Mieter freuen sich auf modernere Wohnungen, Hansa-Grundstücksverwaltung hat grünes Licht für Investitionen. Flugblatt der Initiative gegen Abriss und Neubau sorgt in Wulffscher Siedlung aber für Unruhe.
Hamburg. Eigentlich ist in Sachen Wulffsche Siedlung alles entschieden: Zum Abriss und Neubau der stark sanierungsbedürftigen Häuser gibt es jetzt einen städtebaulichen Vertrag zwischen den Eigentümern und der Hansestadt Hamburg. Die Mieter freuen sich auf modernere Wohnungen, die Hansa-Grundstücksverwaltung als Eigentümerin hat grünes Licht für Investitionen. Aber die Bürgerinitiative "Stoppt Langenhorn 73" will sich nicht damit abfinden. Das Gremium, getragen von einigen Mietern und vielen Anwohnern aus der Nachbarschaft der Siedlung, macht in einem gerade veröffentlichten Flugblatt Stimmung gegen das Bauprojekt.
Zur Erinnerung: Die Wulffsche Siedlung (Bebauungsplan-Plangebiet Langenhorn 73) soll in den nächsten 15 bis 20 Jahren schrittweise abgerissen und neu aufgebaut werden. Der Mieterbeirat ist dafür, die Bürgerinitiative "Stoppt Langenhorn 73" organisierte im November 2011 erfolgreich einen Bürgerentscheid dagegen. Es hatten sich nur 14,37 Prozent der stimmberechtigten Bürger beteiligt, von ihnen hatten sich 67,8 Prozent gegen das Bauvorhaben ausgesprochen. Sie entschieden sich aber auch gegen den Willen von CDU, SPD, Grünen und FDP im Bezirk, die sich für den Bebauungsplan eingesetzt hatten. Vor einem Jahr zog die Landesregierung die Sache dann an sich ("Evokation").
Die Wulffsche Siedlung ist ein gutes Beispiel dafür, wie Bürgerbeteiligung das Vertrauen der Menschen in Projekte nicht verstärkt, sondern eher die Fronten verhärtet. Die Frage des Langenhorner Mieters Peter Schelm ist berechtigt: "Welcher Investor baut hier noch, wenn sich überall Bürgerinitiativen gründen?" Schon gibt es Überlegungen, ob Bauleitplanungen im Falle von Wohnungsbau weiterhin Gegenstand von Bürgerbegehren sein sollen.
"Bürger gegen Bürger, das ist doch alles nicht normal", sagt Martina Schenkewitz, 50. Sie ist Vorsitzende des Mieterbeirats. "Wir wollen bessere Wohnungen, die wollen keine Baustelle vor der Tür." Bisher sind die Wohnungen durchschnittlich 49 Quadratmeter groß und weder familien- noch seniorengerecht. "Die Treppen sind steil, die Flure eng, die Bäder schmal. Mit Rollator kann man sich hier nicht bewegen." Die Initiative behauptet, dass die Durchschnittsmiete derzeit in der Wulffschen Siedlung zwischen 5,90 und 8 Euro pro Quadratmeter beträgt. "Das stimmt nicht, wir liegen jetzt schon drüber", sagt Schenkewitz.
Bisher gibt es 546 Mietwohnungen in 34 Gebäuden. Künftig sollen 150 Wohnungen zusätzlich entstehen, alle barrierefrei, energetisch auf dem neuesten Stand und weiterhin bezahlbar. 90 Wohnungen werden sozial gefördert.
Auch Jörg Drefers von der Hansa-Grundstücksverwaltung kritisiert Teile des Flugblatts. "Angeblich steigert sich der Wert des Grundstücks um 400 Prozent", sagt der Prokurist. "Das entbehrt jeder Grundlage und ist unseriös." Ziel der Verwaltung sei es, bezahlbaren Wohnraum zu erhalten. "In dem Flugblatt wird mit den Ängsten der Menschen, die hier wohnen, gespielt. Das finde ich geschmacklos."
Drefers weist darauf hin, dass eine energetische Sanierung der Wohnungen bis zu 500 Euro pro Quadratmeter kosten würde. "Dann erhöht sich die Miete, aber die Wohnungen werden nicht größer oder moderner." Deshalb seien die Häuser nicht zu halten, sondern müssten Schritt für Schritt abgerissen und neu gebaut werden.
Das Planverfahren liegt nun bei der Behörde für Stadtentwicklung. Voraussichtlich im Herbst wird der Bebauungsplan Langenhorn 73 öffentlich ausgelegt. Dann sind Einwendungen möglich. Das Verfahren könnte bis Sommer 2014 abgeschlossen sein. Frühestens 2016 könnte nach Schätzungen der Behörde der erste Spatenstich erfolgen.
Auch die Behörde ärgert sich über Behauptungen im Flugblatt, etwa dass der alte Baumbestand nicht mehr als schützenswert aufgeführt werde. Das stimme nicht, sagt Behördensprecherin Kerstin Graupner. "Wesentliche Teile des erhaltenswerten Baumbestands sind auch im jetzigen Entwurf weiterhin als erhaltenswert und schützenswert dargestellt. Ziel ist, den Gartenstadtcharakter aufrechtzuerhalten."
Für Donnerstagabend hat der Vorsitzende der SPD-Fraktion in der Bürgerschaft, Andreas Dressel, Vertreter der Bürgerinitiative, des Mieterbeirats und der Eigentümerin ins Rathaus eingeladen. "Bei allem Dissens möchte ich, dass alle Seiten einander zuhören und fair miteinander umgehen", sagte Dressel dem Abendblatt. "Jedes Gespräch ist besser als kein Gespräch."