Laura Walter setzt sich gegen 80 Konkurrenten durch. Immer mehr junge Frauen entscheiden sich für Ausbildung im Handwerk.

Hamburg. "Ein Papa war für mich immer einer, der alles reparierte", sagt Laura Walter. Ihr Vater konnte das. Zwar verdient er als Psychologe sein Geld. Aber er begann vor mehr als zehn Jahren in der Nähe von Wolfsburg auch einen Hof mit Fachwerkhaus und Scheune zu restaurieren. Dort spielte die junge Frau schon als Kind in der Werkstatt, baute später einen Käfig für ihr Meerschweinchen und wusste rasch, wie man mit Säge und Akkuschrauber umgeht. Heute repariert Laura Walter selber und baut dazu hochwertige Möbel. So perfekt, dass sie sich gegen insgesamt 80 Konkurrenten der Innung, Frauen und Männer, durchsetzte: Laura Walter ist Hamburgs beste Tischlergesellin.

Das Handwerk lag zwar in ihrer Familie, Uropa und Opa waren selbstständige Dachdecker- und Klempnermeister, doch eigentlich wollte Laura Walter nach ihrem Abitur Innenarchitektur studieren. Aber während eines zunächst nur für einige Monate geplanten Praktikums in Hamburg wurde ihr rasch klar, dass der Beruf deutlich mehr Möglichkeiten bot, als sie zuvor angenommen hatte. Jetzt wollte sie mehr wissen, suchte eine Lehrstelle und ging mit einigen Tipps von der Innung auf die Suche. Erfolg hatte die heute 22-Jährige bei Christoph Dehner, der inzwischen schon mehrfach Frauen in seinem Betrieb für hochwertige Möbel und Innenausbau in Poppenbüttel ausgebildet hat.

Dehner fiel ihr Talent früh auf. "Nach vier Wochen Praktikum habe ich sie eingestellt. Zumal Laura Walter von Anfang an nicht auf Anweisung wartete, sondern gleich mit anfasste", sagt der Handwerksmeister. Und als die Firma unter Zeitdruck innerhalb von zwei Wochen ein Hotel in St. Peter-Ording renovieren musste, ging sie wie selbstverständlich mit auf Montage. "Mir wurde rasch klar, die brauche ich", erinnert sich der 40-Jährige.

Das wundert Josef Katzer nicht. "Viele Frauen, die sich für eine handwerkliche Ausbildung entscheiden, sind in der Lehre enorm ehrgeizig und hoch motiviert", sagt der Präsident der Handwerkskammer. Und gerade wer eine Ausbildung als Tischler beginne, erfülle sich oft einen lang gehegten Traum. In Hamburg ist inzwischen jeder sechste Berufsanfänger eine Frau. "Eine Quote zwischen 15 und 20 Prozent hat sich über die Jahre eingependelt", sagt Falk Schütt, der Geschäftsführer des Fachverbandes Tischler Nord, der für 550 Betriebe in Hamburg und Schleswig-Holstein zuständig ist. Bei Dehner liegt die Quote deutlich höher. "Von den 35 Bewerbern in diesem Jahr waren 25 weiblich", sagt der Handwerksmeister.

Zweideutige Sprüche musste sich Laura Walter während ihrer Lehrzeit nicht anhören. Die Tischlerei Dehner floriert, der Chef hat allein in diesem Jahr seine Belegschaft um vier auf 15 Beschäftigte ausgebaut und ist mit allen per Du. "Durch die Frauen hat sich das Betriebsklima verbessert und beim schweren Heben und Tragen gab es in der Werkstatt fast immer jemanden, der geholfen hat", sagt Dehner. Dennoch: Gerade die körperliche Arbeit vor allem auf Baustellen gilt noch immer als großes Hindernis für viele Frauen, in ihrem ausgebildeten Beruf zu bleiben. Dabei sind die Chancen gut. "Die Betriebe suchen Fachkräfte und profitieren derzeit davon, dass Hausbesitzer schon wegen der niedrigen Zinsen ihr Geld in Renovierungen stecken", sagt Schütt. Auch hochwertige Möbel sind gefragt.

Für ihr Gesellenstück entschied sich Laura Walter für einen Schreibtisch im französischen Stil mit zwei Schubladen. Drei Wochen lang baute sie daran, gab für das Nussbaumholz aus Frankreich fast 2000 Euro aus und freute sich über ihre Eins im Zeugnis. Doch dass sie damit auch als Beste des Jahrgangs abschneiden würde, hätte sie nie gedacht. Jedenfalls nicht, bis der Anruf der Handwerkskammer kam. "Noch mehr als ich", sagt sie, "haben sich aber meine Eltern gefreut." Am morgigen Mittwoch haben sie nun Gelegenheit, ihrer Tochter erneut zu gratulieren. Dann ehrt die Handwerkskammer sie und die anderen Hamburger Sieger des Leistungswettbewerbs mit einer offiziellen Feierstunde.

Immerhin 16 der Landessieger aus 46 Berufen sind in diesem Jahr Frauen. "Damit brauchen sich die Frauen nicht zu verstecken", sagt die Sprecherin der Handwerkskammer, Ute Kretschmann. Auch Handwerkskammer-Präsident Katzer weiß: "In den Prüfungen erreichen die weiblichen Auszubildenden auffällig häufig Bestnoten." Danach kommen als Fortbildung eine Meisterschule oder ein Studium infrage.

Für die zweite Variante hat sich Laura Walter entschieden. Sie sucht derzeit nach einer Universität, an der sie nun ihr Innenarchitektur-Studium aufnehmen kann. Derzeit stellt sie ihre Bewerbungsmappe zusammen und besucht für ein halbes Jahr einen Vorbereitungskursus für Mode und Design. Deshalb bleibt keine Zeit, sich auch noch auf den Bundeswettbewerb für Tischler im November in Celle vorzubereiten. Klar ist jedoch: Laura Walter wird ihrem Beruf weiter treu bleiben. "Gern würde ich künftig als Tischlerin arbeiten und gleichzeitig Möbel designen und die Kunden beim Kauf beraten", sagt sie. Zunächst aber geht sie von November an wieder zu Dehner - auf 400-Euro-Basis. "Laura nach ihrem Studium wieder in meine Firma zu holen finde ich einen guten Gedanken", sagt ihr Chef. Für die Tischlerinnungen ist die 22-Jährige ohnehin kaum mehr wegzudenken. Sie hatten sie schon als Model für einen Katalog von Berufskleidung ausgesucht und zudem für eine bundesweite Imagekampagne fotografieren lassen. Auch hier hatte sie die männliche Konkurrenz abgehängt.

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