In dem Gymnasium in Billstedt hat der Tageslichtprojektor ausgedient – die Oberstufenschüler lernen mit iPads statt mit Büchern. Eine Ausnahme, denn der Einsatz moderner Lerngeräte steckt in vielen Schulen noch in den Kinderschuhen.
Hamburg. Wo der Computerraum andernorts für Abwechslung im Schulunterricht sorgt, gehört er im Hamburger Kurt-Körber-Gymnasium fast der Vergangenheit an. Auf Tablets statt auf Taschenbücher setzt die Schule im Stadtteil Billstedt. 110 Oberstufenschüler und 25 Lehrer sind hier mit iPads ausgerüstet. Den Umgang mit moderner Technik und Online-Recherchen lernen, sich auf das wissenschaftliche Uni-Arbeiten vorbereiten und Internet-Quellen bewerten – das sollen die Schüler der Oberstufe bis zum Abitur lernen. Und nebenbei herausfinden, ob sie besser mit Stift und Papier oder mit digitalen Medien und Computer-Programmen lernen können, erklärt Schulleiter Christian Lenz.
„Wir wollen unsere Schüler fähig machen, eine Gesellschaft mitzugestalten, die mehr und mehr durch Medien geprägt ist“, sagt er. Vor zwei Jahren ist das Pilotprojekt „Paducation“ am Kurt-Körber-Gymnasium gestartet. Die Finanzierung der Geräte von mehr als 70 000 Euro teilen sich die Körber-Stiftung, die Hamburger Schulbehörde und eine beteiligte Nachbarschule. Zusätzlich stellte die Behörde eine schnelle Breitband-Leitung und sechs WLAN-Bereiche zur Verfügung.
In Physik zeichnen Schüler Versuche auf. Der Sportkurs analysiert Bewegungsabläufe. Wenn Musiker komponieren, messen Physiker mit Sensoren die Lautstärke von Geräuschen. Und wer eine Mathe-Formel im Unterricht nicht verstanden hat, dem bringt die Lehrerin in einem aufgezeichneten Internetvideo noch einmal das aktuelle Kapitel bei. „Meine Eltern unterstützen das. In den Ferien muss ich nach dem Tablet suchen, weil meine Familie damit spielt“, sagt die 17-jährige Charlotte Bünz, eine der Schülerinnen der Oberstufe.
Im Billstedter Gymnasium gehören die digitalen Schreibtafeln zum Alltag – doch in vielen deutschen Klassenzimmer regieren noch immer Kreide und Schwamm. Oft sind E-Learning und das digitale Klassenzimmer eine ferne Vision: Wie eine Umfrage der E-Learning-Agentur Infoport im Mai ergab, nutzen rund 160 von insgesamt 34 000 Schulen aktuell Tablet-Computer im Unterricht. Auch bei multimedialen Internet-Tafeln gibt es Nachholbedarf: Der Marktführer von sogenannten White-Boards, Smart-Technologie, schätzt, dass in ganz Deutschland lediglich zwölf Prozent aller allgemeinbildenden Schulen mit den modernen Schultafeln arbeitet.
Die Bildungsgewerkschaft GEW ist modernen Lernformen aufgeschlossen. „Es ist wichtig, dass sich Schüler an Lernformen und Kulturtechniken der heutigen Gesellschaft orientieren. Die Schule ist der richtige Ort, sich im verantwortungsvollen Umgang mit neuen Medien auseinanderzusetzen“, sagt Hamburgs GEW-Vize Fredrik Dehnerdt.
Auch die Mainzer Expertin für neue Lernformen an der Johannes Gutenberg-Universität, Luise Ludwig, begrüßt solche Initiativen. Sie hält jedoch eine durchdachte Vorbereitungszeit für genauso wichtig wie die Schüler am Einsatz moderner Unterrichtsgeräte zu beteiligen: „Schüler wollen mit Tablets nicht nur rechnen, präsentieren oder surfen. Oft ist ihr Recht auf Mitbestimmung aber gering ausgeprägt, obwohl sie eine klare Vorstellung darüber haben, wie der Unterricht aussehen kann“, sagt Ludwig, die am Institut für Erziehungswissenschaft an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz tätig ist.
Oft scheiterten vielversprechende Schulprojekte an der Umsetzung und an der Didaktik, wenn Tablets nicht als unterstützende Lernerleichterung, sondern zwanghaft als Fixpunkt im Unterricht eingesetzt würden. Das hat auch Charlottes Mitschülerin Inge Akyaa erkannt: „Ich sehe an den Tablets nicht immer den Nutzen. Manchmal versucht man krampfhaft etwas mit dem iPad zu machen, das man mit Stift und Papier viel einfacher machen könnte“, sagt die 17-Jährige.