Wie die Tochter eines manisch-depressiven Mannes lernte, an ihre eigene Gesundheit zu denken
Es nimmt sie immer noch mit, wenn ihr Vater unter seinen Stimmungsschwankungen leidet, doch anders als früher tut Nina Hellmann*, 25, nicht mehr alles, um ihm zu helfen. Sie besucht ihn zwar, aber nur kurz, dann fährt sie wieder weg, ohne ein schlechtes Gewissen. "Ich bin nicht für ihn verantwortlich. Er ist ein erwachsener Mensch", sagt sie.
Das scheint eine banale Einsicht zu sein, doch wenn man jemanden liebt, kann es sehr schwer sein, an sich zu denken. Nina Hellmann brauchte fast zwei Jahrzehnte, um das zu lernen. Als ihr Vater an einer bipolaren Störung erkrankte, war sie erst drei Jahre alt - schon alt genug, um schmerzhaft festzustellen, dass Papa als Vater oft ausfiel. Weil er außer Haus war, euphorisch alles Mögliche erledigend. Oder tagelang apathisch im Bett lag.
Als Nina Hellmann älter wurde und die Streitigkeiten der Eltern verstand, realisierte sie, was ihr Vater so trieb außer Haus: etwa, dass er in manchen Monaten bis zu 30.000 Euro Schulden machte. "In seinen manischen Phasen erlitt er einen totalen Realitätsverlust." Sie war ein Teenager, sie hätte sich gern unbeschwert gefühlt, doch oft kreiste ihr Denken um den Vater. Lag er depressiv zu Hause, schwänzte sie manchmal die Schule, um bei ihm zu sein.
Als Nina Hellmann 17 Jahre alt war, trennten sich die Eltern. Die Tochter blieb zwar bei der Mutter, versuchte aber weiter, ihren Vater aufzuheitern, wenn er depressiv war, ihn zu bremsen, wenn er manisch wurde. Erst durch eine Therapie und die Teilnahme an einer Angehörigengruppe schaffte sie es, zuerst an ihre eigene Gesundheit zu denken. Heute ist sie 25; ihr Vater, nunmehr Rentner, ist durch Medikamente so weit stabil, dass seine Stimmungsschwankungen weniger extrem ausfallen. Sie sieht ihn regelmäßig, lebt aber nur noch ein Leben: ihr eigenes.
* Name von der Redaktion geändert