Marc Fielmann entwickelt mit kleinem Team unter anderem Kontaktlinsen-App. Optikerkette kündigt bei Bilanzvorlage weitere Expansion an. Gewinn wurde im vergangenen Jahr auf 130 Millionen Euro gesteigert.
Hamburg. Macht Geld glücklich? Bei Günther Fielmann ließ sich diese Frage am Donnerstag recht einfach beantworten. Den Gewinn im vergangenen Jahr auf 130 Millionen Euro gesteigert, den Umsatz auf 1,1 Milliarden Euro angehoben, mehr als sieben Millionen Brillen verkauft, und das in einem schrumpfenden Markt. Fielmann ist Erfolge gewohnt, er präsentierte bei der Bilanzpressekonferenz die Zahlen des Unternehmens wie gewohnt recht ungerührt. Die erhöhte Dividende, welche die Aktionäre und die Familie Fielmann als größten Mehrheitseigner wieder um einige Millionen reicher machen wird: alles Routine. Doch als später am Rande des Journalistentermins das Gespräch auf seinen Sohn Marc kommt, hellt sich das Gesicht des 73-Jährigen auf. "Es ist verblüffend, wie ähnlich wir uns sind", sagt er lächelnd, "auch Marc macht seine Aufgaben ganz penibel, ist oft bis nachts damit beschäftigt." Mit großer Freude arbeite der 23-Jährige abwechselnd in der Verwaltung und den Niederlassungen, komme bei den Mitarbeitern sehr gut an. Der Vater strahlt: "Das bereitet mir eine große Freude."
Wie der Vater, so der Sohn, ist die Botschaft des Erfinders der Nulltarifbrille - und doch bringt Marc nun auch ganz eigene Gedanken in das Unternehmen ein: Er leitet die Firmentochter Fielmann Ventures, die sich als Inkubator für Ideen und Geschäftsmodelle versteht. Gemeinsam mit zehn Mitarbeitern sitzt Marc Fielmann mit dieser Abteilung in einem Großraumbüro in der Zentrale des Unternehmens in Barmbek. Hier wurde beispielsweise eine Smartphone-App geboren, mit der die Kunden unkompliziert Kontaktlinsen und Pflegemittel bestellen können. Außerdem ein auf Tablet-PC basierendes Informationssystem, mit dem die Verkäufer in den Filialen die Informationen über die Kunden und deren Bestellungen pflegen können. "Bisher haben wir das noch mit Zetteln gemacht", sagt Fielmann. Das neue IT-System spare pro Kundengespräch bis zu sieben Minuten. "In der Zeit können wir 150.000 Brillen zusätzlich verkaufen", freut sich der Ferrari-Fan über das Projekt seines Sohnes.
Tatsächlich begrenzt der Mangel an Verkäufern und ausreichend großen Immobilien das weitere Wachstum der größten deutschen Optikerkette derzeit am deutlichsten. In etlichen Regionen könnte Fielmann wesentlich mehr Brillen verkaufen, denn die Kunden nehmen lange Wartezeiten auf sich. "100 unserer Geschäfte sind zu klein für den Andrang", sagte Fielmann. In vielen Gemeinden ist der Unternehmer daher auf der Suche nach größeren Shops. In Hamburg gelte dies für den Standort Eppendorf, der sehr gut laufe. Außerdem sei in der Hansestadt eine Filiale in der HafenCity denkbar, sagte Fielmann.
Für seine Expansionspläne im gesamten Bundesgebiet sucht der Konzernchef derzeit vor allem nach Immobilien in Baden-Württemberg, Bayern und im Raum Berlin. Die 572 Filialen in Deutschland sollen mittelfristig - im Zeitraum von fünf Jahren - auf 700 aufgestockt werden. 671 Geschäfte betrieb Fielmann Ende März europaweit, allerdings mit starkem Schwerpunkt auf dem deutschsprachigen Raum. Die Zahlen dieser bestehenden Läden erreichten im ersten Quartal zwar nur Vorjahresniveau, lagen damit aber im Rahmen der Erwartungen von Analysten.
Auch bei dem Blick über das bestehende Filialnetz hinaus - bei einer möglichen Internationalisierung - kommen Impulse von Marc Fielmann. Immerhin hat der Filius neben Stationen im Internat Salem und an der London School of Economics auf Auslandsaufenthalten bereits Einblicke in Optikerketten in den USA und Lateinamerika gewonnen. Mit diesen Erfahrungen in diversen Auslandsmärkten arbeite er auch für die Fielmann-Gruppe an Markteintrittsstudien, deutete der Vorstandschef an, ohne dabei auf Details einzugehen. Ein weiteres Experimentierfeld liegt im Internet: Online-Anbieter wie Mister Spex, die mit 3-D-Anprobe via Webcam und großer Auswahl werben, wachsen mit zweistelligen Zuwachsraten, auch wenn der Umsatzanteil beim E-Commerce noch im unteren einstelligen Prozentbereich dümpelt.
"Die Anpassung bleibt mit den heutigen technischen Möglichkeiten aber immer ein Zufallsprodukt", sagt Fielmann, der als gelernter Augenoptiker seit jeher viel Wert auf die handwerkliche Seite seines Geschäfts legt. Für sein Unternehmen lehnt er einen Brillen-Shop im weltweiten Netz aus diesem Anspruch heraus nach wie vor ab.
Deutlich mehr am Herzen liegen Fielmann dagegen die Hörgeräteabteilungen in seinen Filialen. Bisher entfallen vom Konzernumsatz rund 87 Prozent auf das Brillengeschäft (inklusive Sonnenbrillen), elf Prozent auf Kontaktlinsen und der Rest auf Hörgeräte. Nun sollen mehr Mitarbeiter neben ihrer Qualifikation als Augenoptiker auch zu Hörgeräteakustikern ausgebildet werden. Das Kalkül: Bei Anbietern von Hörgeräten bremst die Schwellenangst viele Kunden aus. Bei Fielmann dagegen bedeutet die Beratung für ein Hörgerät meist nur den Gang in eine andere Abteilung, und der Ansprechpartner bleibt derselbe. Zusammen mit der demografischen Entwicklung kann diese Strategie bei Fielmann ein großes Potenzial entfalten. Bisher betreibt die Gruppe 86 Hörgeräteabteilungen. Mittelfristig soll diese Zahl auf 200 steigen.
Zwar profitiert Fielmann von der wachsenden Zahl älterer Menschen, bei Hörgeräten wie bei den teuren Gleitsichtbrillen. Allerdings macht dem Unternehmer der Engpass bei geeigneten Fachkräften zu schaffen. Bisher bildet seine Akademie im Plöner Schloss 6000 Augenoptiker im Jahr aus. "Wir sind dennoch immer auf der Suche", sagte Fielmann, "nach guten Leuten", fügt er hinzu. Und denkt dabei womöglich wieder an seinen Sohn.