Standort Hamburg soll langfristig gestärkt werden. Hansestadt soll für Det Norske Veritas zum Zentrum des Schifffahrtsgeschäfts werden. Personal werde „eher auf- als abgebaut“.

Von Olaf Preuß

Hamburg. Der Standort Hamburg soll nach der geplanten Fusion der Klassifikationsgesellschaften Det Norske Veritas (DNV) und Germanischer Lloyd (GL) langfristig gestärkt werden. „Hamburg soll im neuen Unternehmen DNV GL Group das Zentrum für das Schifffahrtsgeschäft werden“, sagte DNV-Chef Henrik Madsen dem Abendblatt. „Ich gehe davon aus, dass die Schifffahrtsmärkte nach der aktuellen Krise wieder wachsen werden und dass damit auch unser künftiges Geschäft in der Hansestadt an Bedeutung gewinnt.“ DNV habe im ersten Quartal dieses Jahres Aufträge für die Klassifikation von rund 100 Schiffsneubauten erhalten, sagte Madsen, vor allem für Tanker und für Spezialschiffe zum Einsatz in der Offshore-Öl- und Erdgaswirtschaft.

Im Dezember 2012 hatten die Eigner der beiden Unternehmen ihre Absicht bekannt gegeben, DNV und GL zu fusionieren. Die DNV-Stiftung soll am künftigen Unternehmen 63,5 Prozent der Anteile halten, das Beteiligungsunternehmen Mayfair der Hamburger Investoren Günter Herz und dessen Schwester Daniela Herz-Schnoeckel 36,5 Prozent. Mit einem Gesamtumsatz von 2,5 Milliarden Euro im Jahr würde DNV GL international auf Rang drei der Klassifikationsunternehmen aufsteigen. Die Fusion muss noch von den zuständigen Kartellbehörden in der Europäischen Union, in den USA, China und Südkorea gebilligt werden. Nach der Freigabe wäre DNV GL ein norwegisches Unternehmen mit Sitz in der heutigen DNV-Zentrale in Høvik bei Oslo.

Madsen erläuterte dem Abendblatt erstmals öffentlich die geplanten Personalien für die neue Führungsstruktur. Es soll einen Gesamtvorstand für die gesamte Gruppe geben und darunter vier Haupt-Geschäftssparten. Dass er selbst an der Spitze des Unternehmens stehen soll, war bislang als einzige Personalie bereits bekannt. Der Norweger Remi Eriksen soll laut Madsen sein Stellvertreter und zuständig für das Tagesgeschäft der DNV GL Group werden. Eriksen leitet derzeit das Offshore-Öl- und Erdgasgeschäft des DNV. Auch alle drei bisherigen Vorstandmitglieder des Germanischen Lloyd werden laut Madsen der Führung des künftigen Unternehmens angehören. Der Niederländer Erik van der Noorda, bisheriger GL-Chef, übernimmt demnach die Leitung der Sparte maritime Wirtschaft in Hamburg, die vor allem das Geschäft mit der Klassifizierung, Bauberatung und Entwicklung von und für Schiffe enthält. GL-Vorstand Pekka Paasivaara aus Finnland ist als künftiger Chef der Offshore-Öl- und Erdgassparte vorgesehen. Der deutsche GL-Manager Joachim Segatz soll die gesamten Verwaltungsstrukturen der neuen Gruppe aufbauen und leiten. Die Funktionen aller drei Manager sind jedoch unterhalb des künftigen Gesamtvorstands von DNV GL Group angesiedelt.

Madsen sagte, die neue Struktur solle die vorhandenen Qualifikationen der Mitarbeiter aus beiden Unternehmen optimal verbinden. Dafür stehe auch das neue Topmanagement. „Es wird keine virtuellen Teams und keine Diven geben, denn ich mag so etwas nicht. Alle, die inhaltlich zusammengehören, sollen auch örtlich zusammenarbeiten“, sagte er. Das neue Unternehmen soll 17.000 Mitarbeiter haben und damit so viele wie DNV und GL derzeit zusammengenommen.

In Hamburg beschäftigt der Germanische Lloyd derzeit rund 1400 seiner insgesamt 6900 Mitarbeiter. Etwa 100 Menschen arbeiten vor der Fusion bislang für DNV in der Hansestadt. Die beiden Gebäude des GL in der HafenCity sollen auch Sitz des fusionierten Unternehmens sein. Personell werde der Standort Hamburg in den kommenden Jahren „eher auf- als abgebaut“. Hamburg soll durch die Fusion in der Schifffahrtssparte eine deutliche Aufwertung erfahren, sagte Madsen. Gemessen an der gesamten Tonnage wäre das Unternehmen Weltmarktführer bei der Klassifikation von Schiffen, dem so genannten „Schiffs TÜV“. Während der GL eine herausragende Position mit mehr als 40 Prozent Weltmarktanteil bei den Containerschiffen innehat und auch bei Mehrzweckfrachtern sehr präsent ist, bringt DNV besondere Stärken bei fast allen anderen Schiffstypen wie Tankern, Massengutfrachtern oder Offshore-Spezialschiffen ein. Für die Containerschifffahrt ist Hamburg mit zahlreichen großen Reedereien wie Claus-Peter Offen, Peter Döhle oder der Blue Star Holding von Erck Rickmers derzeit der wichtigste Standort weltweit.

Die künftige Sparte maritime Wirtschaft soll weltweit insgesamt 5500 Mitarbeiter in insgesamt zehn regionalen Zentren umfassen. Bisherige Geschäfte des Germanischen Lloyd wie das Industrie- und Energiegeschäft werden künftig allerdings von anderen Standorten aus gesteuert. Für die erneuerbaren Energien – vor allem die Windkraft – und die Stromwirtschaft soll das künftige Zentrum von DNV GL Group Arnheim in den Niederlanden sein, für das Offshore-Öl- und Gasgeschäft Høvik. Das Geschäft mit Industrieversicherungen wird wie schon bei DNV in Mailand angesiedelt sein.

Madsen rechnet mit einer Freigabe der Fusion durch die Kartellbehörden „im Lauf des Jahres. Wir hoffen, dass wir schon vor den Sommerferien Zwischenbescheide über den jeweiligen Stand der Prüfungen erhalten.“ Im kommenden Jahr soll die neue Gruppe dann mit alle ihren Mitarbeitern und Funktionen als Unternehmen integriert werden. Über das Personaltableau für die künftige Unternehmensführung habe man die EU-Kommission informiert, sagte Madsen.