Westen der Hansestadt fragen sich, wie der Milieuschutz kontrolliert werden kann. Dazu sagt Nils Fischer vom Bezirksamt Altona: „Die bezirklichen Bauprüfabteilungen führen keine präventiven Kontrollen durch.“ Der Grund: mangelnde personelle Ausstattung. Daher erfolge eine Kontrolle „nur anlassbezogen“. In der für den gesamten Bezirk zuständigen Bauprüfabteilung sind 25 technische Mitarbeiter beschäftigt.
„Es darf nicht angehen, dass der Charakter der Elbchaussee wegen personeller Engpässe versaut wird“, sagt Wolfgang Kaeser, Grünpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion in der Bezirksversammlung Altona und Mitglied im Bauausschuss. Seine Forderung: „Jeder Bauantrag muss überprüft werden.“ Die SPD sorge sich seit Jahren um das Gesicht der prachtvollen Straße. „Die Elbchaussee geht nicht völlig den Bach herunter“, meint Kaeser, „aber es gibt schon erhebliche Probleme.“ Es gebe vor Ort einige Neubauten, die nicht ins Gesamtbild passen. Als Beispiel nennt der sozialdemokratische Politiker die auch von anderen kritisierten Mehrfamilienhäuser an der Ecke Elbchaussee/Liebermannstraße mit langweiligen Fassaden. Schon vor zehn Jahren habe die SPD verlangt: „Rote Karte für Kaffeemühlen.“
In dieser Beziehung besteht Einigkeit zwischen den Parteien im Bezirk. Umstritten sind dagegen die Instrumente, mit denen architektonische Schandtaten zu verhindern sind. „Qualifizierte Bebauungspläne sind die schärfste Waffe gegen Auswüchse“, sagt Sven Hielscher, stellvertretender Vorsitzender der Altonaer CDU-Fraktion. Er fordert, dass die Stadtplanung aufgerüstet und die Kontrollmechanismen verbessert werden.
Zu den namhaften Kritikern der Entwicklung an der Elbchaussee gehört auch Alk Arwed Friedrichsen. Der Denkmalpfleger und Architekt, der so ansehnliche Projekte wie den Umbau der Alten Post und die Restaurierung der Nienstedtener Kirche dirigierte, plädiert für einen Erhalt der historischen Bausubstanz und Wahrung des weit über Hamburg hinaus berühmten Charakters. „Die Stadt muss verstärkt ein Auge darauf haben, was aus der Elbchaussee wird“, sagt Friedrichsen. Seine Erfahrung: „Eine gute, stilvolle Architektur ist grundsätzlich eine sinnvolle Investition in die Zukunft.“