Zwei Projekte geben Wilhelmsburg ein neues Gesicht, verantwortlich sind Stadtplaner Uli Hellweg und Landschaftsarchitekt Heiner Baumgarten.
Hamburg. Vor fünf Jahren war hier Niemandsland. Gleise ins Nirgendwo und rostige Container, von Gestrüpp überwuchert. Jetzt entstehen hier die innovativsten Häuser des Kontinents und ein Park mit Schwebebahn. Zwei Männer sind für die beiden Großprojekte verantwortlich, die der Mitte Wilhelmsburgs ein neues Gesicht geben: Stadtplaner Uli Hellweg, Geschäftsführer der Internationalen Bauausstellung (IBA), und Landschaftsarchitekt Heiner Baumgarten, Geschäftsführer der Internationalen Gartenschau (igs).
Noch ist hier Großbaustelle. Trotzdem wollen wir einen Spaziergang über das Gelände machen, denn nirgendwo sonst sind IBA und igs räumlich so eng miteinander verzahnt: Zwischen einer Reihe von Projekten der Bauausstellung (darunter Wälderhaus und Inselakademie) liegt der Eingangsbereich der Gartenschau, außerdem entstehen hier die IBA-Basketballhalle, die zunächst als Blumenschauhalle genutzt wird, und die WaterHouses, die in den Park hineinragen. Auch Hellweg, den silbrige Locken und Brille aussehen lassen wie einen Hochschuldozenten, und Baumgarten, mehr Naturbursche, dessen Name so gut zu dem Chef einer Gartenschau passt, sind eng miteinander verbunden - jedenfalls beruflich. " Wir sind jeder Stellvertreter des anderen", sagen sie.
Während wir über Pfützen steigen und großen Lastern Platz machen, kommen Hellweg und Baumgarten ins Erzählen. Beide haben ein abwechslungsreiches Berufsleben hinter sich. Hellweg, gebürtiger Dortmunder, hat Architektur und Städtebau studiert. Danach war er zunächst am Berliner Institut für Urbanistik in der Städtebau-Forschung tätig und wechselte dann in die Stadtplanung nach Gelsenkirchen. "Ich wollte lieber praktisch arbeiten und befasste mich mit dem Erhalt alter Bergarbeitersiedlungen", erinnert sich der 64-Jährige. Später ließ er sich als freier Stadtplaner in Berlin nieder, wurde 1981 von der IBA Berlin engagiert. Nach dem Präsentationsjahr 1987 war er mit der Stadterneuerung in Moabit beschäftigt und wurde dann Stadtbaurat in Kassel. 1996 ging's zurück nach Berlin - als Geschäftsführer der Wasserstadt GmbH, die hafencityähnliche Wohnquartiere baute. Als er 2006 zur IBA nach Hamburg kam, hatten seine Frau und die zwei Töchter genug vom Umziehen und blieben in Berlin.
Heiner Baumgartens Familie ist seit Generationen fest in Stade verwurzelt. Seine Tochter, seine zwei Söhne und seine Frau konnten sich einen anderen Wohnort nicht vorstellen. "Deshalb sind wir dort nie weggezogen", sagt der igs-Chef, der in dritter Generation als Garten- und Landschaftsplaner tätig ist. Sein Vater war Leiter des Gartenbauamts Stade und auch für Friedhöfe verantwortlich. "Ich bin auf einem Friedhof aufgewachsen", sagt der 61-Jährige trocken. Auch er machte zunächst eine Gärtnerlehre und arbeitete in Baumschulen und Gartenbaubetrieben. Nach dem Wirtschaftsabitur studierte er in Hannover Landespflege und arbeitete anschließend als Landschaftsarchitekt in mehreren norddeutschen Büros. Nachdem 1982 die Hamburger Umweltbehörde gegründet wurde, war er dort unter anderem für die Umwandlung der Staatsgüter Wulfsdorf und Wulksfelde zu wirtschaftlich-ökologischen Betrieben verantwortlich - auch das Umweltzentrum Karlshöhe entstand unter seiner Federführung. Baumgarten war es auch, der 1997 die Idee zu einer Gartenschau in Hamburg hatte. "Es folgten vier Jahre Diskussion, dann beschlossen Bürgermeister Ortwin Runde und Alexander Porschke, damals Umweltsenator: Wir machen das", erinnert er sich. Das war 2001. Den Tag, an dem das Konzept erstmals öffentlich vorgestellt werden sollte, wird er nie vergessen: Die Veranstaltung musste abgebrochen werden, weil die Flugzeuge ins World Trade Center gerast waren.
