Seit gestern fährt HKX von Hamburg nach Köln. Es ist erst die zweite Konkurrenz zur Deutschen Bahn im Fernverkehr
Hamburg/Köln. Die Preisoffensive rollt leise an, beinahe diskret. Um fünf vor 7 Uhr verlässt der HKX mit vier Waggons und zwei Lokomotiven den Hamburger Hauptbahnhof in Richtung Köln. 6.49 Uhr steht auf dem Fahrplan - für Vielfahrer, deren auf Bahnsteigen verspätete Lebenszeit sich in Tagen und Wochen bemisst, ist das pünktlich.
Der Geschäftsmann Wolfgang Walter Horn aus Hamburg freut sich in erster Linie über den Preis. "Ich habe öfter in Köln zu tun", sagt er in einem der Abteile. "Die Hin- und Rückfahrt mit dem HKX ist billiger als allein die Hinfahrt mit der Deutschen Bahn." Für die einfache Fahrt von Hamburg nach Köln hätte Horn im Intercity bei kurzfristiger Buchung 83 Euro zahlen müssen, die Fahrt im HKX bekam er für 40 Euro, Reservierung inklusive. Einschließlich Rückfahrt, die er an diesem Tag allerdings nicht braucht, hätte das Ticket 58 Euro gekostet. "Und wann ist man schon mal bei einer Jungfernfahrt dabei?", sagt Horn.
Der Aufbruch im deutschen Bahn-Fernverkehr beginnt mit den Mitteln der Vergangenheit. Die Waggons, die an diesem Montagmorgen durch die norddeutsche Tiefebene nach Süden rollen, stammen aus den 1970er-Jahren. Es sind alte Erste-Klasse-Wagen, die einst in Rheingold-Zügen der Deutschen Bundesbahn hingen: sechs plüschige Plätze je Abteil, Holzfurnier an den Wänden, messinghelle Gepäckgitter, schwarze Marmoroptik im WC.
Angenehm gedämpft geht es mit höchstens 160 Kilometern pro Stunde voran, wie in den alten Zeiten, als die Bahn gefühlt noch immer pünktlich war. HKX spendiert allen Fahrgästen einstweilen Beinfreiheit. Die eigentlich vorgesehenen Gebrauchtwagen sind zur nötigen Umrüstung länger als geplant in Polen. Deshalb mietete HKX die Rheingold-Klassiker von einem Verkehrskonzern in Italien und muss sie notgedrungen noch bis ins Jahr 2013 hinein einsetzen. Rollendes Material ist knapp im europäischen Bahngeschäft.
Zugliebhaber bekommen bei HKX einen Nostalgiebonus auf der Reise zwischen den Metropolen. Die Studentin Noëlle Höller allerdings ließ sich von den günstigen HKX-Tarifen bei der Buchung im Internet überzeugen. "Eine neue Konkurrenz zur Deutschen Bahn muss man unterstützen", sagt Höller, die in Köln lebt und ihren Freund in Hamburg besucht hat. "Der Fahrplan ist zwar längst nicht so umfangreich wie das Angebot der Deutschen Bahn. Aber das nehme ich in Kauf, wenn ich das nächste Mal nach Hamburg fahre."
Eine bis drei Abfahrten täglich von Hamburg nach Köln und ebenso in die Gegenrichtung, zum Wochenende hin mehr Verbindungen als zu Beginn: HKX fängt klein an und hofft auf Zuspruch. In Bremen hält der Zug auf dem Weg nach Köln nicht an, aber in Osnabrück, Münster und Gelsenkirchen, in Essen, Duisburg und Düsseldorf. "Wir wollen eine Fernstrecke bedienen, und glauben, dass das von Hamburg nach Köln ohne Bremen funktioniert", sagt HKX-Geschäftsführerin Eva Kreienkamp, die bei der Jungfernfahrt dabei ist. Auch für die vielen Haltepunkte in Nordrhein-Westfalen hat sie eine Erklärung: "Dort gibt es das größte Potenzial an Fahrgästen, die der neuen Verbindung eine gute Grundauslastung bringen können."
An Auslastung hatte es beim Metropolitan seinerzeit gemangelt, der Verbindung von Hamburg nach Köln mit Halt in Düsseldorf. Von 1999 bis 2004 fuhr die Deutsche Bahn auf der Strecke mit einem eigens entworfenen Zug auf Erste-Klasse-Niveau. Das relativ teure Angebot richtete sich in Ausstattung und Fahrplan vor allem an Geschäftsreisende - und funktionierte deshalb oder trotzdem nicht. Der neue HKX ist insofern keine Neuauflage. "Wir wollen ein möglichst breites Publikum ansprechen", sagt Kreienkamp, "durch die Preisgestaltung, den Fahrplan und die Zahl der Haltepunkte."
