Der Vorstandssprecher der Hamburger Volksbank, Reiner Brüggestrat, spricht im Abendblatt über die Konkurrenz und sein eigenes Institut.
Hamburg. Mit ihren 109.000 Kunden ist die Hamburger Volksbank wesentlich kleiner als die Hamburger Sparkasse (Haspa). Doch ebenso wie deren Chef Harald Vogelsang ist der Volksbank-Vorstandssprecher Reiner Brüggestrat bekannt für offene Worte über die Branche. Ein Gespräch mit ihm über die Bankenwelt in Hamburg.
Hamburger Abendblatt: Seit dem Ausbruch der Finanzkrise sind mehr als vier Jahre vergangen. Kommt die Bankenbranche nun allmählich wieder in ein ruhigeres Fahrwasser?
Reiner Brüggestrat: Eher nicht. Wahrscheinlich werden in den nächsten zwei bis vier Jahren die Karten neu gemischt. Es werden nur die Banken überleben, die glaubwürdig eine dienende Funktion für die Realwirtschaft übernehmen. Entscheidend sind dabei die Antworten auf Fragen wie diese: Habe ich ausreichend Kunden, mit denen ich hinreichend profitable Geschäfte machen kann - und welche Risiken habe ich in den Büchern? Für manche wird es damit sehr schwer weiterzumachen.
Denken Sie dabei an Landesbanken wie die HSH Nordbank?
Brüggestrat: Ja, natürlich. Mit einem umfangreichen Schiffskreditbuch trägt man hohe Risiken. Und wenn dann nur noch wenig Substanz da ist, um schwierige Situationen zu überstehen, stellt sich irgendwann die Sinnfrage. Auch das Schicksal der Commerzbank ist noch nicht entschieden, schließlich hat auch sie einen erheblichen Bestand an Schiffskrediten. Aber die Commerzbank ist gut positioniert im Geschäft mit mittelständischen Firmenkunden.
Hat die Bankenregulierung gehalten, was man sich davon versprochen hat - nämlich dass sie einer neuen Finanzkrise vorbeugt?
Brüggestrat: Es gab Banken, die zu groß waren, um sie insolvent gehen zu lassen. Ich sehe nicht, dass dieses Problem wirklich gelöst ist. Man ist es nicht so konsequent angegangen, wie man es versprochen hat. Wenn die Aufsichtsbehörden einfach nur ein dickeres Eigenkapitalpolster verlangen, ist das nicht die Lösung für dieses Problem. Darüber bin ich enttäuscht. Eine weitere Idee der Regulierer sind Bankentestamente, die dazu beitragen sollen, dass eine Insolvenz geregelt ablaufen kann. Aber auch bei privaten Testamenten gibt es schon Erbstreitigkeiten. Wie sieht das dann erst bei Banken aus?
Sie sagen, dass manche Banken noch immer zu groß sind. Aber waren es nicht gerade kleinere Institute wie die IKB oder Northern Rock, deren Zusammenbrüche am Beginn der Krise standen? Auch Lehman Brothers war ja kein Bankengigant.
Brüggestrat: Die Lehman-Insolvenz war der Anlass für die Finanzkrise, aber nicht ihre Ursache. Einige Dutzend Banken haben in den Jahren davor grotesk ihre Bilanzen aufgeblasen, indem sie sich gegenseitig immense Pakete von undurchschaubaren Finanzkonstruktionen verkauft haben, deren Marktwert im Laufe des Jahres 2008 dann schlagartig abgestürzt ist. Daher denke ich, man hätte sich bei der Bankenregulierung mehr an den sinnvollen Grundfunktionen einer Bank orientieren sollen.
Welches sind diese Funktionen?
Brüggestrat: Nach meiner Auffassung haben Banken fünf Aufgaben zu erfüllen. Dazu gehört die risikoarme Verwahrung von Spar- und Anlagegeldern, die Anlageberatung, ein sicherer Zahlungsverkehr, die Kreditversorgung und die Beratung von Unternehmen in finanzwirtschaftlichen Fragen.
Ermutigt es Sie, dass etliche große Geldhäuser - auch die Deutsche Bank - heute offen einräumen, gravierende Fehler gemacht zu haben?
Brüggestrat: Wenn das neue Führungsduo der Deutschen Bank sagt, es müsse im Haus jetzt einen Kulturwandel geben, der mehrere Jahre dauern wird, dann irritiert mich das eher. Denn damit gesteht man ein, dass es im Unternehmen noch immer sehr viele Beschäftigte gibt, die in die völlig falsche Richtung gearbeitet haben. Immerhin hat man aber, denke ich, auch bei der Deutschen Bank eingesehen: Eine Eigenkapitalrendite von 25 Prozent lässt sich nur mit überbordenden Risiken erzielen - oder auf Kosten der Kunden.
Die Bonus-Regelungen werden in den Banken jetzt so geändert, dass nicht mehr allein der kurzfristige Erfolg belohnt wird. Wie beurteilen Sie das?
Brüggestrat: Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Aber in den vergangenen zehn oder 15 Jahren sind die Managergehälter im Finanzsektor weit stärker gestiegen als etwa in der Industrie. Da stellt sich die Frage: Ist es wirklich ausreichend, jetzt nur an die Boni-Strukturen zu denken? Sind das nicht unangemessen hohe Einkommen? Volkswirtschaftlich gesehen spricht alles dafür.
