Bürgermeister muss dringend Stillstand beim Bau der Elbphilharmonie beenden.
Spitzenpolitiker, zu denen auch Hamburger Bürgermeister zählen, brauchen Nerven wie Drahtseile. Sie jonglieren stets auf mehreren Ebenen - Bund, Land, manchmal Europa. Sie jonglieren auch mit kaum mehr vorstellbaren Geldbeträgen, die sie ja nur treuhänderisch für uns alle verwalten und die sensibleren Naturen schon mal den Schlaf rauben können. Sie müssen Kritik, auch heftige und eventuell ungerechtfertigte Kritik ertragen, weil viele meinen, es besser zu wissen.
Olaf Scholz ist auch deswegen zum Bürgermeister gewählt worden, weil er von sich behauptet hat, dass er diese Nerven hat. (Nichts anderes bedeutet sein Versprechen, ordentlich zu regieren.) Und viele Hamburger haben ihm das eben geglaubt.
Fast eineinhalb Jahre nach der Amtsübernahme muss nüchtern festgestellt werden, dass Scholz' Image des Machers, des souveränen Entscheiders für das Wohl der Stadt, Risse bekommen hat. Scholz neigt nicht dazu, Dinge zu delegieren, schon gar nicht unangenehme. Das spricht für ihn. Auf der anderen Seite setzt er sich selbst damit unter erheblichen Druck. Er erliegt nicht der Versuchung, Verantwortung auf ein Team abzuwälzen, den Senat zum Beispiel. Das kann auch einsam machen.
Am Fall der traurigen Baustelle der Elbphilharmonie lässt sich gut zeigen, worum es geht. Im Grunde hält Scholz die Stadt seit Monaten hin. Es gab mehrere Ultimaten an die Adresse des widerspenstigen Baukonzerns Hochtief und ebenso viele Ankündigungen einer bevorstehenden Einigung. Nichts geschah. Vor dem Freundeskreis der Elbphilharmonie hat der Bürgermeister jetzt erstmals öffentlich eine neue Deadline verkündet: Bis Weihnachten will er entscheiden, ob die Stadt Hochtief kündigt und es allein versucht oder ob es doch gemeinsam weitergeht.
Wer wollte denn bezweifeln, dass er vor einer sehr schwierigen Entscheidung steht? Dass das finanzielle Risiko für die Hamburger Steuerzahler immens ist? Ob Scholz, ob der Senat am Ende klug oder weniger klug gehandelt hat, bemisst sich nicht zuletzt nach einem zwei-, wenn nicht dreistelligen Millionenbetrag, den die Stadt drauflegen muss oder nicht.
"Gründlich geht vor schnell", lautet eine der Maximen des Bürgermeisters in der Causa Elbphilharmonie. Einverstanden, nur ist dann jedes Ultimatum kontraproduktiv, weil sich Scholz damit unter Zugzwang setzt. Der Bürgermeister will keinen Euro zu viel für das Bauwerk ausgeben. Das ist nicht nur lobenswert, es ist geradezu die Pflicht jedes Senats. Leider waren nicht alle Vorgänger von Scholz derart pflichtbewusst. Nur: Wer auf den Euro achtet, der darf nicht außer Acht lassen, welch immense Kosten der nunmehr einjährige Baustillstand Tag für Tag verursacht.
Es ist das Verdienst des Reeders Nikolaus W. Schües, in seiner Rede deutlich auf die Diskrepanz zwischen Wort und Tat bei Scholz hingewiesen zu haben. Was Schües' Stimme Gewicht verleiht, ist die Tatsache, dass er ein Wohlmeinender ist, einer, der nichts anderes will, als dass weitergebaut und fertiggestellt wird. Und Schües vertritt die Hamburger, die mit ihrem Geld dazu beigetragen haben, dass aus einer genialen Idee Wirklichkeit werden kann.
Es ist nachvollziehbar, dass Spender wissen wollen, was mit ihrem Geld passiert. Ohne privates Engagement wäre das Projekt nicht in Gang gekommen. Die totale Transparenz, die Schües fordert, ist jedoch illusorisch. Die Stadt darf sich nicht in die Karten schauen lassen, wenn sie mit einem so ausgebufften Partner (Gegner?) verhandelt. Scholz hat jetzt genau einmal die Chance, mit einer Grundsatzentscheidung dem Projekt zum Durchbruch zu verhelfen. Es steht viel auf dem Spiel. Es geht um die Zukunft der Elbphilharmonie, aber auch um Scholz' Ruf als entscheidungsfreudiger und - sicherer Politiker.