Buchen kann man die Fahrkarten für den neuen Zug im Internet oder per Telefon, auch im Zug gibt es Tickets, dort aber teurer. Je nach Tag, Buchungszeitpunkt und Auslastung des Zuges variieren die Preise zwischen 20 und 60 Euro für die einfache Fahrt. HKX würde die Fahrkarten gern auch in den Reisezentren an den Bahnhöfen verkaufen. Die aber sind nach wie vor fest in der Hand der Deutschen Bahn. Auf eine breite und teure Werbekampagne zur Einführung hat das Unternehmen aus Kostengründen verzichtet. "Wir vertrauen darauf, dass unser Angebot im Internet schnell gefunden und angenommen wird", sagt Kreienkamp.
Drei Jahre lang habe man den Start der neuen Verbindung vorbereitet, sagt die Geschäftsführerin: Verhandlungen mit der Deutschen Bahn und der Bundesnetzagentur über die Befahrung des Netzes, das dem Bund gehört und das die Bahn mit ihrem Tochterunternehmen DB Netz betreibt. Die langwierige Beschaffung von Waggons, die sich durch den Umbau der Fahrzeuge in Polen noch immer verzögert. Die Suche nach und die Ausbildung von Personal. All das kostete Zeit und Nerven.
Aus Sicht von Kreienkamp hat es sich gelohnt: "Wir arbeiten mit DB Netz heute gut zusammen und haben dort beim Fahrtenmanagement den regulären Status eines Fernverkehrsanbieters", sagt sie. "Unser Personal haben wir bewusst international ausgewählt und es gründlich ausgebildet." 25 von bislang rund 40 Mitarbeitern sind in den Zügen unterwegs, eine bunte Mischung mit Herkunft von Tschechien über Griechenland bis Vietnam. Die Durchsagen kommen bei der Jungfernfahrt auch mal auf Französisch und Portugiesisch: "Das machen wir aber nur heute zur Einführung", sagt Kreienkamp im Scherz.
Das französische Bahnunternehmen Veolia betreibt die Züge im Auftrag von HKX und bildet auch das Servicepersonal aus. Von fünf Rheingold-Waggons soll die Fahrzeugflotte demnächst auf neun erweitert werden. Hinzu kommt an den Wochenenden ein Zug des Veolia-Tochterunternehmens Nord-Ostsee-Bahn (NOB). So kann HKX insgesamt drei Züge einsetzen. Vom kommenden Jahr an sollen dann 18 ehemalige Waggons der Österreichischen Bundesbahn (ÖBB) zur Verfügung stehen, deren Umrüstung in Polen nicht zeitgerecht abgeschlossen werden konnte. Mit den neuen Wagen und den Erfahrungen aus der Startphase will HKX auch das Preisgefüge ändern. "Wir werden die Preise dann stärker an der Auslastung der Züge orientieren", sagt Kreienkamp. Zudem soll es in den künftig eingesetzten Waggons zwei Komfortklassen geben.
Veolia, Geschäftspartner und Geburtshelfer von HKX, ist das bislang einzige Bahnunternehmen, das der Deutschen Bahn im deutschen Fernverkehr erfolgreich Paroli bietet. Von Leipzig über Berlin nach Rostock fährt Veolia seit einigen Jahren den Interconnex. Andere reguläre Angebote von Bahnkonkurrenten gab es nicht - bis gestern. "Der deutsche Markt ist sicher schwierig", sagt Henry Posner in einem der alten Rheingold-Abteile. "Im Personennahverkehr und im Güterverkehr gibt es mittlerweile eine vielfältige Konkurrenz zur Deutschen Bahn. Aber um die interessante Nische des Personenfernverkehrs hat sich bislang niemand wirklich gekümmert."
Der schmale, hochgewachsene US-Geschäftsmann entpuppt sich als die treibende Kraft hinter dem neuen Bahnkonkurrenten. Sein Unternehmen Railroad Development Corporation (RDC) ist ein familiengeführtes Investmenthaus mit Sitz in Pittsburgh im US-Bundesstaat Pennsylvania. RDC hält die Mehrheit der Anteile bei HKX. Posners Leute haben bereits viel Erfahrung im Eisenbahngeschäft in Nord- und Südamerika gesammelt, auch bei einer Bahnprivatisierung in Estland war RDC zu Beginn des vergangenen Jahrzehnts dabei. "Wir haben substanziell in Personal, in die Organisation und das fahrende Material bei HKX investiert", sagt Posner, ohne eine Summe zu nennen. Die Hoffnung auf allzu schnelle Erfolge dämpft er allerdings: "Wir wollen die Erwartungen bewusst nicht zu hochhängen. Wir sind ungeduldige Manager, aber geduldige Investoren."
Der Auftakt zumindest ist vielversprechend. Der Morgenzug von Hamburg nach Köln war noch halb leer. Bei der Fahrt zurück durch das sonnige Deutschland hingegen ist auch der zugehängte fünfte Waggon bis auf den letzten der insgesamt 200 Plätze gefüllt. Einige Reisende stehen auf dem Gang. Ein freundlicher Zugbegleiter verkauft Sandwiches, Kaffee und kalte Getränke aus einem umgewidmeten früheren Servicewagen einer Fluggesellschaft. Unter dem Teppich des Rheingold-Abteils summt das Gleis dahin. "Ein Zug voller Fahrgäste, gleich am ersten Tag", sagt Posner. "Was will man mehr?"