Der Vorsitzende der Monopolkommission, Professor Daniel Zimmer, sieht keinen Nutzen in einem Erwerb der Energieleitungen durch die Stadt.
Hamburg. Ein Rückkauf der städtischen Netze für Strom, Erdgas und Fernwärme macht ökonomisch und klimapolitisch keinen Sinn. Das sagte Professor Daniel Zimmer, der Vorsitzende der Monopolkommission, dem Abendblatt. Die Bürgerinitiative "Unser Hamburg - unser Netz" will den Erwerb der Netze durch die Stadt im Herbst mit einem Volksentscheid durchsetzen. "Die Bürger sollten sich von einer Maßnahme wie der Rekommunalisierung von Energienetzen keine allzu großen Wirkungen versprechen", sagte Zimmer.
Die Monopolkommission, die vom Bundespräsidenten berufen wird, berät die Bundesregierung in Fragen des Wettbewerbs und der Marktentwicklung. Professor Zimmer, der im Hauptberuf Geschäftsführender Direktor des Instituts für Handels- und Wirtschaftsrecht der Universität Bonn ist, leitet die Kommission seit Juli 2012.
Auf Druck der EU-Kommission war seit Ende 1990er-Jahre der Energiemarkt in der Europäischen Union für den Wettbewerb geöffnet worden. Regionale staatliche Energieversorger wie die Hamburgischen Electricitäts-Werke (HEW) wurden privatisiert. Relativ schnell bildeten sich in verschiedenen europäischen Staaten Oligopole von Versorgungskonzernen. In Deutschland dominierten vor allem RWE, E.on, Energie Baden-Württemberg (EnBW) und Vattenfall Europe den Markt. Der schwedische Staatskonzern Vattenfall hatte in Norddeutschland unter anderem die HEW und die Berliner Bewag gekauft und war damit zum beherrschenden Regionalversorger aufgestiegen. Mittlerweile aber gewinnen die Stadtwerke und regionalen öffentlichen Energieversorger wieder an Einfluss. Das hängt mit dem Ausbau dezentraler Kraftwerke wie Windparks und Fotovoltaikanlagen zusammen, aber auch mit dem wachsenden Druck von Bürgern, die sich von einem Rückkauf von Energie-Infrastruktur durch die öffentliche Hand sinkende Preise und einen besseren Klimaschutz erhoffen.
Kritisch sieht das Professor Zimmer, der am Montagabend an einer Podiumsdiskussion in der Handelskammer teilnahm. "Eine Kommune kann als Eigner der städtischen Energienetze keine wirksame Klimapolitik betreiben, denn deren Rahmen legen die EU und die deutschen Gesetze fest, etwa mit dem Emissionsrechtehandel oder dem Energieeinspeisegesetz. Selbst diese Gesetzeswerke widersprechen sich in ihrer Wirkung ja bereits teilweise." Auch ökonomisch bringe ein Rückkauf von Strom-, Erdgas oder Fernwärmenetzen den Bürgern keinen besonderen Nutzen: "Der Wettbewerb am Strom- und am Erdgasmarkt funktioniert bereits. Es stehen genügend Anbieter zur Auswahl", sagte Zimmer. "Demgegenüber ist die Wechselbereitschaft der Kunden bislang wenig ausgeprägt." Bei der Fernwärme gebe es - wie in Hamburg mit Vattenfall - sicher noch vielerorts Monopole und mehr Spielraum für Regulierung, sagte Zimmer: "Aber dass der Staat als Eigner der Netze ein besserer Unternehmer wäre und die Energiepreise senkt, das sehe ich nicht."
Der SPD-geführte Senat hat sich mit 25,1 Prozent an den Netzgesellschaften für Strom, Erdgas und Fernwärme beteiligt. Die Bürgerinitiative "Unser Hamburg - unser Netz" will zum Termin der Bundestagswahl im September eine vollständige Übernahme der Netze durch die Stadt erzwingen. Sie erhofft sich davon "eine faire und transparente Preisgestaltung und den zügigen Umbau der Netze für eine dezentrale und effiziente Energieversorgung aus erneuerbaren Energien". Die städtische Wirtschaft hält dagegen. Ein vollständiger Rückkauf der Netze "bringt weder für den Klimaschutz noch für die Versorgungssicherheit oder den Verbraucherschutz Vorteile", sagte Handelskammer-Präses Fritz Horst Melsheimer anlässlich der Podiumsdiskussion am Montag. Gleichwohl berge ein Rückkauf "erhebliche finanzielle Risiken" für die Stadt.
Die Grünen in der Hamburgischen Bürgerschaft hingegen unterstützen einen Volksentscheid für den Rückkauf der Netze. "Bei den Stromnetzgebühren liegt Hamburg im Städtevergleich ganz vorn", sagte am Montag der Grünen-Fraktionsvorsitzende Jens Kerstan, energiepolitischer Sprecher seiner Partei in der Bürgerschaft. "Die Abzocke von Vattenfall geht weiter, Verbraucherinnen und Verbraucher zahlen die Rechnung. Verbraucher sind übrigens auch die Hamburger Mittelständler, die nicht wie die Industrie von Netzentgelten befreit sind, das sollte auch Kammer-Präses Melsheimer bedenken."
Professor Zimmer von der Monopolkommission wies darauf hin, dass spätestens seit dem Beginn der Finanzmarktkrise im Jahr 2008 viele Bürger "dem Staat wieder eine stärkere Bedeutung im Wirtschaftsleben zusprechen wollen. Dafür muss man Verständnis haben", sagte er, gerade mit Blick auf den Energiemarkt. Der Staat werde deshalb aber noch längst nicht zu einem besseren Unternehmer, als es die privaten Energieversorger seien.