Schifffahrtskrise führt zu mehr Abwrackungen und weniger Neubauten. Branche drängt auf bessere Standards zur Finanzierung. Ende 2012 nur noch 3671 Frachter, Tanker und andere Schiffstypen.
Hamburg. Erstmals seit Beginn der 1990er Jahre ist die deutsche Handelsflotte im vergangenen Jahr geschrumpft. Ende 2012 fuhren unter deutscher Flagge 3671 Frachter, Tanker und andere Schiffstypen. Ende 2011 waren es noch 3784 Schiffe. Das teilte der Verband Deutscher Reeder (VDR) am Dienstag in Hamburg mit. Seit der deutschen Einheit war die deutsche Handelsflotte zur drittgrößten der Welt herangewachsen, in der Containerschifffahrt belegt sie mit großem Abstand vor Japan Rang eins. Infolge der Welt-Finanzmarktkrise aber steht die internationale Schifffahrt seit 2009 unter hohem Druck. Die Branche hofft darauf, dass die stark rückläufigen Bestellungen für neue Schiffe den Markt in absehbarer Zeit entlasten. In den Orderbüchern der deutschen Reedereien stehen derzeit noch 200 Seeschiffe gegenüber 1300 Schiffen im Jahr 2008.
„Wir befinden uns im fünften Jahr der Schifffahrtskrise“, sagte VDR-Präsident Michael Behrendt, der im Hauptberuf Deutschlands größte Linienreederei Hapag-Lloyd führt. „Fraglich ist vor allem, ob gerade die mittelständischen Reedereien mit nur wenigen Schiffen – die große Mehrheit unserer Mitglieder – die kommenden Monate noch weiter überbrücken können.“
Für mehr als 100 Schiffe haben deren Eigner – zumeist Schiffsfonds – seit Beginn der Krise bereits Insolvenz angemeldet. Stärker als früher wracken die deutschen Reedereien ältere Schiffe ab, weil die wegen des höheren Brennstoffverbrauchs weniger wirtschaftlich fahren. Besonders schwierig sei die Lage der deutschen Charterreeder, die ihre Containerschiffe an Linienreedereien wie Hapag-Lloyd, Hamburg Süd oder Schifffahrtslinien in anderen Ländern vermieten. „Insolvenzen von deutschen Schiffsgesellschaften sind mittlerweile an der Tagesordnung“, sagte Behrendt.
„Die Politik muss Rechtssicherheit schaffen.“
Am kommenden Montag und Dienstag tagt in Kiel die achte Nationale Maritime Konferenz. Behrendt adressierte an die Bundesregierung mehrere Themen, bei denen sich die Schifffahrtsbranche Erleichterung erhofft. So sei nach einer Anhörung im Bundestag mittlerweile politischer Konsens, dass die so genannten Einnahmepools, in denen Charterreedereien den Betrieb von Schiffen bündeln, nicht mit Versicherungsunternehmen gleichzusetzen seien, die ihre Gewinne mit 19 Prozent Versicherungssteuer abgelten müssen. Dies hatten zuvor Finanzbehörden von Reedereien gefordert. „Die politische Zusage für eine rechtliche Klarstellung vom Bundesfinanzministerium haben wir bekommen“, sagte Behrendt. „Die Politik muss nun möglichst schnell Rechtssicherheit schaffen.“
Der VDR drängt die Bundesregierung zudem, die Standards für den Einsatz bewaffneter Sicherheitskräfte klarer zu definieren, auch für Sicherheitsunternehmen aus dem Ausland. Dies sei unverzichtbar, um Schiffe gegen Piraten vor allem vor Somalia zu sichern, sagte Behrendt. Zudem fordert der Verband, die deutsche Flaggenverwaltung schneller, effizienter und wirtschaftlicher zu gestalten, um deutsche Schiffe möglichst unter deutscher Flagge halten oder sie zurückflaggen zu können. Die Bundesregierung erwartet eine gewisse Präsenz der deutscher Flagge unter anderem dafür, dass der Bund jährlich rund 60 Millionen Euro an Schifffahrtsförderung zur Verfügung stellt.
Thema bei der Maritimen Konferenz wird auch die Schiffsfinanzierung sein. Der VDR wirbt dafür, dass die Finanzinstitute und die zuständigen Aufsichtsbehörden künftig, anders als bislang, eine mittelfristige Bewertung von Schiffen nach dem so genannten LTAV-Standard anerkennen. „Mit dem LTAV hätten die Banken mehr Spielraum, um Fortführungskonzepte für wirtschaftlich angeschlagene Schiffe zu ermöglichen“, sagte Behrendt.