Hamburger Unternehmer Claus-Peter Offen fordert eine Verschrottungsprämie für alte Frachter. Bessere Lage wohl nicht vor 2014.
Hamburg. Die Schifffahrt befindet sich weltweit in einer schweren Krise. Überkapazitäten belasten den Markt. Die Frachtraten sind vergleichsweise niedrig und oft nicht mehr kostendeckend. Mehrere Schiffsfonds meldeten bereits Insolvenz an. Über die Zukunft des Marktes sprach das Abendblatt mit dem Hamburger Reeder Claus-Peter Offen, der mit insgesamt 123 Containerfrachtern eine der größten Charterreedereien der Welt besitzt.
Hamburger Abendblatt: Herr Offen, die Schifffahrtskrise dauert mit kurzer Unterbrechung 2010 seit vier Jahren an. Macht es noch Spaß, Reeder zu sein?
Claus-Peter Offen: Das Unternehmen durch schwere See zu steuern, sehe ich als sportliche Herausforderung, ähnlich wie beim Segeln. Solche Aufgaben zu meistern, bleibt spannend.
Die Charterreedereien leiden unter den niedrigen Preisen, die sie für das Vermieten ihrer Schiffe erhalten. Ursache dafür ist die Überkapazität auf den Weltmeeren. Aber sind die Firmen nicht selber schuld, weil sie in den guten Jahren vor 2008 zu viele Frachter bestellt haben?
Offen: Ja, das aber gilt insbesondere auch für die Linienreedereien, die eigene Schiffe einsetzen. Sie haben im Sommer 2010 wieder weltweit Frachter mit insgesamt zwei Millionen Stellplätzen für Standardcontainer (TEU) geordert, sodass in den nächsten zwei bis drei Jahren 22 Prozent des Transportvolumens der fahrenden Flotte dazukommen werden. Die Aufträge mögen damals für einzelne Linienreeder sinnvoll gewesen sein, es haben aber alle auf einmal bestellt. Zu früh, wie sich herausgestellt hat. Für Charterreedereien wie meine, die ihre Schiffe an die Linienreeder vermieten, gilt der Vorwurf nicht. Da die Anleger sich zurückhielten, waren wir Charterreeder an der Neubauwelle des Jahres 2010 nicht beteiligt.
Hätten die Banken nicht gegensteuern müssen? Sie haben schließlich die Finanzierungen für die Frachter bereitgestellt?
Offen: Das halte ich für nicht möglich. Schließlich stimmen sich die Banken in den USA, Asien und Europa nicht gegenseitig ab. Vielmehr entscheidet jede Bank nach ihren eigenen Kriterien. Die Banken wären mit einer Steuerungsaufgabe am Markt überfordert. Ganz klar: Für die Überkapazitäten tragen die Auftraggeber der Werften die Verantwortung, letztlich auch wir.
Jetzt ziehen sich die HSH Nordbank zum Teil und die Commerzbank komplett aus dem Geschäft zurück. Werden dadurch Reedereien zusammenbrechen?
Offen: Im Gegenteil. Aus der Sicht der Reedereien dürfte das sogar eher positive Auswirkungen haben.
Wieso?
Offen: Weil dies dazu führt, dass weniger bestellt werden kann. Dadurch kommen weniger neue Schiffe in den Markt, und die Überkapazitäten sinken.
Was bedeutet der Rückzug der Commerzbank für die Reederei Offen als einen der größten Kreditkunden ?
Offen: Negative Folgen für uns sehe ich im Moment eher nicht. Außer, dass die Commerzbank nicht mehr für die Finanzierung von Neubauten zur Verfügung steht. Aber über neue Aufträge denken wir derzeit ohnehin nicht nach.
Der Verband Deutscher Reeder fordert staatliche Hilfe für die Branche. Die KfW Bank soll für eine Übergangsphase Kredite bereitstellen. Lässt sich so die Krise bewältigen?
Offen: Das muss jedes Unternehmen für sich entscheiden. Wir glauben, dass wir ohne staatliche Hilfe auskommen können. Sinnvoller wäre es, eine Verschrottungsprämie einzuführen.
Was könnte eine Prämie bewirken?
Offen: Bisher bleiben Schiffe, für die ein Kaufpreis knapp über dem Schrottwert geboten wird, in Fahrt. Sie können von den neuen Reedern, die sie günstig erworben haben, sogar zu besonders niedrigen Raten angeboten werden. So bleiben die Charterpreise unter Druck. Würde die Differenz zum Verkaufspreis durch eine Prämie ausgeglichen, würden die Frachter tatsächlich ausrangiert. Wie viele schon heute nicht gebraucht werden, lässt sich daran ablesen, dass 350 der mehr als 5000 Frachter weltweit derzeit stillgelegt sind. Durch das Verschrotten würden sich Angebot und Nachfrage bei der Tonnage schneller annähern.
Über eine Prämie müsste politisch entschieden werden.
Offen: Ja, auf internationaler Ebene. Es würde keinen Sinn machen, etwa mit deutschen Steuergeldern die Flotte zu verkleinern und damit ausländischen Reedern zu helfen. Denn die würden dann mit ihren Schiffen von steigenden Charterraten profitieren.
