An der Langenhorner Chaussee soll ein weiterer Discounter entstehen. Im Käkenflurviertel droht deswegen eine Zunahme des Verkehrs.
Hamburg. Nach der Arbeit noch schnell einen Liter Milch mitnehmen, ein bisschen Brot und neues Klopapier - wer abends aus der Innenstadt mit dem Auto nach Hause fährt, hat an den großen Hamburger Ausfallstraßen reichlich Gelegenheit, für seine Einkäufe mal eben beim Supermarkt anzuhalten. Vor allem Discounter bauen ihre Filialen gern an die hoch frequentierten Verkehrswege, um die Feierabend-Heimfahrer abzufangen.
So auch an der Langenhorner Chaussee. Auf der gut 5,5 Kilometer langen Straße, die von Norderstedt in die Stadt führt, wechseln sich Aldi, Lidl und Netto nacheinander ab. Einige Hundert Meter südlich der U-Bahn-Station Ochsenzoll, an der Einfahrt zum Käkenflurviertel, soll nun ein weiterer Lidl mit einer Verkaufsfläche von 1072 Quadratmetern entstehen. Die Baugenehmigung hat das Bezirksamt Nord bereits erteilt. Doch eine Bürgerinitiative protestiert massiv gegen diese Pläne. Aus ihrer Sicht sprechen viele Argumente gegen die neu geplante Filiale. Pastor Eckart Drews, Mitbegründer der Bürgerinitiative "Keine Zerlidlung des Käkenflurs", hat sich mit anwaltlicher Hilfe Einsicht in die Bauakte zu dem Vorhaben erstritten. Zu lesen ist in den Papieren zum einen von "Gefahrenpotenzialen" und "Unfallhäufigkeiten", die von dem Bau auf der Langenhorner Chaussee, die ohnehin zu Hamburgs unfallträchtigsten Straßen gehört, ausgehen könnten. So ist unter anderem geplant, dass die Autofahrer von der Lidl-Ausfahrt, die zunächst auf die Bergmannstraße führt, nur stadteinwärts, also rechts abbiegen dürfen. Dass die Autofahrer gen Norden nach ihrem Feierabend angesichts dessen aber doch einfach nach links fahren, wenn gerade kein Auto kommt, sei die wahrscheinliche Variante, glaubt Drews. "Hier wird sehenden Auges ein neuer Unfallschwerpunkt riskiert." Das Gleiche gelte für die Anlieferzufahrt für Lastwagen direkt an der Langenhorner Chaussee. Eine Gehwegüberfahrt für Autos ist auf der ganzen Straße wegen der Unfallgefahr eigentlich polizeilich verboten. Für Lidl allerdings wurde eine Ausnahme gemacht.
Weiterer Knackpunkt ist das erwartete Verkehrsaufkommen. Die betroffene Fläche grenzt direkt an das Wohnquartier am Käkenflur an. Die Ladezone von Lidl wird nur wenige Meter entfernt hiervon sein, ebenso der Parkplatz. Die Berechnungen von Lidl über die Anzahl der Kunden, die mit dem Auto zum Einkaufen kommen, halten Drews und sein Nachbar und Mitstreiter Peter Vieth dabei für unrealistisch. Laut Gutachten des Discounters kommen pro Tag zwar 2144 Kunden, davon jedoch 60 Prozent zu Fuß oder mit dem Rad. Von den Verbleibenden seien wiederum 40 Prozent Beifahrer. "Nur durch solche Rechentricks ist Lidl an seine Baugenehmigung gekommen", glaubt Drews. Eine Sprecherin des Bezirksamts Nord sagte auf Abendblatt-Anfrage, die Befürchtungen der Nachbarn seien "subjektiv natürlich verständlich, ausweislich der vorliegenden Verkehrsgutachten aber objektiv nicht zu bestätigen".
Drews vermutet allerdings, das Amt habe mittlerweile Angst vor einer Klage auf Schadenersatz von Europas größtem Discounter, sollte es nach der jahrelangen Planung der Filiale nun doch nicht zum Bau kommen. So bereits geschehen in anderen Landkreisen Deutschlands. Pikant: Der frühere Bezirksamtschef Wolfgang Kopitzsch hatte anders als der bisherige Amtsinhaber Harald Rösler den Bauantrag von Lidl wegen drohenden Lärms und Verkehrs für die Anwohner einst abgelehnt.
Dass der Kundenverkehr größer werden könnte, liegt auch daran, dass direkt im Wohngebiet hinter Lidl bereits ein Markant-Markt ist. Und der will nicht nur bleiben, wenn Lidl kommt, sondern eventuell sogar einen gemeinsamen Parkplatz einrichten. In dem Fall wären Lidl und Markant die einzige Kombination von Discounter und Vollsortiment-Supermarkt an der gesamten Langenhorner Chaussee. Für alle Heimfahrer mit längerer Einkaufsliste also ein attraktives Ziel.