Das Chaos um die Elbphilharmonie ist eine Blamage für die Kaufmannsstadt Hamburg
Mag sein, dass es keinen anderen Ausweg mehr gegeben hat angesichts der unglaublichen Planungsirrungen und Vertragswirrungen. Mag auch sein, dass irgendeine Entscheidung in diesem speziellen Fall besser ist, als so weiterzumachen wie in den vergangenen Monaten und Jahren. Doch alles in allem kann das vorläufige Finale im Elbphilharmonie-Chaos niemanden zufriedenstellen. Dafür ist zu viel passiert, dafür hat Hamburg sich zu sehr blamiert. Und dafür hat diese Lösung deutlich zu lange gedauert.
In der Genese des für Hamburgs beispiellosen Desasters sind die vergangenen zwölf Monate dabei sicherlich nicht die wichtigsten. Aber in dieser Zeit hat sich dennoch etwas Grundlegendes geändert. Anfang des Jahres überwog noch die (Vor-)Freude auf das einmalige Projekt, hatte das Hin und Her zwischen den Beteiligten beinahe erheiternd Folkloristisches. Und am Ende des Jahres?
Scherze über die Elbphilharmonie erzeugen wenn überhaupt ein gequältes Lächeln, aus dem Rest Stolz auf das "Jahrhundertprojekt" ist Frust geworden. 575 Millionen Euro statt ursprünglich geplanter 77 Millionen? Eröffnung 2017 statt 2010? So etwas mag Berlin passieren, mit einem Großflughafen, aber Hamburg? DER deutschen Kaufmannsstadt? Bitte sprechen Sie uns lieber nicht darauf an!
Es ist schlicht unmöglich, wie bei der Elbphilharmonie mit Steuergeld, mit dem Vertrauen der Bürger und den Spenden vieler Hamburger Persönlichkeiten umgegangen wurde. Es ist genauso unmöglich, wie die Probleme angegangen und Lösungen immer weiter hinausgeschoben wurden.
Das vielleicht Schlimmste: Hamburg wirkte über Monate und Jahre ausgerechnet in einem seiner größten und weit über die Grenzen Deutschlands hinausstrahlenden Vorhaben handlungsunfähig. Das hing natürlich auch damit zusammen, dass quasi in der Mitte des Desasters die Regierung gewechselt wurde und sich so richtig niemand mehr verantwortlich fühlte. Der CDU-geführte Senat nicht, weil er abgewählt worden war. Der Senat unter Bürgermeister Olaf Scholz nicht, weil er das Chaos nicht ausgelöst, sondern nur übernommen hatte. Und offensichtlich zwei Jahre benötigte, bis er sich einen Überblick verschafft hatte.
Diese Lage ist und bleibt frustrierend. Wenn die Elbphilharmonie im nächsten oder wenigstens im übernächsten Jahr eingeweiht werden würde, könnte Hamburg in einem absehbaren Zeitraum damit beginnen, seinen Frieden mit dem zu schließen, was einmal als neues Wahrzeichen geplant war. Die vier Jahre bis zur tatsächlichen Eröffnung sind dagegen eine Zumutung. Man muss sich das vorstellen: Nicht einmal der Bundeskanzler oder die Bundeskanzlerin, der oder die 2013 gewählt wird, kann sicher sein, in dieser Funktion zur Einweihung eingeladen zu werden. Bürgermeister Scholz schon gar nicht.
Und: Wer garantiert uns, den Hamburgern und Hamburgerinnen, die die Elbphilharmonie am Ende in einer nie geahnten Größenordnung unterstützen, wer garantiert uns, dass das Haus Anfang 2017 wirklich fertig ist? Wer kann uns übel nehmen, dass wir im Zusammenhang mit dem Konzerthaus an der Elbe nichts mehr glauben, bis eben zu jenem fernen Tage, an dem tatsächlich ein Orchester dort spielt, ohne dass die Zuschauer Helme tragen müssen?
Es bleibt zu hoffen, dass die Stadt ihre Lehren aus dem Debakel zieht, der Senat hat eine straffere Planung und Kontrolle von öffentlichen Bauten schon angekündigt.
Gleichzeitig wäre es fatal, wenn Hamburg ob dieser Erfahrungen künftig vor kühnen Plänen zurückschrecken würde. So wenig wir noch einmal so ein Chaos gebrauchen können, so gut stehen uns Projekte zu Gesicht, deren Bewunderung nicht schon hinter Bremen endet.