Bei Traumwetter gewann der Kenianer Kipchoge den Hamburg-Marathon in Streckenrekordzeit. Bis auf einen verdächtigen Gegenstand blieb bei dem Langstreckenrennen alles ruhig.

Hamburg. Es war ein friedlicher, sonniger und fröhlicher 28. Hamburg-Marathon. Sportlich war die Veranstaltung zudem ein Highligt: So schaffte der Kenianer Eliud Kipchoge bei seinem Marathon-Debüt einen neuen Streckenrekord. Abendblatt.de verfolgte den Zieleinlauf live. Hier geht es zum Ticker.

Im Vorhinein stand die 28. Auflage des Rennens mit rund 21 000 Teilnehmern unter dem Eindruck des Bombenattentats von Boston. In Hamburg blieb die Veranstaltung aber ohne ernsthafte Zwischenfälle. Lediglich ein banaler Pappkarton hatte am Sonntag für Aufregung gesorgt. Die verdächtige Schachtel war am U-Bahnhof Schlump gefunden worden und hatte eine kurzfristige Unterbrechung des Verkehrs auf der Linie U 3 zur Folge. Einsatzkräfte konnten aber schnell Entwarnung geben. In Boston waren am vergangenen Montag drei Menschen ums Leben gekommen und 180 verletzt worden.

Gleich beim ersten Marathon seines Lebens verewigte sich Kipchoge in den Annalen des Hamburger Langstreckenrennens. Nach 2:05:30 Stunden lief der 28 Jahre alte Ex-Weltmeister und Olympia-Zweite über 5000 Meter durchs Ziel. „Ich wollte unbedingt unter 2:06 Stunden bleiben. Das habe ich geschafft“, sagte der Afrikaner unmittelbar nach der Zielankunft und musste nicht mal nach Luft schnappen. Nach 33 Kilometern hatte er sich von der Spitzengruppe abgesetzt und das Tempo enorm verschärft. Zweiter wurde der Äthiopier Limenih Getachew (2:07:35) vor Lawrence Kimaiyo aus Kenia (2:10:27). Bei den Frauen gewann die Litauerin Diana Lobacevske (2:29:17).

Für seinen Sieg mit Streckenrekord kassierte Kipchoge 37 000 Euro. Bitter für ihn: Wäre er nur eine Sekunde schneller gewesen, hätte es einen Nachschlag von 25 000 Euro gegeben. Trotz mehrmaligen Anschauens der Videobilder konnten die Offiziellen die Zeit nicht um die notwendige Winzigkeit korrigieren. Der Streckenrekord des Äthiopiers Shami Dawit aus dem Vorjahr stand bei 2:05:58 Stunden.

Das deutsche Interesse hatte sich auf Lisa Hahner konzentriert. Die 23-Jährige aus Kassel kam nach 2:31:49 Stunden als Vierte ins Ziel. Die Zeit reichte allerdings nicht, um sich für die Leichathletik-Weltmeisterschaften in Moskau (10. bis 18. August) zu qualifizieren. Das Limit steht bei 2:30:29 Stunden. Hahner musste rund 35 Kilometer mit Handicap laufen. Rund sieben Kilometer nach dem Start war sie gestürzt und zog sich dabei blutige Knie zu. Ihre Schwester Anna, die als Unterstützung dabei war, behält den Familienrekord von 2:30:14 Stunden.

„Die Beine haben sich nicht so gut angefühlt. Zur Hälfte der Strecke habe ich gemerkt, dass die WM-Norm wohl nicht zu schaffen ist. Schade“, sagte Lisa Hahner. Ihre Schwester Anna, die als Unterstützung dabei war, behält den Familienrekord von 2:30:14 Stunden. Als zweitbeste Deutsche kam die Frankfurterin Katharina Heinig in 2:34:20 Stunden auf Platz sieben. „Die WM-Norm war ein großes Ziel. Aber ich bin voll zufrieden“, sagte die Tochter der Olympia-Dritten Katrin Dörre-Heinig.

Den ersten Platz bei der Landesmeisterschaft hat sich Mourad Bekakcha (Hamburger SV) gesichert. Der Algerier siegte am Sonntag in 2:27:04 Stunden vor Titelverteidiger Jan-Oliver Hämmerling (TSG Bergedorf/2:27:15), der zugleich schnellster deutscher Läufer gewesen ist. Beste Hamburgerin war Mona Stockhecke (Lauf Team Haspa Marathon Hamburg), die den Hamburger Rekord auf 2:36:50 Stunden verbesserte. Rang zwei belegte Daniella Mölleken (TH Eilbeck/3:02:04).

Das riesige Feld hatte vor dem Start mit einer Schweigeminute der Opfer von Boston gedacht. Zudem bekundeten die Läufer ihre Verbundenheit mit den Betroffenen, indem sie gelb-grüne Armbänder mit der Aufschrift „Run for Boston“ trugen. „Wir wollten zeigen: Laufen ist völkerverbindend und friedlich“, sagte Organisationschef Frank Thaleiser.

Zwei Teilnehmer des Marathons hatten den Schrecken in Boston hautnah miterlebt: Die Hamburger Monika und Klaus Togler waren schon vor sechs Tagen in Boston bei dem Sportereignis mit dabei. Nach den furchtbaren Ereignissen entschloss sich das Ehepaar am Sonntag in Hamburg erneut zu der Teilnahme am Marathon. „Das ist eine Liebeserklärung und eine Solidaritätsbekundung an Boston. Wir wollen ein Zeichen setzen, dass wir uns von den Ereignissen in Boston nicht beeindrucken oder unterkriegen lassen“, sagte der 61 Jahre alte Hamburger vor dem Start. Das Ehepaar war am Montag in Boston gestartet und hatte sich spontan entschieden, auch in der Hansestadt mitzulaufen. Er gehe mit dem Gefühl „jetzt erst recht“ auf die Strecke. Beide trugen in Hamburg die T-Shirts des Boston-Marathons.

Monika und Klaus Togler waren am Montag auf den letzten Metern, als die erste Bombe im Zielbereich explodierte. „Es war gerade noch so locker und fröhlich, und plötzlich verwandelte sich alles in eine Kriegsszene“, erinnerte sich Klaus Togler, der rund 30 Meter von der ersten Bombe entfernt war. Seine Frau, die 200 Meter hinter ihm lief, war zunächst irritiert: „Ich hörte einen lauten Knall, konnte aber nichts sehen. Plötzlich stoppten die Menschen und drehten um.“

Als die 55-Jährige realisierte, was passiert war, explodierte bereits die zweite Bombe. „Es brach Chaos aus und Panik machte sich breit, neben mir begann jemand zu beten“, beschrieb Klaus Togler, der sich die Teilnahme am Boston Marathon zum 60. Geburtstag gewünscht hatte, die ersten Minuten nach den Anschlägen. Im Trubel gelang es den Eheleuten zunächst nicht, einander zu finden: „Wir wussten dreieinhalb Stunden lang nichts voneinander“, sagte Monika Togler.