Laut Umweltforscher Michael Braungart sind die Hamburger Mülltonnen so voll wie bundesweit nirgendwo. Grund sei eine verfehlte Abfallpolitik.

Hamburg. Die Hamburger erzeugen nach Einschätzung des Umweltforschers Michael Braungart bundesweit am meisten Müll. „Hamburg liefert sich mit Köln einen traurigen Wettlauf um das höchste Müllaufkommen pro Kopf“, sagte Braungart am Montag. Zuvor hatte er in einem NDR.de-Interview anlässlich der NDR-Dokumentation „Goldgrube Müll“ seine düstere Bestandsaufnahme aufgestellt.

Der Leiter des Hamburger Umweltinstituts übte zugleich scharfe Kritik an der Abfallpolitik in der Hansestadt: „Das Recycling steht bei uns auf verlorenem Posten, weil Hamburg massiv auf Müllverbrennung setzt.“ Man habe in Hamburg die geringsten Recycling-Raten, die geringsten Sammelraten, die geringsten Kompostierungsraten und die geringsten Altglas- und Altpapier-Sammelraten. „Wenn Hamburg etwas Anstand hätte, würde es den Titel Umwelthauptstadt zurückgeben“, sagte Braungart.

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Die Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt von Senatorin Jutta Blankau (SPD) bestätigte, dass Hamburg im Vergleich mit anderen Bundesländern und vergleichbaren Großstädten seit vielen Jahren die größte Restmüllmenge und die geringste Menge an getrennt gesammelten Wertstoffen aufweise. Dies sei unter anderem auch darauf zurückzuführen, dass Hamburg circa 50 Prozent Single-Haushalte habe, „die tendenziell immer mehr Restmüll produzieren als Familien“.

Im vergangenen Jahr entfielen nach Angaben der Umweltbehörde auf jeden Hamburger 281 Kilogramm Restmüll gegenüber 290 Kilogramm aus dem Jahr 2010. Für dieses Jahr rechnet Blankaus Behörde mit einem Rückgang auf 264 Kilogramm pro Einwohner. Die Stadtreinigung (SRH) ist optimistisch, dass sich dieser Trend fortsetzt. Die Kombination aus finanziellen Anreizen und neuen Angeboten – jeder Haushalt könne eine gelbe Tonne für Plastik- und Metallmüll, eine blaue Papiertonne und eine grüne Biotonne haben – wirke bereits nach, sagte SRH-Sprecher Reinhard Fiedler: „Die Erfolge sind ja da.“

Sein Unternehmen betreibe seit zwei Jahren sehr intensiv eine Recycling-Offensive – mit Erfolg: „Wir merken, dass das Restmüllaufkommen leicht rückläufig ist und das Recycling-Aufkommen deutlich zunimmt“, so Fiedler. Letztlich sei die Stadtreinigung aber darauf angewiesen, dass die Hamburger bei der Mülltrennung mitmachten.

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Braungarts Bestandsaufnahme fällt hingegen düster aus. Sein zentraler Kritikpunkt: Hamburgs Abfallpolitik werde von einem Management aus vergangenen Zeiten betrieben, die Stadtwerke seien ein „Staat im Staat“, über den es keine echte Kontrolle gebe. So habe man aus einem Mangel an Deponieflächen früh auf flächendeckende Müllverbrennung gesetzt und deshalb dem Wiederverwerten von Abfällen nie eine Chance gegeben.

Fiedler verwies darauf, mit den Betreibern der Müllverbrennungsanlagen seien zumeist langfristige Verträge – oft über 20 Jahre – abgeschlossen worden. Im Rahmen der Recycling-Offensive habe man aber etwa den 2016 auslaufenden Entsorgungsvertrag mit der Abfallverbrennungsanlage Stapelfeld (Kreis Stormarn) gekündigt. Dort entsorgt die Stadtreinigung jährlich rund

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200.000 Tonnen Müll. Geht es nach Braungart, soll es vom Jahr 2030 an gar keine Müllverbrennung mehr geben. „Die Politik muss die Entwicklung von Produkten anschieben, die keine Verbrennung mehr brauchen und für einen echten Müllkreislauf konzipiert sind“, forderte der Experte.

Mit Material von dpa