Zu diesem Ergebnis kam Prof. Sommer vom Zentrum für Männergesundheit am UKE. Warum manche Radfahrer unter Erektionsstörungen leiden.

Hamburg. Über kaum einen Körperteil kursieren so viele Mythen, wie über den Penis eines Mannes: Viel Testosteron macht männlich, steigert die Potenz und Manneskraft. Fahrradfahren kann impotent machen und Sex vor dem Sport minimiert die Leistung. Doch stimmt das alles auch? Prof. Dr. Frank Sommer vom UKE Hamburg räumt mit den Gerüchten rund um das "starke Geschlecht“ auf. Der Androloge und Facharzt für Urologie und Sportmedizin ist Deutschlands einziger Professor für Männergesundheit und hat sich auf die Forschung rund um das Sexualleben von Männern spezialisiert.

Eine aktuelle Studie des Mediziners belegt beispielsweise, dass Sex vor einem Sportturnier nicht immer die Leistung beeinträchtigt. "Wir haben 84 Sportler, die in einer festen Partnerschaft sind, seit Anfang des Jahres gebeten über ihr Sexualleben Tagebuch zu führen“, erklärt Sommer. Sowohl die Frauen als auch die Männer mussten akribisch notieren, wann der Geschlechtsverkehr stattgefunden hat, wie lange es gedauert hat und ob Mann und Frau zum Orgasmus gekommen sind.

Zwischendurch mussten die Männer immer wieder zum Sporttest. Das Ergebnis: Sportler wie 100-Meter-Läufer oder Hochspringer, die binnen kürzester Zeit maximale Leistung bringen müssen, sollten zwei bis drei Tage vor einem Turnier abstinent leben. "Konzentrationssportler, wie beispielsweise Schützen, erzielen eine bessere Leistung, wenn sie kurz vor einem Turnier Sex haben“, so der Professor. Denn ein Orgasmus wirke beruhigend. Es würden Hormone ausgeschüttet, die auf das vegetative Nervensystem wirken.

Für seine Forschungsreihen schreibt das wissenschaftliche Team um Frank Sommer Sportvereine an und sucht so Probanden . "Natürlich bleiben die Testpersonen anonym“, so der Androloge: "Zum Beispiel haben wir für eine Untersuchung unter Radsportlern fast alle Vereine in der Bundesrepublik angeschrieben“, erklärt der Professor. 1786 Sportler haben an der Studie teilgenommen, sowie 8000 Nicht-Radfahrer. "Dabei haben wir eine interessante Beobachtung gemacht“, so Sommer: "Fahrradfahrer, die drei bis vier Stunden die Woche mit dem Rad unterwegs sind, sind gesundheitlich fitter und haben kaum Erektionsstörungen.“ Männer, die jedoch fünf bis sechs Stunden pro Woche mit dem Fahrrad unterwegs sind, sind im Vergleich zu der Testgruppe der Nicht-Radfahrer körperlich fitter, haben allerdings Sexualitätsstörungen. "Wir haben uns gefragt, woran das liegt und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass das Fahrrad oder der Sattel einfach nur falsch eingestellt waren“, so Sommer, der betont, dass es mit dem richtigen Fahrrad zu keiner Beeinträchtigung kommt.

Seit Juli 2005 führt Prof. Dr. Sommer solche Studien am Uniklinikum Eppendorf durch. Damals wurde dort das Zentrum für Männergesundheit eröffnet und ist bis heute bundesweit das einzige dieser Art. "Ich fand es schon immer spannend, wie Sexualität, Sport und Ernährung miteinander zusammenhängen und habe das Angebot sofort angenommen, dieses Zentrum zu leiten“, sagt der ledige 45 Jahre alte Mediziner, der vor sieben Jahren in die Hansestadt gezogen ist. Zuvor hat sich Sommer bereits an der Universitätsklinik in Köln schwerpunktmäßig mit der Lehre und Forschung männlicher Sexualstörungen beschäftigt. "Wenn ich jemandem erzähle, was ich beruflich mache, stehe ich immer im Mittelpunkt und alle werden sofort hellhörig. Ganz getreu dem Motto ‚Sex sells‘“, sagt Sommer. Zwar schmunzeln viele, wenn er sich dann mit Dr. Sommer vorstelle - sie denken an den inzwischen verstorbenen "Bravo"-Berater gleichen Namens - , doch der Professor nimmt dies mit Humor.

