Bei dem Gespräch “Streikrecht in der Kirche“ droht Bsirske, das Thema vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte klären zu lassen. Kirche und Diakonie beschäftigen rund 1,3 Millionen Menschen.

Hamburg. Lohndumping in den unteren Gehaltsgruppen von Kirche und Diakonie hat der Vorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, Frank Bsirske, kritisiert. "Sie holen sich die Spielräume von den Schwächsten", warf Bsirske bei einer Kirchentagsveranstaltung in Hamburg den kirchlichen und diakonischen Arbeitgebern vor. Von Lohndumping betroffen seien unter anderem Erzieher und Altenpflegehelferinnen. Diese verdienten in 30 Berufsjahren bei der Kirche rund 100.000 Euro weniger als anderswo.

In dem kurzfristig angesetzten Streitgespräch zum Thema "Streikrecht in der Kirche" mit Kirchentagspräsident Professor Gerhard Robbers kündigte dieser an, vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu ziehen, sollte im Streit um das Streikrecht in der Kirche das von Ver.di angerufene Bundesverfassungsgericht keine juristisch akzeptale Entscheidung fällen.

Kirchentagspräsident Robbers, der als Verfassungs- und Staatsrechtler dazu ein Fachbuch geschrieben hat, sagte dagegen: ""Das Streikrecht in der Kirche gehört ins 19. Jahrhundert." Die Kirche habe aufgrund des kirchlichen Selbstordnungsrechts eine Sonderrolle. Bsirske bezeichnete diese Haltung als "seltsames usurpatorisches Verständnis". Ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts hatte die Haltung der Kirchen jetzt zwar im Grundsatz bestätigt. Doch die Gewerkschaften klagen dagegen derzeit vor dem Bundesverfassungsgericht.

Robbers verteidigte die gängige Praxis, Löhne und Gehälter sowie die Sozialleistungen auf der Basis des so genannten Dritten Weges mit paritätisch besetzten Kommissionen aus Arbeitnehmern und Arbeitgebern in den einzelnen kirchlichen Unternehmen zu vereinbaren – ohne Beteiligung der Gewerkschaften. Diese Kommissionen sind nach Robbers Ansicht auch der richtige Ort, gerechte Löhne einzufordern und dagegen Lohndumping vorzugehen. Eine bessere Mitarbeiterbeteiligung als in den arbeitsrechtlichen Kommissionen in der Kirche gebe es nicht, betonte der Trierer Jurist. Betriebsräte hätte da deutlich weniger Mitbestimmung, etwa bei Kündigungen.

Ver.di-Chef Bsirkse kritisierte die Praxis des Dritten Weges . "Die Kirche hat natürlich das Recht, ihre eigenen Angelegenheiten zu verwalten. Aber diese enden da, wo die Angelegenheiten anderer beginnen." Selbst in der Weimarer Republik habe es ein Streikrecht für kirchliche Mitarbeiter gegeben.

In Kirche und Diakonie sind bundesweit rund 1,3 Millionen Arbeitnehmer beschäftigt.