Initiative: Schauspieler Christian Quadflieg will das Denkmal des Dichters zurückholen.
Christian Quadflieg spielt oder rezitiert vornehmlich erdachte Gedanken und Ereignisse, aber was der 58 Jahre alte Schauspieler sich seit geraumer Zeit und mit viel Engagement zum Thema mit Variationen auserwählt hat, ist eine unendliche Geschichte. Aber wahr. Er möchte nicht weniger, als dass ein Denkmal des Dichters Heinrich Heine endlich wieder an jenen Ort zurückkehrt, wo es einst stand, nach Hamburg nämlich - beziehungsweise auch nach Altona, das damals noch nicht eingemeindet war.
Heute steht das Denkmal in der südfranzösischen Hafenstadt Toulon. Wie es dorthin gelangte, ist eine Geschichte für sich, die mit der österreichischen Kaiserin Elisabeth (1837-1898) ihren Anfang nahm. "Sissi" war eine glühende Verehrerin Heinrich Heines (1797-1856) und förderte kräftig, aber vergebens die Aufstellung eines Heine-Denkmals in des Dichters Geburtsstadt Düsseldorf. Was die Kaiserin mit ihrem Engagement für den jüdischen Autor von "Deutschland - ein Wintermärchen" bewirkte, spricht Bände für das geistige und politische Klima jener Zeit. Sie wurde zum öffentlichen Ärgernis, als "Judenknecht" verhöhnt, Monarchisten und Deutschnationale reagierten mit Pressefehden und Demonstrationen gegen das Projekt. Das Denkmal wurde nach New York verkauft, wo es heute noch an der Ecke 161. Straße/Mott Avenue steht.
Elisabeth ließ sich nicht entmutigen. Sie gab für 24 000 Mark einen eigenen Heine aus Marmor in Auftrag. Schöpfer war der dänische Bildhauer Ludvig Hasselriis (1844-1912), der später auch das Grabmal des Dichters auf dem Pariser Friedhof Montmartre geschaffen hat. 1891 bot die Kaiserin die Plastik Hamburg als Geschenk an - und holte sich einen Korb. So ließ Sissi ihren Heine ein Jahr später auf ihren Sommersitz "Achilleion" auf Korfu verschiffen. Dort stellte sie ihn in einem Monopteros auf, von wo der marmorne Dichter auf das geliebte Meer blicken konnte.
Das etwa 1,60 Meter große und 2250 Kilo schwere Denkmal zeigt den kranken, altersmüden Poeten, in der Rechten einen Federkiel und in der Linken einen Zettel mit Versen aus seinem "Buch der Lieder":
Was will die einsame Träne? Sie trübt mir ja den Blick - Sie blieb aus alten Zeiten In meinem Auge zurück. . . . Du alte, einsame Träne, Zerfließe jetzunder auch!
Nach dem tödlichen Attentat auf die Kaiserin 1898 in Genf begann die Odyssee von Neuem. Das Achilleion erbte Elisabeths Tochter Gisela, die den Landsitz an den kaiserlichen Familienfonds verkaufte. Von ihm erwarb ihn Kaiser Wilhelm II. 1907. Zu den ersten Aktivitäten des neuen Hausherrn gehörte die Entfernung des Denkmals jenes Dichters, den Majestät gerne als "Schmutzfink im deutschen Dichterwald" zu beschimpfen pflegte.
Der Kaiser verkaufte die Plastik für 10 000 Mark an Heinrich Julius Campe in Hamburg, den Sohn des Heine-Verlegers Julius Campe und Patensohn des Dichters. Nach dessen Tod konnten die Erben das Denkmal schließlich 1910 im Barkhof zwischen Mönckeberg- und Spitalerstraße aufstellen lassen.
Auch dort aber sollte Heine nicht zur Ruhe kommen. Immer wieder kam es zu antisemitischen Hetzkampagnen und Schmierereien, die nach Ende des Ersten Weltkriegs besonders zunahmen. Das Denkmal musste mit einem Bretterzaun geschützt werden. Es war ein Oberbürgermeister der Stadt Altona, der Hasselriis' Plastik schließlich im Donnerspark an der Elbchaussee Asyl gewährte, unweit jenes Grundstücks, das einst Heines Onkel Salomon besaß. Das war 1927. Der Name des preußischen Stadtvaters, der jenen liberalen Geist praktizierte, den Hanseaten so gerne für sich in Anspruch nehmen: Max Brauer.
