Es könnte ein neuer Durchbruch im Kampf gegen den Krebs werden: Bei dem Millionen-Projekt am UKE wollen Experten anhand von Bluttests herausfinden, ob Patienten geheilt sind - oder ob die Krebszellen gestreut haben.

Die Sängerin Anastacia hatte tapfer den Brustkrebs bekämpft und sich sogar bei der Therapie filmen lassen, um anderen Frauen Mut zu machen. Ein paar Jahre später konnte sie aufatmen. Der Tumor war weg. Glaubte sie. Hoffte sie. Doch nun ist der Krebs zurück. So wie der Sängerin geht es vielen tausend Krebspatienten, wenn sie nach erfolgreicher Therapie von Tag zu Tag die Hoffnung hegen, das lebensbedrohliche Leiden erfolgreich bekämpft zu haben. Und dann kommt erneut die Diagnose: Krebs. Dort, wo der Tumor schon einmal wucherte oder ganz woanders im Körper.

Das Problem beschäftigt Forscher weltweit. Und Spezialisten von Weltrang arbeiten daran, die Prognosen zuverlässig stellen zu können, ob das Leiden besiegt ist oder nicht, besonders intensiv auch im Universitätsklinikum Eppendorf. Es geht um die Fragen, warum der Krebs zurückkommt, ob es dieselbe Erkrankung ist oder eine neue und welche Rolle dabei die sogenannten schlafenden Tumorzellen spielen, die als Hinterlassenschaften einer früheren Erkrankung sich irgendwo im Körper verstecken und erst nach Jahren wieder zu neuem Leben erwachen können.

Einige Krebszellen neigen zu spätem Wiederauftreten

Seit über zwei Jahrzehnten beschäftigt sich Professor Dr. Klaus Pantel mit dem Thema. „Viele Menschen laufen mit Krebszellen im Körper herum, ohne das zu wissen. Der Organismus kontrolliert diese Zellen. Und niemand weiß bis heute, was die Kontrolle unterbricht.“ Sind es Infekte? Fehler bei der Immunabwehr?

Fest steht, dass es nach acht oder zehn Jahren oder noch später erneut zu einer Krebserkrankung kommen kann. Doch das, so Pantel, sei auch von der Art des Tumorleidens abhängig. Vor allem die Haupt-Krebserkrankungen, Mamma- und Prostatakarzinome, neigten zu solchem späten Wiederauftreten.

Die Suche nach einzelnen bösartigen Krebszellen, die nach einer erfolgreichen Therapie weiter im Körper zirkulieren, ist deshalb eine der großen Forschungsaufgaben der Gegenwart und nahen Zukunft. Denn je eher man die Zellen entdeckt, desto größer ist die Chance, sie auch durch eine gezielte Therapie unschädlich machen zu können.

Experten im UKE arbeiten an einem „Frühwarnsystem“

Der Ablauf ist offenbar so, dass vom Primärtumor einzelne Zellen in die Blutbahn gelangen. Danach setzen sie sich an irgendeinem Organ fest und schließlich bilden sich aus diesen Einzelzellen Metastasen. Diesen Ablauf, so Pantel, gelte es zu unterbrechen. Die Arbeit des Wissenschaftlers und seines Teams auf diesem Gebiet werden jetzt vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit über 430.000 Euro sowie von der EU bis 2016 mit 2,5 Millionen Euro gefördert.

„Wir wollen die im Blut zirkulierende Zellen so früh wie möglich aufspüren und näher analysieren – mit dem Ziel, eine Art Frühwarnsystem zu entwickeln“, erklärt Pantel, der in den vergangenen Jahren mehrfach für seine Forschungsarbeiten ausgezeichnet worden war, darunter 2010 mit dem Deutschen Krebspreis. Die Forscher müssen also die Tumorzellen im Blut aufspüren. Dafür sind intensive Forschungsarbeiten im Labor notwendig.

Die Wissenschaftler haben nicht nur die notwendigen Analysemethoden verfeinert, sondern auch die Möglichkeit, an die Tumorzellen im Blut zu gelangen. Das geschieht mittels einer Kanüle, die in die Vene eingeführt wird. Mit der Spitze angeln die Forscher die Tumorzellen aus dem Blut die dann entschlüsselt werden.

