Die maritime Wirtschaft braucht mehr fairen Wettbewerb anstatt mehr Staatshilfe
Die deutsche Schifffahrt und der Schiffbau stecken in einer üblen Klemme: Die Reedereien leiden unter zu vielen Schiffen, die Werften unter zu wenig Aufträgen. Beiden Branchen fehlt zugleich Kapital. Wichtige Institute wie die Commerzbank oder die HSH Nordbank ziehen sich teils oder ganz aus dem Schiffsmarkt zurück.
Der Verband Deutscher Reeder (VDR) fordert deshalb, dass sich der Bund mit der staatseigenen KfW-Bank massiv in der maritimen Wirtschaft engagiert. Warum sollten Unternehmen untergehen, die - so der VDR - "unverschuldet" in Not geraten seien, etwa die vielen kleineren Familienreedereien in und um Hamburg? Die Forderung des VDR und anderer Spitzenverbände wirft Fragen auf: Was bedeutet unverschuldet? Und wann sind die Zeiten wirtschaftlich wieder normal? Waren sie es je?
Der Verband führt gewichtige Argumente an. Die maritime Wirtschaft, vor allem die Schifffahrt, sei "systemrelevant" für die Exportnation Deutschland. Das erscheint arg überzogen. Vergleiche etwa mit dem Niedergang der Investmentbank Lehman Brothers, deren Ende im September 2008 die Weltfinanzmarktkrise für jeden sichtbar werden ließ, wirken weit hergeholt. Deutsche Produkte würden auch dann exportiert werden, wenn es keine deutschen Reedereien mehr gäbe. Schifffahrtsunternehmen aus anderen europäischen Ländern und aus Asien würden die Lücken dankbar und zügig schließen. Die Zulieferindustrie wiederum, der wichtigste Teil des deutschen Schiffbaus, lässt Maschinen, Anlagen, Elektronik made in Germany mittlerweile längst zum größten Teil auf asiatischen Werften verbauen - in Schiffe für Reedereien aus aller Herren Länder.
Relevant ist die maritime Wirtschaft zweifellos für Norddeutschland. Jede weitere Insolvenz von Unternehmen schwächt auch das Gefüge aus Reedereien, Schiffsentwicklern, Finanzierern, Dienstleistern und der verbliebenen Werften. Die norddeutschen Länder betreiben mit guten Gründen lupenreine Standortpolitik, wenn sie Unternehmen aus der Schifffahrt und dem Schiffbau stützen und wenn sie dafür zusätzliche Hilfe aus Berlin fordern. Es geht um viele Arbeitsplätze. Nur sollte man sich dabei keine Illusionen machen: Staatliche Hilfe lindert Probleme, löst sie aber nicht. Die Stadt Hamburg ist derzeit mit mehr als einem Drittel der Anteile größter Miteigner bei der führenden deutschen Linienreederei Hapag-Lloyd. Auf die Gewinn- und Verlustlage bei dem Schifffahrtsunternehmen aber hat die Stadt keinerlei Einfluss.
Das Hauptproblem der maritimen Wirtschaft liegt jenseits der Landesgrenzen: Ein fairer Wettbewerb hat sich weder in der Schifffahrt noch bei den Werften je etabliert. Deutsche EU-Partnerländer wie Frankreich, Spanien oder Italien schützen und stützen ihre nationalen Reedereien und Schiffbaubetriebe nach Gutdünken. In Südkorea und China wiederum gilt die Schifffahrt quasi als Rammbock für die Entwicklung voranstürmender Volkswirtschaften insgesamt - Staatshilfe etwa in Form billiger Kredite ist dort selbstverständlich.
Natürlich kann sich auch Deutschland in diese illustre Gesellschaft einreihen und den Leitgedanken der Marktwirtschaft zumindest temporär verbannen. Das mahnende Beispiel der deutschen Werften - zuletzt erst diese Woche bei P+S in Mecklenburg-Vorpommern - sollte dabei aber jeder Akteur vor Augen haben: Wenn Unternehmen vor dem Abschwung stehen, kann staatliche Stütze die Talfahrt zwar verzögern, aber nie verhindern.