Warum es bei Bettina Wulffs Klage gegen Google nicht um Meinungsfreiheit geht
Die Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut. Und im Internet ist das Recht auf freie Rede ohnehin eine Selbstverständlichkeit. Hier kann jeder alles publizieren. Im Netz der Netze braucht niemand einen großen Verlag oder einen Sender im Rücken zu haben, um etwas veröffentlichen zu können, das die Chance hat, gelesen, gehört oder gesehen zu werden.
Entsprechend groß ist die Empörung der Netzgemeinde, wenn jemand versucht, diese Freiheitsrechte zu beschneiden. Zuletzt war das in der Diskussion um Netzsperren der Fall. Sie sollten ausgesprochen werden, wenn ein mutmaßlich pädophiler User Websites ansteuert, auf denen Kinderpornografie zu finden ist. Problematisch an der Idee war, dass Netzsperren ohne Hinzuziehung eines Gerichts möglich sein sollten. Zwar ist es richtig, dass die Meinungsfreiheit auch in einem Rechtsstaat dort aufhört, wo Straftatbestände beginnen, und Kinderpornografie ist eine schwere Straftat. Aber wo die Meinungsfreiheit endet und das Strafrecht beginnt, bestimmt nur eine Instanz; die dritte Gewalt, die Judikative.
Insofern ist die Klage, die Bettina Wulff nun gegen Google angestrengt hat, überhaupt nicht mit der Debatte mit Netzsperren zu vergleichen. Die Gattin des ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff verlangt keine "Lex Bettina". Indem sie das Gericht bittet, es Google zu untersagen, bei Suchanfragen ihren Namen automatisch mit Begriffen wie "Prostituierte", "Escort Service" oder "Rotlichtmilieu" zu kombinieren, wahrt sie lediglich ihre Rechte.
Es geht hier auch nicht um Meinungsfreiheit, sondern allenfalls um das Geschäftsmodell von Google. Wenn Bettina Wulffs Name aufgrund ihres bisherigen Lebenswandels sich nicht mit den oben genannten Begriffen in Verbindung bringen lässt, erfüllt jeder, der dies dennoch tut, den Straftatbestand der Verleumdung.
Es sollte dabei egal sein, ob dies wie bei Google in einem automatisierten Verfahren oder ganz analog via Klatsch und Tratsch geschieht.
Allerdings sieht dies das Oberlandesgericht München anders. In einem vergleichbaren Fall urteilte es, der sogenannte Autocomplete Service spiegele nur wider, welche Begriffe in einem bestimmten Zusammenhang besonders oft gesucht würden. Es handele sich dabei nicht um eine Bewertung "hinsichtlich des Wahrheitsgehaltes hineingedeuteter Aussagen", wie es im schönsten Juristendeutsch in der Urteilsbegründung heißt. Formaljuristisch mag das korrekt sein.
Im Fall von Bettina Wulff erfüllte Google mit seinem Autocomplete Service aber die Funktion eines Verleumdungs-Multiplikators. Wohl nur weil der Dienst häufig nachgefragte einschlägige Begriffe im Zusammenhang mit ihrem Namen anzeigte und immer noch anzeigt, konnten sich die Rotlicht-Gerüchte so rasant verbreiten - bis sie es in an sich seriöse Medien schafften. Die "Berliner Zeitung" und Günther Jauch, der im Januar in seiner Talkshow auf das angeblich schillernde Vorleben der damaligen First Lady angespielt hatte, mussten mittlerweile Unterlassungserklärungen abgeben.
Für Google wäre es ein Leichtes, die Kombination aus anstößigen Begriffen und dem Namen Bettina Wulffs in seinem Autocomplete Service zu stoppen. Schon jetzt hat die Suchmaschine, wie sie auf ihrem eigenen Portal schreibt, dort eine ganze Reihe von Begriffen gesperrt, die mit Pornografie, Gewalt und Volksverhetzung in Zusammenhang stehen.
Mitunter geht Google dabei ziemlich weit: Dass der Nachname der wohl derzeit weltweit bekanntesten Pamela vom Autocomplete Service nicht angezeigt wird, soll daran liegen, dass von ihr ein Porno-Video im Internet kursiert. Über den Dienst, der Bettina Wulff so viel Kummer macht, ist der Name von Pamela Anderson jedenfalls nicht zu finden.