Rentner bei Unfall schwer verletzt. Fahrradklub warnt Anfänger vor “hohen Anforderungen“. Schon eine Million E-Bikes mit bis zu 45 Km/h.
Poppenbüttel. Sie heißen Elektrofahrrad, E-Bike oder Pedelec: Fahrräder mit zusätzlichem elektrischen Antrieb. Der hilft, wenn die Muskeln erschlaffen, der Anstieg zu hart oder die Tour zu weit ist. Und: Elektrofahrräder können schnell sein. Geschwindigkeiten von bis zu 45 Kilometern pro Stunde erreichen die stärksten Modelle. Doch auch wenn Elektrofahrräder in der Regel auf eine Höchstgeschwindigkeit von 25 km/h beschränkt sind, können sie ihren Fahrer in einer Großstadt wie Hamburg selbst damit überfordern.
Möglicherweise wurde dies auch einem 73-Jährigen aus Poppenbüttel zum Verhängnis, der mit seinem Kalkhoff-Elektrofahrrad am Alstertal Einkaufszentrum (AEZ) stürzte und seitdem in Lebensgefahr schwebt. Er war um kurz nach 10 Uhr auf seinem Weg in Richtung Wentzelplatz ohne ersichtlichen Grund gestürzt, wie Augenzeugen der Polizei berichteten, die die Ermittlungen aufgenommen hat. Im Krankenhaus diagnostizierten Ärzte einen Schädelbruch und eine Gehirnblutung. Nach Angaben des Zweirad-Industrie-Verbands (ZIV) werden in Deutschland schon mehr als eine Million Elekrofahrräder gefahren. Unterschieden wird zwischen sogenannten Pedal Electric Cycle, kurz Pedelec, und klassischen E-Bikes. Während der Elektromotor beim Pedelec nur das Treten unterstützt, kann der Fahrer eines E-Bikes unabhängig von der eigenen Leistung Gas geben, so wie man es von Mofas kennt.
Der Verband schätzt, dass in diesem Jahr 400 000 weitere motorisierte Fahrräder verkauft werden, Tendenz steigend. Wird sich dieser Trend auch in den Unfallzahlen widerspiegeln - zumal, wie der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) sagt, insbesondere Senioren und Anfänger Elektrofahrräder kaufen? "An Menschen, die vorher noch nie Rad gefahren sind, stellen Elektrofahrräder sehr hohe Anforderungen", sagt Dirk Lau, Vizechef der Hamburger ADFC-Vertretung. "25 km/h können sehr schnell sein in einer Stadt wie Hamburg und diesen Verkehrsverhältnissen." Um- und Einsteiger benötigten eine Eingewöhnungszeit, um mit der Technik klarzukommen. Die Hamburger Polizei, deren Fahrradstaffel selbst mehrere sogenannte Pedelecs im Einsatz hat, erfasst in ihrer jährlichen Unfallstatistik noch keine Elektrofahrräder. Sie gehen in der Gesamtheit der Fahrradunfälle auf. Und die sind im vergangenen Jahr um 16 Prozent auf mehr als 3000 Fälle gestiegen. Ihre bayerischen Kollegen sind mit der Aufschlüsselung schon weiter: In den ersten sechs Monaten des Jahres wurden im Freistaat 6186 Fahrradunfälle gezählt, Elektrofahrräder waren dabei in lediglich 76 Fälle verwickelt. Das Bayerische Innenministerium hat deshalb keine Angst vor dem Trend.
Die Experten der in Hamburg ansässigen Deutschen Akademie für Verkehrswissenschaft sind da ein bisschen weitsichtiger. Auf dem 50. Deutschen Verkehrsgerichtstag in Goslar ordneten sie die Masse der Elektromodelle neu: Danach gelten Pedelecs rechtlich gesehen nur dann noch als Fahrräder, wenn die Leistung ihres Hilfsantriebs 250 Watt nicht überschreitet und die Höchstgeschwindigkeit bei 25 km/h abgeriegelt wird. Solche Gefährte, ob mit Anfahrhilfe oder nicht, dürfen dann ohne besondere Fahrerlaubnis und Zulassung gefahren werden. Alle anderen sind stärkeren Auflagen unterworfen.
Gleichzeitig empfiehlt die Akademie den Fahrern von Pedelecs das Tragen eines Fahrradhelms bei der Fahrt. Der lebensgefährlich verletzte 73-Jährige trug nach ersten Erkenntnissen der Polizei keinen, als er stürzte. Der ADFC stützt diese Forderung nicht: "Es gibt keine Nachweise, dass sich die Unfallhäufigkeit durch eine Helmpflicht verringern würde", sagt Vizechef Lau. Dazu wären andere Maßnahmen besser geeignet, etwa strengere Tempolimits.