Etliche Banken weisen derzeit angesichts der hohen Nachfrage nach Häusern und Wohnungen darauf hin, dass sie 100-Prozent-Finanzierungen für Immobilienkäufe anbieten. Was halten Sie davon?
Brüggestrat: Da schüttelt es mich. Ich finde das angesichts der Erfahrungen, die man vor einigen Jahren in den USA gemacht hat, sehr problematisch. Ich täte mich schwer, damit offensiv zu werben.
Fürchten Sie denn eine Immobilienblase in Hamburg?
Brüggestrat: Man kann nicht übersehen, dass die Preise zuletzt sehr stark gestiegen sind und ein im Vergleich zu den meisten anderen deutschen Städten enorm hohes Niveau erreicht haben. Ich habe aber nicht die Befürchtung, dass hier eine Blase platzt und es einen Preisverfall von 25 Prozent gibt. Denn die Nachfrage wird sich in Hamburg noch auf Jahre hinaus positiv entwickeln. Dennoch haben wir in den vergangenen Monaten die Kunden immer häufiger gefragt, ob das wirklich die richtige Investition ist. Die Differenz zwischen dem geforderten Marktpreis und dem nachhaltigen Beleihungswert ist größer geworden. Das gilt nicht flächendeckend, aber es gibt einzelne Objekte, bei denen sich der Preis an einer oberen Grenze bewegt.
Welche Form der Geldanlage können Ihre Mitarbeiter den Kunden bei dem aktuell extrem niedrigen Zinsniveau eigentlich noch empfehlen?
Brüggestrat: Vielleicht mag es Außenstehende überraschen, aber die Gespräche sind nicht schwieriger geworden. Die Sicherheit ist für die Kunden stark in den Vordergrund gerückt. Man nimmt in Kauf, dass die Rendite in der Nähe oder sogar unterhalb der Inflationsrate liegt.
Empfehlen Sie Ihren Kunden einen höheren Aktienanteil?
Brüggestrat: Wir sind in der Beratung sehr konservativ eingestellt, aber auch unsere Kunden sind im Hinblick auf Aktien sehr zurückhaltend. Tatsächlich ist der Aktienmarkt angesichts der Schuldenkrise sehr schwer einschätzbar. Die Kurse werden mindestens so stark von der Politik bestimmt wie von wirtschaftlichen Fundamentaldaten.
Wie ist das Geschäft der Hamburger Volksbank im Jahr 2012 verlaufen?
Brüggestrat: Wir hatten 2011 ein Rekordjahr, und wir haben dieses Niveau insgesamt ungefähr gehalten. So haben wir 9400 neue Kunden gewonnen, im Vorjahr waren es 12.000. Dafür sind die Kundeneinlagen um neun Prozent auf 1,57 Milliarden Euro gewachsen und damit schneller als 2011. Das Kreditvolumen hat um zehn Prozent auf 1,14 Milliarden Euro zugelegt, und der Jahresüberschuss vor Ertragssteuern hat sich um 1,1 Millionen auf gut 12,8 Millionen Euro verbessert.
Wie wird es weitergehen?
Brüggestrat: Wir haben beim Ertrag ein Niveau erreicht, mit dem wir sehr zufrieden sein können. Wir müssen leider davon ausgehen, dass es schwer wird, das zu halten. Einer der Gründe dafür sind die Niedrigzinsen: Wenn der Marktpreis eines Rohstoffs in die Nähe von null sinkt, dann wird es schwer, damit noch eine vernünftige Gewinnmarge zu erzielen. Aber auch die mit der Bankenregulierung verbundene Bürokratie verursacht immer höhereKosten. Ohnehin machen uns diverse Vorgaben der Aufsichtsbehörden zu schaffen.
Können Sie Beispiele dafür nennen?
Brüggestrat: Wir müssen alle unsere Anlageberater zentral registrieren lassen. Ich finde, eine solche Misstrauenskultur ist ein Unding. Die Unternehmensleitung ist dafür verantwortlich, für eine vernünftige Beratung zu sorgen, nicht eine Behörde. Ein anderes Beispiel sind die Beratungsprotokolle: Wenn ein Kunde als Anlagehorizont fünf Jahre angibt, wir ihm neben verschiedenen anderen Anlagen aber eine Unternehmensanleihe mit einer Restlaufzeit von sieben Jahren empfehlen, dann ist das Protokoll fehlerhaft. Aber schon wegen der extrem hohen Kosten der Regulierung besteht die Gefahr, dass sie bei Banken wie der Hamburger Volksbank, die im Kundengeschäft knapp kalkulieren müssen, die Effizienz zerstört.
Werden Sie als Reaktion auf steigende Kosten Stellen abbauen?
Brüggestrat: Die Mitarbeiterzahl wird auf längere Sicht leicht zurückgehen, aber im Rahmen der natürlichen Fluktuation. Und wir werden natürlich weiter ausbilden, weil es immer stärker darauf ankommt, den Führungsnachwuchs im eigenen Haus heranzuziehen.