Ein Mann tötete im US-Staat Wisconsin sechs Menschen in einem Sikh-Tempel. Mitglieder der Hamburger Sikh-Gemeinde vermuten Verwechslung.

Hamburg. Der blutige Terroranschlag in einem indischen Sikh-Tempel im US-Staat Wisconsin, bei dem ein Attentäter sechs Menschen erschoss, hat weltweit Entsetzen ausgelöst. Auch die Sikh-Gemeinde in Hamburg ist geschockt. „Wir sind sehr traurig. Die Tat ist für uns unbegreiflich“, sagt Dalbir Singh Muhar, Präsident des Singh-Sabah-Tempels am Grandweg in Lokstedt. Der Angreifer, laut US-Behörden ein 40 Jahre alter ehemaliger Militärangehöriger, kam in einem Schusswechsel mit der Polizei ums Leben.

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Die Mitglieder der Sikh-Gemeinde in Hamburg sind sich einig: Der Attentäter hielt die Sikhs für Muslime. Weil sie Turban und lange Bärte tragen. Es sei ein Racheakt für den Terroranschlag vom 11. September 2001. „Wer Turban trägt, ist ein Taliban - so denken viele Menschen“, sagt Christine Walia. Die Christin ist seit 31 Jahren mit einem Sikh verheiratet. Mit ihrem Mann Mukesh Walia lebt sie in Hamburg. Seit Jahren bemüht sie sich, die Missverständnisse zwischen den verschiedenen Kulturen in ihrem Umfeld auszuräumen. „Der Turban steht für Frieden. Im Sikhismus sind alle Menschen gleich“, erklärt sie. Umso größer ist das Entsetzen über die kaltblütige Tat, die von der US-Polizei als „heimischer Terrorismus“ bezeichnet wurde. „Wir können nicht begreifen, dass man uns nicht von den Taliban unterschieden kann“, sagt Mukesh Walia. „Das macht uns Angst“. Die Gemeinde hofft, dass es sich bei dem Angreifer um einen Einzeltäter handelt. Die Tat sei sowohl gegen Sikhs als auch gegen die Taliban in keiner Weise zu rechtfertigen, sagen die Mitglieder.

Von den weltweit 23 Millionen Sikhs leben 500.000 in den USA, rund 10.000 in Deutschland. Viele haben die deutsche Staatsbürgerschaft. „Wir werden aber auch hier immer mal wieder rassistisch beschimpft“, sagt Walia. Zu wenige Menschen in Deutschland wüssten, was der Sikhismus bedeute. „Unsere Religion steht für Toleranz. Der Tempel ist für alle da, jeder kann kommen. Daran wird sich auch nichts ändern“, sagt Walia. „Wir sind fassungslos, aber wir verspüren keine Rachegedanken. Wir vertrauen dem deutschen Staat und werden so weiterleben wie bisher“.

Mehr als 2000 Sikhs leben in Hamburg. Vor dem Tempel in Lokstedt hängt sowohl die Flagge mit dem Symbol der Sikhs als auch eine Deutschland-Flagge. In insgesamt vier Tempeln in der Hansestadt findet jeden Sonntag das gemeinsame Gebet statt. In Lokstedt versammeln sich wöchentlich rund 400 Sikhs. Viele von ihnen verfolgten die Berichterstattung über den Terroranschlag im Lokstedter Tempel live im indischen Sikh-TV, das in Hamburg empfangen werden kann. „Diese Tat ist das Schlimmste, was uns passieren konnte“, sagt Präsident Dalbir Singh Muhar. Die Gemeinde will ihre Religion künftig noch stärker in der Öffentlichkeit präsentieren. Am Sonntag findet im Rahmen des Gebets eine Trauerrede im Tempel am Grandweg statt. „Gäste sind bei uns immer willkommen, auch wenn sie keine Sikhs sind“, sagt Mukesh Walia. Nur die Schuhe müsse man im Tempel ausziehen und eine Kopfbedeckung tragen. Der Turban sei keine Pflicht.