Der Hamburger Reeder Erck Rickmers hat seine E.R. Schiffahrt mit der Reederei Komrowski zusammengeschlossen. Sind solche Kooperationen ein guter Weg, die Branche zu stabilisieren?
Offen: Allenfalls in Einzelfällen. An eine Welle von Kooperationen glaube ich nicht. Auch kleine Reedereien verfügen zum Teil über ein exzellentes Management und sind allein oftmals zukunftsfähig aufgestellt.
Wie werden Schiffe künftig finanziert? Schließlich wollen sich auch private Geldgeber kaum mehr beteiligen?
Offen: Zunächst wäre es gut, wenn zwei bis drei Jahre gar nicht bestellt würde.
Und danach?
Offen: Ich halte das KG-Modell, bei dem sich Anleger zur Bereitstellung von Eigenkapital zusammenfinden, nicht für tot. Aber es werden nicht mehr mehrere Milliarden Euro im Jahr zusammenkommen.
Das bedeutet?
Offen: Wer künftig finanzieren will, muss auf die internationalen Kapitalmärkte ausweichen. Banken aus Asien und Amerika werden bei Schiffen immer aktiver. Damit könnte die Schiffsfinanzierung in Deutschland ihre führende Stellung einbüßen. Gleichzeitig wird die deutsche Handelsflotte künftig nicht mehr die Nummer eins in der Containerschifffahrt bleiben. Diesen Platz werden in spätestens 20 Jahren die Chinesen einnehmen. Genau wie im Schiffbau, wo die deutschen Werften schon jetzt den Massenschiffbau endgültig verloren haben. Nur ein Beispiel: Unser letztes Containerschiff aus Deutschland haben wir 1998 von der Flender Werft in Lübeck bekommen.
Ihre Reederei ist mit insgesamt 123 Schiffen eine der größten Charterreedereien der Welt. Wie stark ist sie von der Krise betroffen?
Offen: Wir spüren die Auswirkungen. Aber das Unternehmen ist keineswegs bedroht. Denn 70 Prozent unseres Umsatzes fahren Frachter ein, die mehr als 5000 Standardcontainer tragen können, sogenannte. Post Panmax Schiffe. Diese Schiffe sind langfristig, zum Teil bis ins Jahr 2024, an die führenden Linienreeder der Welt vermietet. Die elf größten Frachter mit jeweils 14 000 TEU fahren derzeit 60 000 Dollar pro Tag ein. Das ist gut auskömmlich. Probleme gibt es bei kleineren Schiffen, deren Charterraten nur ein Drittel der Kosten einbringen. Die Zahl dieser Schiffe werden wir wohl künftig innerhalb unserer Flotte reduzieren.
Gibt es jetzt eine Regelung für den Fonds Santa-B-Schiffe, bei dem Sie die Anleger um einen Zuschuss von 21,3 Millionen Euro für die 14 Frachter gebeten haben?
Offen: Weil die Einnahmen für die Zinsen und die Tilgung der Kredite nicht reichen, haben wir eine Kapitalerhöhung vorgeschlagen. Die Zeichnungsfrist ist Ende September abgelaufen. Ergebnis: 60 Prozent der 7000 Anleger haben sich nicht geäußert, von den restlichen 40 Prozent haben 95 Prozent der Kapitalerhöhung zugestimmt. Sie ist damit beschlossen. Da aber nur 2000 Anleger sich an der Kapitalerhöhung beteiligen wollen, bleibt eine finanzielle Lücke. Darüber beraten wir mit den betroffenen drei Banken. Wir sind optimistisch, dass die Frachter weiterfahren können. Die Entscheidung soll innerhalb von zwei Wochen fallen.
Ihre in Korea gebauten Großfrachter könnten nun auch den Tiefwasserhafen in Wilhelmshaven nutzen. Ziehen die größten Offen-Schiffe aus Hamburg ab?
Offen: Das müssen die Linienreeder entscheiden. Beim Anlaufen gibt es aber derzeit weniger Probleme mit dem Tiefgang als damit, wie die Schiffe sich auf der Elbe begegnen und im Hafen gedreht werden können. Der Hamburger Hafen ist wettbewerbsfähig. Aber bis die Konjunktur wieder anspringt, wird man die Konkurrenz mit Wilhelmshaven spüren. Das kann den Reedern bei den Preisverhandlungen nützen.
Wann erwarten Sie das Ende der Krise?
Offen: Das wird auch von der wirtschaftlichen Entwicklung vor allem in Fernost, in Amerika und Europa abhängen. Anfang des Jahres lagen die Prognosen für die Importe von Asien nach Europa für dieses Jahr noch bei plus sechs Prozent. Inzwischen sieht es nach einem Minus von vier Prozent aus. Auch wenn sich der Verkehr in die USA und nach Südamerika gut entwickelt, dürfte das Transportvolumen 2012 weltweit nur um fünf Prozent wachsen.
Das heißt?
Offen: Die Erholung wird noch dauern, auch weil 2013 noch einmal etliche Neubauten fertig werden. Im Sommer 2014 könnte sich die Lage bessern.
Herr Offen, Sie sind gerade 69 Jahre alt geworden, stehen Sie auch nach der Krise noch am Steuer ihres Unternehmens?
Offen: Davon gehe ich ganz fest aus.