Kapitän Torben Hass startet 2013 wöchentliche Törns ab Landungsbrücken. Zweimaster bringt acht Passagiere und Ladung auf die Nordseeinsel.
Hamburg. Ein alter Holzherd bollert in der Kombüse der "Undine von Hamburg", auf dem Tisch dampfen drei Becher mit heißem Kaffee. Ein Seglermesser liegt daneben, Schlauchschellen, Zangen, ein Baumarkt-Katalog. Noch befinde man sich eben in der Ausrüstungsphase, sagt Kapitän Torben Hass und schiebt die Becher den Abendblatt-Reportern zu. Noch liegt der Gaffelschoner an seinem alten Liegeplatz am Reiherstieg, wo er viele Jahre dem Jugendhilfeverein Gangway diente. Hass hat den Frachtsegler gerade übernommen, heute will er an den St.-Pauli-Landungsbrücken schon erste Ladung an Bord nehmen.
Vom Museumsfrachter "Cap San Diego" soll um 10 Uhr eine Partie Kaminholz vom großen aufs kleine Schiff gehievt werden. Eine spektakuläre Aktion, die ein ebenso spektakuläres Vorhaben publik machen soll. Im Februar startet Hass einen regulären Liniendienst zwischen Sylt und Hamburg. Im Sommer soll es jede Woche zwei Abfahrten in Hamburg geben für den Pendeldienst unter Segeln. Segelreederei Kapitän Hass, heißt das junge Unternehmen, das alles andere als windig ist.
Im Sommer hat die bereits 1931 gebaute "Undine" ihre neue Klasse vom "Schiffs-TÜV, dem Germanischen Lloyd, bekommen und ist damit für die weltweite Fahrt zugelassen. Anders als normale Traditionssegler ist sie zudem als reguläres Frachtschiff im deutschen Schiffsregister eingetragen. "Das einzige segelnde Frachtschiff Deutschlands", wie Hass sagt. Bis zu acht Passagiere will er künftig bei der knapp 15-stündigen Fahrt auf der Elbe und durchs Wattenmeer mitnehmen. Frachtschiffreisen eben. "Mal eine andere Art nach Sylt zu fahren", sagt er und lädt zum Rundgang ein.
Die Kojen vorne am Bug wirken eng, aber gemütlich. Hier haben früher Matrosen, später schwer erziehbare Jugendliche geschlafen. Schwer liegen die aufgestauten Segel an den Bäumen des Zweimasters, eine Fock ist angeschlagen, 420 Quadratmeter können gesetzt werden. Bei Flaute kommt eine uralte, 120 PS-starke Maschine zum Einsatz. Zwei Crewmitglieder rucken die Tampen zurecht. "Alles Berufsseeleute", sagt Hass. Mit zwei bis vier Mann will er künftig unterwegs sein, oft sind es Freunde oder Verwandte, die wie Hass selbst aus der Seefahrt kommen. Ein 77-jähriger Seerechtprofessor mit Patent gehört beispielsweise dazu. Die Idee der Frachtsegelei trägt der 37-Jährige schon lange mit sich. Als kleiner Junge hörte er die Geschichten über seine Urgroßmutter, die auf der damaligen Familienwerft gegenüber von Over bei Harburg morgens noch Holz-Ewer kalfatert (Fugen geteert) habe - und abends seine Großmutter zur Welt brachte. Schiffe und Segeln prägten den sportlichen Nautiker weiter: Er ging zur Marine, wurde Offizier und war zuletzt einige Jahre als Segeloffizier auf der "Gorch Fock". In Cuxhaven machte er auch seine zivilen Patente, fuhr als Offizier und Kapitän auf Tankern. Und in der Freizeit auf historischen Seglern wie eben auch der "Undine".
"Doch dann passierte etwas Wunderbares", sagt Hass, als er mit den Besuchern wieder in der warmen Kombüse sitzt: Er wurde Vater einer kleinen Tochter. "Dort hängt ihre Schwimmweste", sagt er. Das war vor zweieinhalb Jahren und der inzwischen in Flensburg wohnende Hass suchte sich einen "Landjob", wie er sagt. Er wurde nautischer Sachverständiger beim Deutschen Seglerverband, betreute unter anderem die offiziellen Revierführer "Nordsee" und "Ostsee". Als er dann davon hörte, dass "Gangway" ihr maritimes "Undine"-Projekt aufgeben und das Schiff verkaufen will, erinnerte er sich wieder an seine alte Idee mit segelnden Frachtschiffen.
Mit modernen Segelsystemen hätten solche Schiffe heute durchaus eine Chance, sagt er. Tatsächlich gibt es immer wieder Studien dazu, erste Prototypen. Doch ein professionelles Unternehmen mit echtem Frachtgeschäft - das finanziert noch keine Bank, sagt Hass. "Man muss es im Kleinen beweisen, dass es funktioniert." Und das will er nun mit der neuen Hamburg-Sylt-Linie zeigen. Die beiden Orte hat er bewusst ausgewählt. Alle Warentransporte, die zwischen Sylt und Hamburg mit dem Lkw erfolgen, sind teuer, weil Bahn oder Fähre genutzt werden müssen - so seine Rechnung. Die "Undine" aber kann rund drei Lkw-Ladungen oder 55 Europaletten transportieren. "Und das machen wir zum gleichen Preis wie der Lkw", sagt Hass.
Mit Kaminholz, das er in Hörnum direkt von Bord verkaufen will, soll es jetzt anfangen. Mit einem Flensburger Rumhersteller hat er zudem einen ersten Kunden. Tee, Wein - viele Produkte wären als Transportgut denkbar. Vor allem welche, die man mit einem Aufdruck "Guaranteed handsailed" (garantiert handgesegelt) imagemäßig veredelt werden könnte. Zurück nach Hamburg will Hass auf Sylt hergestellte Strandkörbe oder auch Mineralwasser von der Insel mitnehmen. Und eben auch Passagiere, die mal auf eine eher robuste nostalgische Art von Hamburg nach Sylt reisen wollen.