Mal ist es eine Schulreform, mal die angestrebte Verstaatlichung der Energienetze: Die Hamburger machen gern von ihrem Recht auf direkte Demokratie Gebrauch. Handelskammer-Präses Melsheimer sieht darin eine gefährliche Entwicklung.

Hamburg. Im Zusammenhang mit dem Streit um die Elbvertiefung und den Rückkauf der Energienetze hat der Präses der Hamburger Handelskammer, Fritz Horst Melsheimer, eine Lähmung der repräsentativen Demokratie beklagt. „Entscheidungen, die politisch abgewogen und getroffen werden müssten, werden am Ende stets und nur noch durch Gerichte, gar einzelne Richter oder faktisch durch Volksinitiativen gefällt, denen in vorauseilendem Gehorsam gefolgt wird“, sagte Melsheimer am Montag bei der „Versammlung eines Ehrbaren Kaufmanns zu Hamburg“.

Mit Blick auf den vorläufigen Stopp der Elbvertiefung durch Klagen der Umweltverbände fügte er hinzu: „Das Verbandsklagerecht ist ein besonders fataler Irrweg, der Partikularinteressen bevorzugt.“ Die Parlamente hätten sich zugunsten der Gerichtsbarkeit selbst entmachtet. Die Frage, wie ökonomische und ökologische Interessen zum Ausgleich zu bringen sind, sei eine zutiefst politische und müsse daher von der Volksvertretung entschieden werden.

Gegen direkte Demokratie habe er nichts einzuwenden, wenn sie sich auf Fragen grundsätzlicher Natur wie Verfassungsänderungen beschränke und ein hohes Beteiligungsquorum gelte. In Hamburg seien die Hürden aber noch einmal abgesenkt worden und gerade in den Bezirken komme es häufig zu Abstimmungen über Spezialthemen, die nur eine Minderheit interessierten. „Das hat in der Vergangenheit bereits öfter dazu geführt, dass kleine, gut organisierte Interessengruppen aus gesamtwirtschaftlicher Sicht sinnvolle Vorhaben blockiert haben“, so Melsheimer in seiner Ansprache. Zudem sei direkte Demokratie anfällig für Populismus: „Hochkomplexe Themen werden verkürzt dargestellt und mit griffigen Slogans unter das Volk gebracht.“

Der Handelskammer-Präses kritisierte insbesondere die Kampagne für den Rückkauf der Energienetze. Die Volksinitiative „Unser Hamburg - unser Netz“ spiegele den Bürgern vor, „dass mit staatlich regulierten Kupferkabeln Klima- und Energiepolitik gemacht werden könnte“. Der Volksentscheid im September kommenden Jahres werde im ungünstigen Fall dazu führen, dass die Stadt einen Milliardenbetrag für den „vollkommen unnützen Rückkauf der Netze“ aufwenden müsse. Im günstigen Fall werde wichtige Zeit bei der Umsetzung der Energiewende verloren gegangen sein.