Tanz und Tee, Gitarren und Gespräche: Unsere Reporterin hat in der Langen Nacht der Konsulate fast die ganze Welt bereist.
Hamburg. Wieso die ältere Dame, die aus dem französischen Kulturinstitut kommt, eine bayerische Brezel in der Hand hält, soll ein Rätsel bleiben. In der roten Villa an der Heimhuder Straße in Rotherbaum hat man schließlich extra einen kleinen Tisch mit etwas stilechteren Spezialitäten aufgebaut: ein bisschen Camembert, ein paar Minisalamis. Die Besucher des Instituts français greifen gern zu an diesem Abend. Sie nutzen die zweite Lange Nacht der Konsulate, um in vier Stunden hinter ein paar Türen der teilnehmenden 33 Konsulate und sechs Kulturinstitute zu schauen.
"Nantes ist die grüne Hauptstadt für Zweihundertdreizehn", erklärt ein junger Franzose mit starkem Akzent. Und wird sofort von einem Herrn korrigiert - mit wohlwollendem Lächeln selbstverständlich. Nantes, Bordeaux, Strasbourg - bei der angekündigten "Tour de France" handelt es sich eigentlich bloß um ein paar Tische mit Prospekten. Die versammelten Frankophilen kümmert das wenig, sie kauen ein paar "Marseillotes", schokoladige Bonbons aus Marseille, und plaudern mit Muttersprachlern über ihren letzten Frankreich-Urlaub. Karin Plaass aus Schenefeld war vorher schon im Konsulat der Türkei. Ihr gefällt die Initiative des Senats: "Man weiß ja gar nicht so genau, welche Aufgaben die Hamburger Vertretungen haben. Und kommt sonst natürlich auch gar nicht erst hinein."
Wer an diesem Abend Spanien besuchen möchte, könnte den Eindruck bekommen, das hohe Gittertor am Mittelweg sei auch an diesem Abend verschlossen. Eine Handvoll Hamburger ist trotzdem beherzt durch ein paar Türen und schlichte Büroräume voller Aktenordner bis in das Büro des Konsuls vorgedrungen. Sie zeigen sich beeindruckt, dass Generalkonsul Pedro Martínez-Avial y Martín sie dort persönlich empfängt. Unter dem gestrengen Blick von König Juan Carlos, dessen Porträt an einer holzvertäfelten Wand hängt, gibt er bereitwillig Antworten. Auch auf die Frage, "warum in Spanien die Wirtschaft so schlecht läuft". Höflich nimmt er gute Wünsche für sein Land entgegen. Am Ende des Privatvortrags betritt eine Dame den Raum, echte Verwunderung im Blick: "Gar keine spanische Musik hier? Gar kein Flamenco?" "Das mache ich nächstes Jahr", verspricht der Konsul. Nicht sehr glaubwürdig, dafür sehr diplomatisch.
Mehr als 200 Gäste - ein Mitarbeiter des portugiesischen Konsulats an der Büschstraße in der Neustadt lächelt zufrieden beim Blick auf das kleine Gerät in seiner Hand, einen "Personenzähler". "Die Menschen sind erstaunt darüber, dass hier heute tatsächlich alle Türen offen stehen", sagt Amtsleiter Manuel da Silva. Ein symbolischer Akt. Die meisten Besucher halten sich hier, auf portugiesischem Territorium, lieber dort auf, wo zu Gitarrenklängen Stockfisch und Puddingtörtchen, Pastéis de Nata, gereicht werden. "So etwas wollen wir nun häufiger machen", verspricht Manuel da Silva, der erst seit wenigen Wochen im Amt ist. Besonders 2014, wenn das Jubiläum "50 Jahre Portugiesen in Deutschland" gefeiert werde.
Statt Portwein wird im chinesischen Teehaus an der Feldbrunnenstraße (Rotherbaum), das zum Konfuzius-Institut an der Universität gehört, Tee getrunken. Sehr still, sehr konzentriert. "Teataster" Henning Schmidt vom Hamburger Teespeicher und Chinesin Lili Xu bereiten für etwa zwei Dutzend Interessierte Keemun-Tee zu - einmal auf europäische, einmal auf chinesische Weise. Vorsichtig wird der Schwarztee in gläsernen Kannen herumgereicht - einen passenderen Rahmen als das Teehaus hinter dem Völkerkundemuseum könnte es für die Besucher kaum geben. Und während noch ausgiebig über Teezubereitung gesprochen wird, wird in der nur ein paar Hundert Meter entfernten Vertretung von Venezuela bereits getanzt.
Schwülwarm ist es in der Villa an der Johnsallee, in die Generalkonsulin Jaidys Briceño zusammen mit den Kollegen aus Peru geladen hat. Alma Llanera heißt die Band, die hier mit Trommeln und Rasseln zum Tanzen animiert. Das Durchschnittsalter der Südamerika-Reisenden, die hier zwischen beleuchteten Vitrinen mit geflochtenen Körben und bunt bemalten Miniaturhäuschen plaudern, ist deutlich jünger als in Europa und Asien. "Wir sind zum ersten Mal dabei. Eine tolle Möglichkeit, um Menschen für unser Land und unsere Kultur zu begeistern", sagt die ebenfalls junge Generalkonsulin.
An der Alster 85 in St. Georg versammeln sich an diesem Abend Menschen, die sich für die politische Situation in Mali interessieren. Es ist schon spät, ein Dutzend Besucher schaut sich eine Fotopräsentation mit musikalischer Untermalung an. Ein wenig müde wirken alle, doch die Fragen nach Ende des Vortrags sind erstaunlich wach. Honorarkonsulin Bettina Rhensius-Krohn berichtet über die schwierige Versorgungslage.
Zuletzt ringt sich eine Frau ein wenig schüchtern zu der Frage durch, wie man denn Honorarkonsulin werde. Und Bettina Rhensius-Krohn erzählt freimütig davon, wie sie ein langjähriger Freund aus Mali ziemlich eigenmächtig für diesen Posten vorgeschlagen habe. "In Mali wollte man gern eine Frau für dieses Amt. Außerdem spreche ich Französisch und kenne die Arbeit, da mein Vater seit Jahren Honorargeneralkonsul von Thailand ist." Dies ist auch der Grund, warum der Mali-Vortrag direkt neben einem Stein-Elefanten und Resten thailändischen Essens stattfindet. Beide Vertretungen befinden sich im selben Gebäude. Die "Lange Nacht", die eher eine "Happy Hour" war, ist zu Ende. Manche Besucher verabschieden sich mit einem Kopfnicken voneinander, vielleicht hat man sich vorher schon auf einem anderen Kontinent kennengelernt. Macht man doch so, unter Weltreisenden.