Die feierliche Umbennung des Botanischen Gartens in Loki-Schmidt-Garten wird zu einer Stunde der Erinnerung an eine großartige Frau
Groß Flottbek. Er schaut zum ersten Mal auf während seiner Rede. Ein paar Minuten sind da schon vergangen, er hat Geschichten erzählt aus der Zeit, als Loki und er Schulkinder waren und es immer weit war zum Botanischen Garten, wo Loki ständig hinwollte; hat von der Liebe seiner Frau gesprochen, er korrigiert sich, die drei Lieben seiner Frau, die zur Natur, die zur Schule, die zu ihrem Mann. "Und all diese Lieben haben ihr ganzes Leben lang angehalten." Doch er schaut nicht hoch, als er das sagt, sein Blick gleitet den gedruckten Zettel entlang, Zeile für Zeile, manchmal sind einzelne Wörter durchgestrichen, mit grünem Stift hat sie jemand korrigiert. Aber dann kommt die Stelle. "Die Russen waren die Ersten, die sie zum Ehrendoktor gemacht haben", sagt Helmut Schmidt, "und die Freie und Hansestadt hat sie sogar zur Ehrenbürgerin gemacht. Loki war mächtig stolz auf diese Ehrenbürgerschaft. Und ich war stolz auf meine Frau." Da schaut er hoch - und lächelt.
Es war ein besonderer Termin für Helmut Schmidt, daran gab es keinen Zweifel. Zu einer Feierstunde hatte die Universität Hamburg geladen, um die Frau zu ehren, die zu Lebzeiten dem Botanischen Garten zu seiner heutigen Bedeutung verholfen hatte: Loki Schmidt. Für Helmut Schmidt, das sagte er gleich zu Beginn, war es ein Anlass, schon am Morgen in ihren Büchern zu lesen, noch einmal an die beinahe sieben Jahrzehnte zu denken, "die wir miteinander verheiratet waren"; und was so ein Tag mit einem Menschen macht, der musste gestern in das Gesicht von Helmut Schmidt blicken.
Das Vermissen war ihm anzusehen, da hatte die Veranstaltung nicht einmal begonnen. Es war kurz nach 14 Uhr, Helmut Schmidt war pünktlich gewesen, auf den Bürgermeister wartete man noch. Ein Streichquartett spielte Mozart. Vor dem Altkanzler knieten die Fotografen, ein aufdringlicher Schwarm, den er kurz zuvor schon mit einer Handbewegung und einem "Schluss jetzt" versucht hatte zu vertreiben. Aber sie blieben. Und Helmut Schmidt ging. Als wäre nur noch sein Körper anwesend, die Gedanken längst woanders, je länger man ihn anschaute, desto weniger verstand man, verstand erst, als man seinen Blicken folgte an die Wand gegenüber und dort die Fotos sah, die ein Projektor an die Wand warf: Es waren Bilder von Loki Schmidt. Loki Schmidt im Botanischen Garten, Loki Schmidt im Gespräch mit Wissenschaftlern, mit Gärtnern. Vor meterhohen Kakteen.
Und dann kam Olaf Scholz. Die Veranstaltung begann, eine Dame vom Rundfunk begrüßte die Gäste, und wie Helmut Schmidt und Olaf Scholz da nebeneinander saßen in der ersten Reihe, bemerkte man den Unterschied: Der eine machte ein Bürgermeistergesicht, der andere einfach gar keins. Auch während der Rede von Olaf Scholz nicht. Eine "gute Autorität" in Sachen Naturschutz nannte er die verstorbene Frau des Altkanzlers, eine "Katalysatorin, zuweilen, da bin ich mir sicher, auch innerhalb der eigenen vier Wände". Kein Schmunzeln verriet, ob Scholz damit recht hatte. Der künftige Loki-Schmidt-Garten sei seit 35 Jahren einer der schönsten Orte im ganzen Bezirk Altona, fuhr der Bürgermeister fort. "Kein passenderer neuer Name ist für ihn denkbar."
Die Umbenennung des Botanischen Gartens gestern Nachmittag in Klein Flottbek, sie war keiner dieser Termine, an denen erst geredet wird und dann gefuttert, eine dosierte Würdigung mit streng getakteten Redezeiten. Es war eine Stunde der Erinnerung, der ernst gemeinten Verneigung. So etwas kann man nicht planen. So etwas passiert manchmal einfach.
Auch Dieter Lenzen trug dazu bei, der Universitätspräsident. Er erzählte von seiner ersten Begegnung mit den Schmidts "vor circa zwei Jahren", es muss kurz vor Loki Schmidts Tod gewesen sein. Als Mitbringsel für den Besuch ließ sich Lenzen von seinen Mitarbeitern einen Feldblumenstrauß bringen, den er zur Begrüßung überreichte: "Das war keine gute Idee." Denn natürlich fragte ihn Loki Schmidt nach dem Namen jeder einzelnen der überreichten Blumen, und er, der Präsident der Universität Hamburg, wusste keinen einzigen. Die anschließende Frage, "Rauchen Sie?", habe er sich nicht mehr getraut zu verneinen, erzählt Lenzen, da lacht er etwas gequält. "Ich habe noch nie so viel geraucht in meinem Leben wie an diesem Nachmittag."
Helmut Schmidt rauchte gar nicht während der Feierstunde in Klein Flottbek, und er sah nicht so aus, als fiele ihm das schwer. Auch er erzählte lieber Geschichten, erzählte von seiner Frau. Im Katharinenkloster auf dem Sinai seien sie gewesen, vor vielen Jahrzehnten, und natürlich zeigte ihnen der Abt des Klosters den Busch, den sie aus der Bibel schon kannten, weil er dort brannte, und der nur an diesem Orte wachse. "Loki hat sich einen kleinen Zweig abgebrochen und ihn sorgfältig feucht gehütet. Ein paar Jahre später ist daraus ein Busch entstanden, hier in Groß Flottbek, und er hat geblüht."
Nun ist der Ort nach ihr benannt, den sie selbst schon als Kind besuchte, den sie später vernetzte mit den Gärten anderer großer Städte. Und dem sie die Treue hielt, bis zum Schluss. Es gibt Menschen, die sich nun Sorgen um ihn machen, der Botanische Verein zu Hamburg etwa, oder der Naturschutzbund (Nabu). Dessen Mitglieder waren gestern zu einer kleinen Kundgebung vor dem Eingang des Gartens erschienen, mit Transparenten und verwelkten Blumen wollten sie auf drohende Kürzungen aufmerksam machen. "Der Botanische Garten ist ein Schaufenster der Vielfalt, wir sehen seine Existenz als gefährdet", sagte Alexander Porschke, der Vorsitzende des Nabu Hamburg. "Wir stehen zu Loki Schmidts Motto: Nur was man kennt, kann man schützen. Wenn man das nicht will, soll man den Garten nicht nach ihr benennen."
Natürlich tat man es gestern trotzdem. Weil es um die ging, für die dieser Garten immer eine ganz große Liebe war - eine unter dreien. Ganz zum Schluss sagt Helmut Schmidt Danke. Im Auftrag seiner Tochter und aus eigenem Herzen. "Ich danke der Universität und der Stadt Hamburg für die Ehre, die sie meiner verstorbenen Frau Loki antun."