JVA-Mitarbeiter hatten Tötungsfantasien bei Facebook gepostet. Grüne und CDU: Überlastung in Billwerder. Behörde untersucht den Fall.

Hamburg. Mit den veröffentlichten Tötungsfantasien ihrer Gefangenen bei Facebook hatten vier Justizvollzugsbeamte der JVA Billwerder die Öffentlichkeit schockiert. Inzwischen sind die betroffenen Männer vom Dienst suspendiert worden. Aus der Politik wird indes Kritik an den Zuständen im Gefängnis in Billwerder laut. Laut den rechtspolitischen Sprechern der Grünen, der CDU und der Linken gibt es alarmierende Krankheitsraten, eine große Überlastung und Frustration.

Der Sprecher der Justizbehörde, Sven Billhardt, sagt zum aktuellen Fall: "Wir gehen den Vorwürfen mit Nachdruck nach. Arbeitsbedingungen vor Ort können keine Entschuldigung sein.“

Der rechtspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Farid Müller, sagte, dass ihm eine Abschrift der Facebook-Unterhaltung vorliege. Dazu wolle er beim Senat eine Anfrage stellen, ob der Schriftverkehr in dem sozialen Netzwerk tatsächlich so stattgefunden habe. Er vermutet, dass die Lage ernst sei. "Sonst hätte es wohl keine Suspendierung gegeben."

+++Scherze über Hinrichtungen - Justizbeamte suspendiert+++

Der Vorfall sei – wenn er sich bestätige - "Ausdruck einer völligen Führungsverwahrlosung", sagte Müller. Es gebe sehr viel Frust, einen sehr hohen Krankheitsstand und dadurch eine große Überlastung. "Mehr als ein Drittel der Mitarbeiter sind in der JVA Billwerder im Durchschnitt krank. Dieses Drittel muss nun von den anderen Mitarbeitern aufgefangen werden. Das führt zu Doppelschichten und zu einer unglaublichen Belastung", berichtet der Grünen-Politiker. Was den Krankenstand betrifft, heißt es in der Justizbehörde jedoch, der Krankenstand liege im Durchschnitt bei unter 20 Prozent.

In einem Bericht des stellvertretenden Leiters des Strafvollzugsamtes wird laut Müller die Führungsriege des Gefängnisses bemängelt. Müller ist sich sicher, dass dies auch Auswirkungen auf die Moral und Befindlichkeiten habe. Sollte sich der Vorfall bei Facebook bestätigen, müsse die Führung in der JVA Billwerder abgewechselt werden, fordert Müller.

Auch der rechtspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, André Trepoll, sieht eine Problematik in der JVA Billwerder. "Die Beamten sind an der Leistungsgrenze", sagte Trepoll. Das sehe man an den vielen Krankheitsfällen. "Wenn sich das Bewahrheiten sollte, müssen schnellstmögliche Schritte eingeleitet werden", so Trepoll. Ob sich der vorliegende Fall durch die Schwierigkeiten in der JVA Billwerder erkläre, werden die Ermittlungen zeigen müssen.

+++Hamburger Vollzugsbeamte jährlich im Schnitt 36 Tage krank+++

Handlungsbedarf sehen auch die rechtspolitischen Sprecher der FDP, der Linken und der SPD. „Die Vorwürfe müssen geklärt werden und bei Bestätigung muss derartiges natürlich klare Konsequenzen haben", sagte die rechtspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Anna von Treuenfels. Dann müsste auch den Fragen nachgegangen werden, ob die Beamten qualifiziert genug ausgesucht werden und ob es eine psychologische Begleitung im Dienst gebe. Die rechtspolitische Sprecherin der Linken, Christiane Schneider, schlug als Konsequenz eine Menschenrechtsausbildung für die Vollzugsbeamten vor. Und es müsse sich bei der Einstellung der Mitarbeiter gefragt werden, ob sie die Richtigen für den Job seien. "Wenn sich die Vorwürfe zu dem konkreten Vorfall bestätigen, sind diese Beamten für die Arbeit ungeeignet."

Die Justizbehörde geht nach eigenen Angaben den Arbeitsbedingungen und den Fehlzeiten in den sechs Hamburger Justizvollzugsanstalten in einem umfassenden Projekt an. Sprecher Billhardt: "Grundlage ist eine Studie der Professoren van den Bussche und Dahlgaard, die im April dieses Jahres vorgestellt wurde. Die Untersuchung macht deutlich, dass es seit Jahren vielschichtige Defizite gibt. Sie zeigt aber auch, dass es keine einfachen Lösungen gibt und dass wir einen langen Atem brauchen. Uns ist wichtig, dass wir einen nachhaltigen Erfolg haben. Wir müssen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Prozess einbinden. In der Vergangenheit wurden zu viele Entscheidungen getroffen, ohne dass die Beamten in den Anstalten eingebunden wurden und sich einbringen konnten.“

Im Fall der Aufsehen erregenden Äußerungen der JVA-Bediensteten auf Facebook begrüßte der rechtspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Urs Tabbert, die Ermittlungen gegen die Männer. "So ein Verhalten ist absolut inakzeptabel", sagte er. Dennoch sieht er nicht die Führung der Justizvollzugsanstalt in der Verantwortung. "Selbst wenn es berechtigte Kritik an der Führung gibt, ist es kein Grund, sich öffentlich so über Menschen, die einem anvertraut worden sind, in einer so abwertenden Form zu äußern", sagte Tabbert. Sprecher Sven Billhardt von der Justizbehörde räumt ein, dass Justizvollzugsbeamten "mitunter auch außergewöhnliche oder extreme Situationen erleben." Um diese aufzufangen und zu bearbeiten, gebe es ein Kriseninterventionsteam aus kollegialen Ansprechpartnern und Psychologen.

+++Hamburger Strafvollzug+++

Die suspendierten Justizvollzugsbeamten sollen sich laut Medienberichten bei Facebook vergangene Woche darüber ausgetauscht haben, die Häftlinge während des Freigangs vom Dach der Hochsicherheitsstation zu erschießen. „Abendbrot selber schießen :)“, soll einer der Männer in dem sozialen Netzwerk gepostet haben. Am Montagmorgen wurden sie aus ihrem Dienst entlassen.