„Die Medizin ist lange Zeit davon ausgegangen, dass Metastasen nach dem exakt gleichen Prinzip aufgebaut sind und funktionieren wie ihr Stammtumor. Heute wissen wir, dass zwar die Grundzüge ähnlich sind, das bedeutet aber nicht, dass die Tumorzellen ihre Eigenschaften beibehalten“, erklärt Pantel. Genau diese Charakteristik aber müssen die Mediziner aufdecken. Denn dann können die Metastasen besser behandelt werden. Genau darin sieht Pantel die Chancen für erfolgreiche Therapien der Zukunft.

Bluttests sollen Erfolg der Therapie überprüfen

„In der Vergangenheit war es lediglich möglich, den primären Tumor auf seine DNA zu untersuchen. Heute können wir viele Detailinformationen aus einer einzigen Tumorzelle im Blut eines Patienten ziehen.“ Die Vision der Forscher sieht so aus, dass man in Zukunft bei den Patienten per Bluttest feststellen kann, ob die Therapie erfolgreich war oder nicht.

Unterdessen hat Pantel auch die Federführung für ein EU-Projekt übernommen, an dem fünf renommierte Zentren beteiligt sind. Auch hier geht es um die Jagd nach Tumorzellen im Blut, und zwar bei Prostatakrebs. Dieser Tumor wächst bei vielen Patienten sehr langsam, bei manchen aber auch sehr schnell mit der Tendenz zur Metastasierung.

Ziel ist es nun, auch hier mit Hilfe von Bluttests die Art des Tumors zu entschlüsseln: Langsam wachsend oder aggressiv und streuend? Gefördert wird das Projekt unter der Leitung des UKE von der EU-weiten internationalen Initiative ERA-NET mit rund 1,4 Millionen Euro. Beteiligt sind Zentren in Frankreich, Österreich, Griechenland und Polen. Für die Forschungsgelder hatten sich 117 Projektgruppen beworben. Das UKE-Projekt ist eines von zehn, das in den Genuss der Fördermittel kommt.

Das UKE-Team hat drei Jahre Zeit für die Forschung

„Wir haben für die Arbeiten drei Jahre Zeit“, sagt Pantel. „Ziel ist die Möglichkeit einer Prognose, ob die Krebszellen zur Bildung von Metastasen neigen oder nicht.“ Dann könne man die Therapie entsprechend ansetzen und die Gefahr der Metastasierung begrenzen. Auch hier geht es um die Tumorzellen im Blut. Je mehr es dort gibt, desto größer die Gefahr der Ausbreitung, vermuten die Forscher.

Für nähere Erkenntnisse werden die Patienten im Interesse der Wissenschaft – und der Optimierung ihrer eigenen Therapie – mehrfach untersucht: Nach der ersten Krebsdiagnose und nach der Erstbehandlung mit Operation oder Strahlentherapie. „Wir wollen feststellen, ob sich die Zahl der im Blut befindlichen Tumorzellen durch die Behandlung verändert und wie sie sich dann weiterentwickelt. Auf diese Weise können wir Erkenntnisse gewinnen, die für die Entwicklung neuer Therapien und die Verhinderung von Metastasen von großer Bedeutung sind.“

Dabei kommen verschiedene Messmethoden zum Einsatz. Ein neues Verfahren, das derzeit in der Martini-Klinik am UKE erprobt wird, verzichtet auf die Blutentnahme: Über einen Venenkatheter wird das Blut gefiltert, zirkulierende Tumorzellen werden herausgefischt. In der Folge gibt es zwei Ansätze, um das Krebswachstum einzudämmen: In der ersten Phase geht es darum, die Streuung der Tumorzellen frühzeitig zu erkennen, in der zweiten, den biologischen Mechanismus zu unterbrechen, der aus einer schlafenden Tumorzelle eine Metastase werden lässt.

Klaus Pantel aus Bergisch-Gladbach ist verheiratet, hat zwei Kinder. Er studierte Medizin in Köln und ging nach der Uni zwei Jahre in die USA nach Detroit. 1989 kehrte er nach Deutschland (Universität München) zurück, seit 1999 arbeitet er am UKE, leitet seit 2003 das neu gegründete Institut für Tumorbiologie.