Die Regierung setzt auf Ökostrom. Die Rechnung bezahlt nur ein Teil der Kunden
Als die Bundesregierung im Juni 2011 unter dem Eindruck der Nuklearkatastrophe von Fukushima den schnellen Ausstieg aus der Atomenergie beschloss, wusste sie die Mehrheit der Bevölkerung hinter sich. Im kollektiven Gedächtnis hatten sich die Bilder von Menschen in Vollschutzanzügen verfestigt, die mit Strahlenmessgeräten durch japanische Städte liefen. Der große Plan der Energiewende, die schon in naher Zukunft eine saubere und sichere Stromversorgung versprach, entfachte in der gesamten deutschen Gesellschaft eine Aufbruchstimmung, welche die Bundesregierung hätte nutzen können, aber nicht genutzt hat.
Denn inzwischen hat sich das Bild gewandelt. Nicht zuletzt, weil sich herausstellt, dass die Kosten für den gesamtgesellschaftlichen Prozess eigentlich nur einem Teil der Gesellschaft auferlegt werden, nämlich dem Stromkunden. Dem wird allmählich klar, dass er nicht nur die Lasten für die Energiewende selbst, sondern auch für ihre Verzögerungen großzügig bezahlen darf.
Wenn wegen fehlender Netze Windparks zwangsweise abgeschaltet werden und damit Strom, der für die Bürger inzwischen ein teures Gut ist, verloren geht, ist das eine Seite. Wenn der Bürger aber auch noch für den verlorenen Strom zur Kasse gebeten wird, eine andere.
Die Verantwortung dafür trägt die Politik. Die Bundesregierung hat die Energiewende planlos beschlossen. Erst am Montag, also eineinhalb Jahre nach der Entscheidung zum Atomausstieg, hat Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler den Entwurf für einen nationalen Netzentwicklungsplan vorgelegt. Aber auch die Landes- und Kommunalpolitiker stehen in der Pflicht. Viel zu lange haben sie aus Sorge vor der nächsten Wahl den Bau von Stromleitungen rund um ihre Kirchtürme blockiert.
Es muss mehr Geschwindigkeit in die Energiewende, sonst entscheidet sich der Wähler gegen sie. Die je nach Anbieter und Tarif um zehn bis 20 Prozent höheren Stromrechnungen, die den Deutschen 2013 ins Haus flattern, sind für viele eine hohe Belastung. Und der von der Politik in solchen Fällen gerne vorgetragene Aufruf, die Deutschen möchten doch zu günstigeren Stromanbietern wechseln, hilft wenig, wenn mehr als die Hälfte aller Versorger in Deutschland zum Jahreswechsel ihre Preise anheben.
Und wer sie bezahlt, subventioniert auch noch private Unternehmen. Denn das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) garantiert den Energiebetrieben die erhöhte Vergütung für die Einspeisung umweltfreundlichen Stroms. Aber auch die Nichteinspeisung wird in gleicher Höhe vergütet, wenn der Strom nicht abtransportiert werden kann. Allein in Schleswig-Holstein sollen nach Schätzungen von Netzbetreibern im vergangenen Jahr 20 Millionen Euro an die Produzenten von Wind- und Solarstrom dafür gezahlt worden sein, dass sie keinen Strom lieferten, um eine Überlastung der Netze zu vermeiden. Schließlich zahlt die Allgemeinheit auch noch für Aluminiumhütten, Stahlproduzenten und andere energieintensive Unternehmen, die von den erhöhten Strompreisen ausgenommen sind, mit.
Doch damit nicht genug. Gestern verabschiedete die Bundesregierung eine Verordnung, nach der Betriebe finanziell dafür belohnt werden, wenn sie kurzfristig ihren Stromverbrauch massiv senken, etwa durch Drosselung ihrer Produktion. Unternehmen, die diese Voraussetzungen erfüllen, sollen monatlich 1667 Euro pro Megawatt Abschaltleistung erhalten. Die Frage, wer die Kosten dafür tragen wird, erübrigt sich: der Stromkunde.
Er ist in der Regel aber auch Steuerzahler, Autofahrer und als ganz normaler Verbraucher von den inflationsbedingten Preissteigerungen betroffen. Deshalb muss die Zusatzbelastung für den Umbau der Energieerzeugung endlich sein.