Als dann die Nazis an die Macht kamen, wurde das Denkmal in einem Keller versteckt. Einem anderen Heine-Denkmal in Hamburg, Hugo Lederers Bronze im Stadtpark, erging es weitaus schlechter: Es wurde 1933 entfernt und 1944 zu Waffen geschmolzen. Der Versuch eines Remakes von Waldemar Otto ziert seit 1982 den Hamburger Rathausmarkt.
"Quadfliegs" Heine gehörte Campes Tochter Olivia, die 1925 in Toulon einen Franzosen namens Edmond Bouchard geheiratet hatte. Sie zog 1939 von Hamburg in die Heimatstadt ihres Mannes; zum Umzugsgut auf dem Dampfer "Profida" gehörte auch das Denkmal. Es konnte nicht mehr aufgestellt werden, der Krieg kam dazwischen. Die Kiste überstand Krieg und deutsche Besatzung in einem Schuppen weitgehend unbeschadet, nur die Schreibfeder in der rechten Hand war abgebrochen. 1947 schenkte Olivia Bouchard den Hasselriis ihrem Wohnort; sie starb 1951. Auch ihr Witwer konnte es nicht mehr erleben, als das Denkmal im November 1956, dem 100. Todesjahr Heines, im Beisein von Hamburgs Kultursenator Hans Harder Biermann-Ratjen im Jardin d'Acclimentation im Stadtteil Mourillon aufgestellt wurde, dem Botanischen Garten von Toulon.
Dort fristet es bis heute in einem mittlerweile zugewachsenen Winkel sein Dasein, von der Öffentlichkeit weitgehend unbeachtet. Bis vor einigen Jahren stand nur der Name des Dichters auf einem kleinen Messingschild am Sockel, inzwischen jedoch mit dem Zusatz ergänzt "Poète allemand".
Zwar ist Quadflieg nicht der erste Hamburger, der sich um eine Rückführung aus Toulon bemüht, aber er ist der hartnäckig-ste. Schon 1955 war es der Schriftsteller Hans-Henny Jahnn gewesen, der diesen Schritt angeregt hatte. Und Ende der 70er-Jahre versuchte Kultursenator Wolfgang Tarnowski, den damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt zu einer Initiative zu bewegen.
Quadflieg ist unermüdlich. Seine Korrespondenz reicht inzwischen von den Bürgermeistern von Toulon bis zu deren Hamburger Kollegen Runde und jüngst von Beust sowie der Kulturstaatsministerin Christina Weiss in Berlin. "Man soll mich nicht missverstehen: Hier geht es nicht etwa um Beutekunst", stellt Quadflieg klar, "die rechtliche Situation ist einwandfrei: Der Heine gehört Toulon. Aber bei allem Verständnis meine ich, dass eine Aufstellung in Hamburg zu den großen ideellen Reparationen einer verhängnisvollen Epoche gehört. Es wäre eine große Geste der Versöhnung."
Als Standorte schweben dem Schauspieler Donnerspark vor, wo das Denkmal schon einmal stand, oder der Heinepark in der Nähe, an der Elbchaussee 31, wo der Dichter 1843 und 44 im Gartenhäuschen seines Onkels Salomon gewohnt hat. Und es käme auch die Alsterwiese am Harvestehuder Weg in Frage, dort, wo jetzt der Hoffmann & Campe Verlag beheimatet ist, Nachfolger von Heines Verleger. Quadflieg sieht als mögliche ideelle Entschädigung eine Einladung an Touloner Schüler in die Hansestadt, "damit sie sehen, dass man in Hamburg heute anders denkt als früher".
- Unter dem Titel "Heine auf der Spur" rezitiert Christian Quadflieg am 18. März um 19.30 Uhr in der Freien Akademie der Künste am Deichtor Heine-Texte und spricht über seine Initiative zum Heine-Denkmal.