Eine neue Studie zeichnet ein düsteres Bild der Branche. Küstenländer erhöhen vor der Nationalen Maritimen Konferenz den Druck auf die Regierung.

Hamburg. Eine Studie der Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC), die die fünf Küstenländer und der Verband für Schiffbau und Meerestechnik (VSM) in Auftrag gegeben haben, zeichnet ein düsteres Bild der Schiffbaubranche. In den vergangenen fünf Jahren hat die Krise tiefe Spuren in den Schiffbaustandorten hinterlassen. Allein acht Insolvenzen bei Schiffbaubetrieben listet die Studie auf, darunter in Hamburg die traditionsreiche Sietas-Werft. Innerhalb von wenigen Jahren wurde die Branche völlig umgekrempelt wie auch die Zerschlagung der Hamburger Traditionswerft Blohm + Voss zeigt. Der Containerschiffbau, einst eine Domäne deutscher Werften, ging völlig verloren.

Selbst Vorzeigebetriebe wie die Meyer Werft haben Probleme. Mit Einsparungen von 50 Millionen Euro will sich der erfolgreichste Konstrukteur von Kreuzfahrtschiffen auf den verschärften Wettbewerb einstellen. Die vorhandenen Aufträge reichen noch bis Ende 2015. "Bei Kreuzfahrtschiffen ist es Deutschland gelungen, durch ständige Innovationen die Spitze zu halten und so Kostennachteile auszugleichen", sagte Holger Jandke von PwC.

Mit Errichterschiffen für den Aufbau von Windparks im Meer bieten sich für die Schiffbaubetriebe jetzt neue Chancen. "Doch um auf diesen Markt Fuß zu fassen, ist eine hohe Finanzkraft erforderlich", sagt Jandke. Von der Auftragsvergabe bis zur Auslieferung können bis zu vier Jahre vergehen. Die dafür nötige Finanzierung könnten die Unternehmen nicht aus eigener Kraft leisten, da die Branche zunehmend von mittelständischen Betrieben geprägt werde. Denn die Zahl der Konzerngesellschaften hat sich innerhalb von fünf Jahren mehr als halbiert. "Die Wettbewerbsfähigkeit wird durch die Finanzierung bestimmt", so Jandke. Da sich die privaten Banken aus diesem Geschäftsfeld weitgehend zurückgezogen haben, sei eine stärkere Unterstützung durch die öffentliche Hand erforderlich. "Der Bedarf an Kreditabsicherungen ist gestiegen", sagt Jandke.

Während in der gesamten Wirtschaft die Ausfallwahrscheinlichkeit von Krediten bei 1,67 Prozent liegt, beträgt sie für den Schiffbau 3,03 Prozent. "Sieht man sich aber die Bonität von ausgewählten Werften an, so ist diese deutlich besser als in der Gesamtwirtschaft", sagt Jandke. "Das Bild wird durch Werften verzerrt, die in Konkurs gegangen sind", sagt der Experte.

Wenige Tage vor der 8. Nationalen Maritimen Konferenz in Kiel erhöhen die fünf norddeutschen Küstenländer und die maritime Industrie mit der Studie den Druck auf die Bundesregierung, den kriselnden Schiffbau stärker zu unterstützen. "Es reicht nicht ein einmaliges Bekenntnis, wenn man ansonsten in Berlin mit dem Rücken zur Küste sitzt", sagte Martin Günthner, Bremens Senator für Wirtschaft und Häfen. Angesichts des Substanzverlusts der Schiffbauindustrie seien die Küstenländer keineswegs zufrieden mit der Arbeit der Bundesregierung. Der Senator unterstrich die Bedeutung der maritimen Industrie: "Sie bearbeitet Wachstumsmärkte mit zentraler Bedeutung für unsere Volkswirtschaft."

Auch der Hamburger Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) hat etliche Forderungen. Dazu gehört der Ruf der Reeder nach einer Verschrottungsprämie für Schiffe. Horch unterstützt diesen Wunsch: "Ich tue das nicht, weil ich der Meinung bin, dass diejenigen, die sich mit ihren Schiffsbestellungen übernommen haben, auch noch prämiert werden sollen. Ich bin aber davon überzeugt, dass wir ein begleitendes Marktinstrument brauchen, um die Überkapazitäten abzubauen", sagte Horch dem Abendblatt. Ebenso unterstützt er die Forderung der Reeder, dass die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) einspringen muss. Nach Horchs Vorstellungen soll sie aber nicht Not leidenden Reedern direkt unter die Arme greifen, sondern vielmehr Programme auflegen, welche die klammen Schifffahrtsbetriebe dabei unterstützt, ihre Flotte energieeffizienter und damit umweltfreundlicher zu machen. Zudem fordert Horch eine fairere Bewertung der Schiffe nach ihrem Ertrag.

Die Gewerkschaft IG Metall will ein neues Bündnis für erneuerbare Energien und Arbeitsplätze im Norden schaffen, um damit den Schiffbau zu stärken. "Die maritimen Märkte sind jetzt Spezialschiffbau, Zulieferer, Wind und Offshore, und daraus können viele Tausend neue qualifizierte Arbeitsplätze in Norddeutschland entstehen", sagte Heino Bade von der IG Metall Bezirk Küste. "Mich ärgert, dass immer nur über die Kosten der Energiewende diskutiert wird und die Chancen der neuen Wachstumsbranche völlig ignoriert werden", sagte der Gewerkschafter. So sind weltweit bereits 800 Spezialschiffe für die Offshore-Industrie im Bau, in Deutschland sind davon aber nur sieben Aufträge angekommen. Bade fürchtet, dass der Windenergiebranche bald das gleiche Schicksal droht wie den Schiffbaubetrieben.