Der Hamburger Tierschutzverein (HTV) ist weiterhin führungslos.

Das Amtsgericht muss jetzt einen Notvorstand bestellen, der sich vorübergehend um die Geschäfte des rund 7000 Mitglieder starken Vereins kümmert: "Wir haben den Antrag auf Einrichtung eines Notvorstandes am Montag schriftlich beim Amtsgericht eingereicht und hoffen jetzt auf eine schnelle Entscheidung", sagte Thomas Schröder (42), Bundesgeschäftsführer des Deutschen Tierschutzbundes. Der Notvorstand kümmert sich "um die laufenden Geschäfte des Vereins. Dazu gehört beispielsweise die Überweisung von Rechnungen und die Anweisung der Gehälter der Angestellten des Tierheims", so Thomas Schröder.

Unterdessen informierte Urte Hitzer (42), kommissarische Leiterin des Tierheims Süderstraße, gestern auf einer Dienstbesprechung die 80 Mitarbeiter über die letzten Entwicklungen.

Vorstand des Tierschutzvereins zurückgetreten
Wie berichtet, war am Sonnabend bei einer außerordentlichen Mitgliederversammlung der gesamte HTV-Vorstand zurückgetreten. Dem Rücktritt war eine turbulente Versammlung vorausgegangen, bei der der Vorstand von vielen Mitgliedern heftig kritisiert wurde. Allerdings hatte HTV-Anwalt Hartmut Reclam später nicht ausgeschlossen, dass auch zurückgetretene Vorstände dem Amtsgericht als Notvorstand empfohlen werden könnten.

Nach Abendblatt-Informationen trafen sich gestern die ehemalige erste Vorsitzende Karin Klinkradt, die ehemalige zweite Vorsitzende Christine Kimpfel-Neumaier und HTV-Rechtsanwalt Hartmut Reclam mit Urte Hitzer zu Gesprächen im Tierheim Süderstraße. Nicht mit dabei war Wolfgang Poggendorf, der bis zum 21. Dezember der erste Vorsitzende des Vereins war und gegen den die Staatsanwaltschaft in mehreren Fällen wegen des Verdachts der Untreue ermittelt. Poggendorf, der nicht an der turbulenten Mitgliederversammlung im CCH teilnahm, wurde in den vergangenen Wochen immer wieder im Tierheim gesehen. Zuletzt fotografierte der 71-Jährige in der vergangenen Woche Hunde im Tierheim. Unklar ist, ob Poggendorf weiterhin als Chefredakteur der HTV-Zeitschrift "ich&du" tätig sein wird. Auf Abendblatt-Anfrage wollte sich Poggendorf dazu nicht äußern.

Für Rechtsanwalt Friedrich Engelke (58), der den Widerstand zahlreicher Mitglieder gegen den abgetretenen Vorstand angeführt hatte, steht fest: "Ein Neuanfang ist nur mit einem Notvorstand möglich, der keinerlei Verbindungen zu Herrn Poggendorf und seinen Vertrauten hat. Ich habe dem Amtsgericht einen Hamburger Rechtsanwalt vorgeschlagen."

Der Notvorstand müsste sich dann auch um die Wahlen für einen neuen Vorstand kümmern. Nach HTV-Satzung muss dieser in einem schriftlichen Verfahren gewählt werden. Doch bis es zu dieser Wahl kommt, werden wohl mindestens zwei Monate vergehen. Bisher gibt es offiziell auch noch keine Kandidaten für dieses Amt. Dazu Rechtsanwalt Friedrich Engelke: "Es gibt viele Mitglieder im HTV, die für die Vorstandsarbeit geeignet wären. Wir werden abwarten, bis der Notvorstand zur Benennung von Kandidaten aufruft und dann in einer eigenen Versammlung Personen ausgucken und diese dann vorschlagen."

Unterdessen forderte der FDP-Bundestagsabgeordnete Burkhardt Müller-Sönksen: "Ich hoffe, dass der neue Vorstand die vielen Mitgliedsanträge, die ohne Grund abgelehnt wurden, nochmals auf die Tagesordnung setzt und sachlich entscheidet." Auch die Aufnahme von Müller-Sönksen war abgelehnt worden.