Wenn Kinder kommen oder flügge werden, kriselt es schnell. Ein geschiedener Mann erzählt. Was Juristen und Therapeuten raten

Hamburg . Vielleicht haben sie einfach überstürzt geheiratet. Gerade einmal sieben Monate nach dem Kennenlernen gingen Jakob Heise (Name geändert) und seine Frau zum Standesamt, weitere zwei Monate später kam ihr Sohn Paul (Name geändert) zur Welt. Die Hochzeit, sagt Jakob Heise, sei eine rein schriftliche Angelegenheit gewesen, ohne Gäste, ohne Zeugen. "Es war wohl zu schnell", sagt der 39-Jährige heute, einen Monat nach der Scheidung. Eineinhalb Jahre dauert die Verliebtheitsphase im Durchschnitt. Bei Jakob Heise und seiner Frau war nach drei Ehejahren die Luft raus. "Wir haben uns auseinandergelebt", sagt er. Die Familie Heise passt in die Statistik, der zufolge eine überstürzte Eheschließung umso häufiger vorkommt, wenn bereits ein gemeinsames Kind unterwegs ist. Die Heises waren sich einig gewesen. Seine Frau ist mit dem Kleinen aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen. "Wir wollten beide zunächst aber in derselben Stadt wohnen", sagt Jakob Heise. Seit der Trennung ist der dreieinhalbjährige Paul am Wochenende bei seinem Vater. Dennoch: "Das alles ist emotional schon sehr anstrengend und hat Nerven gekostet." Vor allem für seinen Sohn tue es ihm leid: "Es ist traurig, dass er die Trennung mit erleben muss." Noch schwieriger ist die Situation, seitdem seine Ex-Frau einen neuen Partner hat und mit diesem zurück in ihre Heimat nach Polen ziehen möchte. Paul soll mit. Nun müsse das Gericht die Umgangsregelung klären. Die Kommunikation miteinander sei manchmal schwierig. Aber es gehe darum, dem Kind gerecht zu werden. Jakob Heise: "Keiner geht als Gewinner aus dieser Sache hervor."

Es gibt nicht die eine klassische Scheidung, sagt Sven Tomfort, Fachanwalt für Familien- und Erbrecht in der Kanzlei Schneider Stein und Partner. Leichter sei es, wenn die Betroffenen schon eine mehrjährige Trennungsphase hinter sich haben und das weitgehend verarbeitet haben. "Die haben sich emotional schon damit beschäftigt und kommen ohne Wut. In solchen Fällen ist eine Einigung meist problemlos." Je frischer die Trennung, desto schwieriger sei es. Daher empfiehlt Tomfort seinen Mandanten, eine Beratung in Anspruch zu nehmen. "Es ist gut, das Wirtschaftliche und Juristische aus den Händen zu geben." Das sage er nicht, weil er Anwalt ist, aber: "Anwälte kommunizieren sachlich miteinander und klären das. Die letzte Entscheidung liegt ohnehin beim Mandanten."

Gründe für das Scheitern von Ehen seien so vielseitig wie die Menschen selbst, sagt Regina Wegmann. Die Frauenärztin und Psychotherapeutin berät Paare in der Krise bei Pro Familia.

Gerade wenn aus einem Paar eine Familie werde, könne es leicht in der Ehe kriseln. "Darauf werden wir nicht vorbereitet. Ein Kind zu haben, wird immer nur als etwas Tolles dargestellt", sagt Regina Wegmann. Doch für die Paare sei das erste Kind eine riesige Veränderung: Die vielleicht bislang berufstätige Frau bleibt plötzlich zu Hause bei dem Kind, der Mann fühlt sich zurückgesetzt, weil sich seine Frau ausschließlich um das Baby kümmert und das Sexleben hat sich auch verändert. In dieser Situation gut miteinander im Gespräch zu bleiben, schaffen sie manchmal eben nicht.

Auch die Ansprüche an eine Ehe seien in den vergangenen Jahrzehnten gestiegen. "Die Befriedigung und Bestätigung durch den Partner soll permanent gegeben sein", sagt Frau Wegmann. Früher war die Idee einer Ehe, ein Leben lang zusammenzubleiben. Gerade in den typischen Umbruchphasen des Lebens nehmen Scheidungen zu. Wenn die Kinder aus dem Haus sind, die Frauen in den Wechseljahren und die Männer in der Midlifecrisis stecken. Auch nach der Silberhochzeit, also nach 25 Jahren Ehe, ließen sich 2011 nach Angaben des Statistischen Landesamtes rund zehn Prozent der Ehepaare scheiden. Wegmann: "Wenn Paare um die 50 Jahre alt sind, fragen sich viele: War das alles?" Das umso mehr, wenn die eigenen Kinder verliebt seien. Der häufigste Grund für die endgültige Trennung und das Scheitern einer Paarbeziehung ist nach Meinung von Diplom-Psychologe Arnold Retzer, Gründer und Leiter des Systematischen Instituts in Heidelberg, nach wie vor ein Seitensprung. "Das unlösbare Problem ist der eingebaute Widerspruch zwischen dem Wunsch nach Gebundenheit und der Sehnsucht nach Freiheit. Jeder Versuch, diesen Konflikt auf die eine oder andere Weise zu lösen, birgt die Gefahr des Scheiterns der Beziehung in sich. Eine Paarbeziehung kann an Gebundenheit ersticken, aber sich auch an Freiheit auflösen", sagt Retzer. Die Verführung für Frauen und Männer, aus ihrem Beziehungsalltag auszubrechen, lauert für gewöhnlich überall. Heutzutage vor allem im Internet, wo die Treue mittlerweile als Auslaufmodell, Seitensprünge und Affären dagegen als hippes Gesellschaftsvergnügen propagiert werden.