Am Sonnabend beginnt die Hamburger Hospizwoche. Die „Sternenbrücke” in Rissen hilft Familien mit kranken Kindern in schweren Zeiten.

Hamburg. Eigentlich ist Ronja 24 Stunden am Tag auf ihre Eltern angewiesen. Die 14-Jährige mit den braunen, krausen Haaren hat einen seltenen Gendefekt und ist geistig und körperlich auf dem Stand eines acht Monate alten Kleinkindes. Keiner weiß genau, wie lange sie noch leben wird. Zwei mal im Jahr wird sie im Kinder-Hospiz „Sternenbrücke“ im Hamburger Stadtteil Rissen versorgt.

„Ich dachte, in einem Hospiz heulen alle und es läuft den ganzen Tag Trauermusik“, beschreibt ihre Mutter Ulla Langer ihre ersten Vorstellungen. Das ist aber hier nun wirklich nicht der Fall: Das Haus wirkt freundlich und einladend, Kinder spielen mit den Pflegern, Geschwister toben durch die Flure, Angehörige sitzen im Kaminzimmer. Der Sandkasten steht hier auf Stelzen, so können auch Rollstuhlfahrer im Sand buddeln. Und auch in ein Karussell können Rollstühle hineingeschoben werden. Ganz nach dem Motto des Hauses: „Wir können dem Leben nicht mehr Tage geben, aber den Tagen mehr Leben“

„Als ich dann mehr über die Einrichtung wusste, dachte ich ’Schade, wir dürfen noch nicht kommen, unser Kind liegt ja noch nicht im Sterben’“, sagt Ronjas Mutter Ulla. Aber auch das war eine falsche Vorstellung: Willkommen sind hier alle Kinder, bei denen eine lebensverkürzende Krankheit diagnostiziert wurde – also auch die 14-Jährige. Bis zu vier Wochen pro Jahr können betroffene Familien das in Anspruch nehmen, finanziert durch Kranken- und Pflegekassen sowie Spenden.

Hilfe für Eltern in der Pflegephase

Als Urlaub bezeichnen die Pfleger die Zeit bei ihnen zwar nicht, aber für viele Eltern ist es eine große Entspannung. „Mein Mann und ich können sonst nie gemeinsam in ein Konzert gehen“, sagt Ulla Langer. Sich ein solches Vertrauen zu erarbeiten, ist eine große Herausforderung für die Pfleger. Am Anfang lassen die Mütter und Väter ihr Kind nur ungern aus den Augen. „Wenn sie dann die Zeit ohne Kind auch genießen können, wissen wir, dass wir auf dem richtigen Weg sind“, erzählt Kinderkrankenschwester Anne Hagen.

Nicht nur für Paare, auch für Geschwisterkinder ist die Pflege eines kranken Familienmitglieds schwierig. Denn häufig bekommen sie im Alltag nicht genügend Aufmerksamkeit, weil die Pflege des erkrankten Kindes die Eltern voll in Beschlag nimmt. „Wenn eines der Kinder ständig umsorgt werden muss, fehlt oft Zeit und Kraft für die anderen und es gerät alles aus dem Gleichgewicht“, beschreibt es Anne Hagen. „Geschwisterkinder fangen dann sogar manchmal an zu stottern oder werden verhaltensauffällig.“

70 Mitarbeiter, von Pflegern bis Schmerztherapeuten, stehen in der „Sternenbrücke“ der ganzen Familie zur Seite. 80 Ehrenamtliche lesen Kindern vor oder helfen in der Küche. Freiwillige wie sie berichten während der Hamburger Hospizwoche vom Sonnabend an eine Woche lang über ihre Arbeit. In Führungen werden Einrichtungen vorgestellt und Ehrenamtliche erzählen, was sie motiviert, sich für Sterbende zu engagieren. Die „Sternenbrücke“ zeigt eine Ausstellung zu Ritualen der Bestattung.

Insgesamt 80 Einrichtungen in Hamburg

Sechs Hospize gibt es in Hamburg. Rechnet man ambulante Dienste oder Krankenhausstationen für die Palliativversorgung dazu, kommt man auf 80 Einrichtungen, heißt es von der Gesundheitsbehörde. Speziell für Kinder eröffnete 2003 die „Sternenbrücke“, 12 Kinder und junge Erwachsene finden hier Platz.

Wenn die Kinder kurz vor ihrem Lebensende stehen, kommen die Familien für die gesamte letzte Lebensphase hier her und werden von Trauerbegleitern unterstützt. Ein Tipp von ihnen zum Abschiednehmen ist es, den Sarg selbst zu gestalten. „Die Särge sind ganz bunt, mit dem aufgemalten Lieblingsspielzeug, Blumen oder Abdrücken von den Händen“, berichtet Anne Hagen. Eine Familie habe den Sarg zu einem großen Auto umgestaltet.

119 Kinder hat die Initiatorin Ute Nerge so schon verabschiedet. Als Kinderkrankenschwester kümmerte sie sich früher neben der Arbeit um Eltern mit schwerstkranken Kindern. Bis zu 40 Familien betreute sie ehrenamtlich, ehe die anpackende 55-Jährige das Haus eröffnete: „Seitdem bin ich jeden Tag 24 Stunden in Rufbereitschaft.“