Die Vorbereitungen von IBA und igs sind für Hellweg und Baumgarten die Höhepunkte ihrer Karrieren. Das Präsentationsjahr 2013 liegt vor ihnen. Die Arbeiter auf den Baustellen haben den Endspurt aufgenommen, vieles ist schon fertiggestellt. Wir sind auf unserem Spaziergang bereits an dem grünen BIQ-Haus vorbeigekommen, dessen Algenfassade Biogas und Wärme gewinnen wird, an der "Welt der Häfen", wo bereits weiße Container stehen, um während der igs maritimes Flair zu vermitteln, an Beeten mit Tannenzweigen, die Blumenzwiebeln vor Frost schützen, an Wälderhaus und Kletterhalle, die schon ihren Betrieb aufgenommen haben.
Jetzt gelangen wir zu den "Gärten der Bewegung", viele sind in Kooperation mit den Wilhelmsburgern entstanden. Der Kontakt mit den Menschen vor Ort war beiden wichtig. "Wir haben Schulen, Sportveranstaltungen und Einrichtungen der Muslime besucht, um an die Menschen ranzukommen", sagt Heiner Baumgarten. So wurde der Garten "cross over" von Schülern mitgestaltet, die Skateanlage von jugendlichen Skateboardfahrern, und der Kiosk "Willi-Villa" am Kuckucksteich soll von Migranten aus dem Stadtteil betrieben werden. Uli Hellweg hat mit seinem IBA-Team ebenfalls auf den Dialog mit den Bürgern gesetzt. "Wir haben zu vielen Veranstaltungen eingeladen", sagt er. Einige Gruppen habe man nicht erreicht, insbesondere die ausländischen Mitbewohner. Also habe man sechs Studenten mit verschiedenen Migrationshintergründen ausgebildet. "Die sind in die Quartiere gegangen, haben an den Haustüren geklingelt und die Menschen nach ihren Bedürfnissen gefragt", sagt Hellweg. Aus diesen Ideen ist das Weltquartier entstanden, wo Menschen aus über 30 Nationen zu Hause sind, der Bewohnerpavillon, Café und Nachbarschaftstreff in einem, und der Weltgewerbehof, wo sich verschiedenste Kleinbetriebe ansiedeln.
Es ist kalt geworden, die Feuchtigkeit des grauen Tages kriecht unter die dicken Jacken. Wir beenden unseren Spaziergang im igs-Zentrum an der Neuenfelder Straße, auch einem gemeinsamen Projekt von IBA und igs, das später zu einem Wohnhaus umfunktioniert wird. Eine so enge Verzahnung der beiden Ausstellungen wie in Hamburg hat es nie zuvor gegeben. Durch die gemeinsamen Planungen und Abstimmungen haben sich die Chefs der beiden Unternehmen gut kennengelernt. Was schätzen sie aneinander? "Es ist ein Verdienst von Uli Hellweg, mit der IBA 2013 auf Wilhelmsburg aufmerksam zu machen, dort aber auch akzeptiert zu werden", sagt Heiner Baumgarten. Und umgekehrt? "Er ist ein guter Fachmann, unbestritten, aber er kann sich auch in die Situation eines Städteplaners hineinfühlen." Da haben sich zwei gefunden.