Der Fokus zum Thema Männergesundheit am UKE liegt auf Prävention und Aufklärung. "Denn nur 20 Prozent aller Männer gehen zur Vorsorge. Bei den Frauen ist es jede zweite“, erklärt Sommer. Deswegen beschäftigten sich der Mediziner und sein wissenschaftliches Team in der ersten Studie mit der Frage, warum die Männer so nachlässig mit ihrer Gesundheit umgehen. "Am häufigsten sagten die Männer, dass sie die Wartezeit beim Arzt stört“, sagt Sommer und fügt hinzu: "Erstaunlich dabei ist, dass andere Untersuchungen ergeben haben, dass Männer zwei Mal im Jahr ihr Auto zum Car-Check bringen, dort Wartezeiten von bis zu einer Stunde aber in Kauf nehmen.“

Als zweiten Grund nannten die Männer, dass sie sich gesund fühlen. Dass dies nicht immer die Realität ist, zeigt eine länderübergreifende Studie. In sechs europäischen Ländern und den USA wurden Männer zwischen 40 und 80 Jahren befragt, und alle gaben an, sich fit zu fühlen. Eine Untersuchung beim Doktor ergab jedoch, dass ein Großteil dieser Probanden krank war. "Dies erinnert mich immer an das Lied von Herbert Grönemeyer. ‚Männer sind furchtbar stark. Männer können alles. Männer kriegen 'n Herzinfarkt‘“, sagt Sommer. Denn Verengungen im Penis seien Vorboten für einen Herzinfarkt. Auch ließen sich Hodentumore, die sich in der Regel im Alter zwischen 20 und 40 Jahren bilden, bei Früherkennung in den meisten Fällen heilen. Mit Sorge betrachtet der Arzt deswegen, dass mit dem Wegfall der Wehrpflicht auch die damit verbundene medizinische Untersuchung bei Männern wegfällt. Denn erst wenn die Männer Beschwerden haben, gehen sie zum Arzt.

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Am häufigsten kommen Männer mit Erektionsstörungen oder sexueller Lustlosigkeit in die Praxis von Prof. Sommer: "Vor rund zehn Jahren glaubten die Medizin noch, dass für mehr als 80 Prozent dieser Impotenz, psychische Probleme verantwortlich sind.“ Doch inzwischen haben Studien belegt, dass bei lediglich zwölf Prozent dies die Ursache ist.

Zwar haben andere Untersuchungen ergeben, dass Männer egal welchen Alter vor 30 Jahren doppelt bis dreimal mehr Sex hatten als das „starke Geschlecht“ heute. „Stress bei der Arbeit ist da natürlich ein Grund.“ Doch auch gibt es mehr Fettleibige heute, die besonders gefährdet sind, impotent zu werden. Dies ist auch wissenschaftlich belegt. Bereits Männer mit einem Bauchansatz gehören zur gefährdeten Gruppe.

Denn Bauchfett, das unter den Bauchmuskeln sitzt, verwandelt Testosteron in das weibliche Hormon Östrogen. Die Männer fühlen sich bei der Arbeit mittags schon schlapp, kommen nach Hause und legen sich gleich auf die Couch. Selbst der Antrieb Joggen zu gehen fehlt, geschweige denn mit der Frau intim zu werden. "Bereits Männer ab einem Bauchumfang von 94 Zentimetern sind gefährdet“, so Sommer. "Diesen Teufelskreis wollen wir durchbrechen." Mit einer zwei bis dreijährigen Hormontherapie versuchen die Mediziner, den Antrieb des Mannes wieder zu wecken. Das viszerale Fett, das hinter den Bauchmuskeln sitz und nicht fühlbar ist, verschwindet und auch die Muskeln im Glied können wieder aufgebaut werden. "Eine Untersuchung bei 110 Männern hat ergeben, dass nur Sport und gesunde Ernährung Auswirkungen auf die Sexualität haben. 33 Prozent der Probanden berichteten von einer normalen Erregung. Die Gruppe, die ihren Lebensstil nicht änderte, blieb alles beim Alten“, sagt der Professor.

Zwar spielt Testosteron dabei eine große Rolle, ist aber nicht entscheidend. Jahrelang glaubte man in der Medizin, der Testosteronspiegel sei ausschlaggebend und es wurden eine Unter- und Höchstgrenze bestimmt, ab wann eine Hormontherapie gemacht werden müsse. Doch seit 2005 beobachten wir, dass sowohl Männer mit einem niedrigen als auch hohen Testosteronspiegel sexuell sehr aktiv sind. "Unsere Untersuchung hat dann ergeben, dass die Rezeptoren, an denen die Hormone andocken, entscheidend sind. Denn diese sind bei jedem Menschen unterschiedlich", so Sommer, der dieses Ergebnis kürzlich bei einem Kongress in Chicago vorgestellt hat. Sommer: "Doch bis sich die Richtlinien in Deutschland ändern, wird es bestimmt noch zehn Jahre dauern."

Neben Bauchfett oder der Verengung der Gefäße im Penis, gibt es noch viele andere Gründe, warum Männer impotent werden. "Deswegen gibt es auch unterschiedliche Therapien", so Sommer. Ob die Behandlung Erfolg hat, hängt von der Diagnose ab. "Wir können immer helfen, bei dem einen mehr, bei einem anderen weniger", sagt Dr. Sommer.