120 000 Menschen feiern ausgelassen beim Christopher Street Day in Hamburg, dem Tag der Schwulen, Lesben, Bi- und Transsexuellen.
Hamburg. Sonne, Regen und wieder Sonne. Über die Hansestadt spannt sich ein Regenbogen. Er passt zum Bild auf der Straße. Bunt, fröhlich und ausgelassen feiern 120 000 Menschen bei der Parade des 32. Christopher Street Days in der Hamburger Innenstadt. "Wir freuen uns sehr, dass wir zum diesjährigen Hamburg Pride so viele Menschen dazu bewegen konnten, für die Rechte von Homo-, Bi und Transsexuellen auf die Straße zu gehen", sagt Lars Peters, Erster Vorsitzender des Vereins Hamburg Pride, der den CSD, wie der Christopher Street Day kurz genannt wird, organisiert.
Ganz in Gold gehüllt sind dieses Jahr Holger Meyer und seine Freunde. Schon von Weitem glänzen sie am Ausgangspunkt der Parade an der Langen Reihe in St. Georg. "Jedes Jahr haben wir ein Kostümthema. Zwei von uns suchen sich verschiedene Kostüme aus, und per Mail stimmen wir dann alle ab", sagt der 44 Jahre alte Sachbearbeiter. In goldenen Faltenkleidern und lockigen Perücken werden vor Ort die letzten Vorbereitungen für die bevorstehende Parade unternommen. Die bunt gemischte Truppe hat sich wie jedes Mal bereits zum Frühstück getroffen und sich dann gemeinsam in Schale geworfen. "Die Stimmung ist unglaublich ausgelassen hier und angenehm offen, wir freuen uns", sagt Holger Meyer.
+++ Pride-Parade wird kurzzeitig zur Regen-Parade +++
+++ Laut und schrill für Gleichberechtigung +++
Selbst der erste Regenschauer, der zum Start der Parade um 12 Uhr fällt, kann der guten Laune, die in Massen verbreitet wird, nichts anhaben. Bunte Kostüme und laute Musik animieren die Zuschauer am Straßenrand zum Staunen, Tanzen und Mitlaufen.
Zu denjenigen, die sich den spektakulären Demonstrationszug vom Rand anschauen, gehört Familie Ashton-Braun. "Wir wohnen hier um die Ecke in St. Georg und gucken uns die Parade jedes Jahr zusammen mit unseren Kindern an. Gleichgeschlechtliche Liebe gehört für uns zum Alltag und ist kein großes Thema mehr." Auch wenn es für die Kinder in erster Linie noch mehr Kostümierung als politischer Hintergrund ist. "Es ist wichtig, die Toleranz von vornherein mitzugeben. Die beiden wachsen mit unseren homosexuellen Freunden auf und waren bereits auf der Hochzeit eines schwulen Pärchens."
Ehe ist das Stichwort. In diesem Jahr steht die Veranstaltung unter dem Motto "Ehe 2.0 - Nach den Pflichten jetzt die Rechte". Die schwarz-gelbe Koalition im Bundestag hat es im Juli zwar abgelehnt, aber "wir fordern die volle rechtliche Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften mit der Ehe", sagt Lars Peters.
"Vor knapp einem Monat haben wir geheiratet", sagen Rena und Diana, "das Motto und die Thematik betreffen uns also." Die beiden können zwar nur schwer daran glauben, dass durch den Christopher Street Day "etwas Großes" bewegt werden kann, hoffen aber auf einen Nachhall in Politik und Gesellschaft - auch nach der Parade. "Es geht nicht mehr nur darum, die Grundrechte einzufordern, sondern einen Schritt weiterzugehen. Wir erfüllen die gleichen Pflichten, wir gehören dazu."
Während der Verein Hamburg Pride die Parteien CDU und FDP in einem offenen Brief noch dazu aufforderte, die Teilnahme am Christopher Street Day 2012 zu überdenken, lassen es sich zahlreiche Politiker nicht nehmen, beim Demonstrationsumzug mitzumachen. Ganz vorn dabei ist Jana Schiedek (SPD), Senatorin für Justiz und Gleichstellung. Auch an den Parteiständen auf dem Straßenfest ist die Stimmung ausgelassen.
Disney-Figuren, Lack und Leder und gern mal der eine oder andere nackte Popo - die kunterbunt-fröhliche Karawane zieht am Hauptbahnhof vorbei über Stein- und Mönckebergstraße bis zum Straßenfest auf dem Jungfernstieg. "Das Kostüm gibt einem das Gefühl der Gemeinschaft. Man ist als Schwuler nicht allein, sondern Teil des Ganzen. Zudem verdeutlicht es, dass es nicht nur Schwarz und Weiß gibt. Deswegen verkleiden sich viele an diesem Tag", sagt Holger Meyer. Dass sich hinter der Maskerade auch heterosexuelle Männer und Frauen verbergen, vermuten die wenigsten.
+++ Bunt, schrill, kämpferisch: CSD in Hamburg +++
+++ Die große rosa Koalition aus Hamburg +++
Holger Meyers Freund Konrad ist ein Beispiel. "Dies ist mein achter Christopher Street Day. Ich laufe mit, weil es eine wichtige Sache ist und ich sie auch als heterosexueller Mann unterstütze." Es sei ein wichtiger Tag, den viele aber nur als eine Art Karneval betrachteten. Dabei seien vergleichsweise nur wenige Teilnehmer verkleidet, sagt der 39-Jährige.
Der Christopher Street Day erinnert an einen Aufstand von Schwulen in der New Yorker Christopher Street im Jahre 1969. Nach einer Polizeirazzia in der Bar Stonewall Inn kam es zu erheblichen Protestaktionen von Homosexuellen. In Erinnerung an diese Ereignisse finden jährlich überall auf der Welt politische Paraden unter diesem Straßennamen statt. Die Geschichte des Hamburger Christopher Street Days reicht zurück bis in den Sommer 1980.